Leitsatz (amtlich)
Ergebnisabführungsverträge im Rahmen eines Organverhältnisses verpflichten nicht zur Abführung des Abwicklungsgewinns. Der Senat tritt der Entscheidung I 262/63 vom 18. Oktober 1967 (BFH 90, 370, BStBl II 1968, 105) für die Gesellschaftsteuer bei.
Normenkette
KVStG 1955 § 2 Nrn. 2, 3 Buchst. b, § 4
Tatbestand
Zwischen der Klägerin und der X-GmbH bestand seit 1952 ein Organvertrag und ein Gewinnausschlußvertrag, nach dem die X-GmbH ausschließlich zum Vorteil der Klägerin tätig sein sollte; ihre Gewinne sollten an die Klägerin abgeführt, ihre Verluste von der Klägerin getragen werden. Die Geschäftsanteile der Klägerin und der X-GmbH wurden von denselben Gesellschaftern (natürliche Personen) gehalten. Die X-GmbH ging am 1. Juni 1954 in Liquidation. Die bis dahin entstandenen Verluste sind nach den Ausführungen des FG von der Klägerin übernommen und - soweit ersichtlich - rechtskräftig zur Gesellschaftsteuer herangezogen worden.
Die X-GmbH erzielte im Rahmen der Liquidation durch Veräußerung der Anlagewerte Gewinne. Das FA hat einen als abgeführten Liquidationsgewinn der X-GmbH bezeichneten Betrag von 237 875,08 DM zur Gesellschaftsteuer herangezogen. Diese Summe wurde in den Büchern der X-GmbH mit Buchung vom 27. September 1956 als der Klägerin geschuldet ausgewiesen.
Das FG hat in dem Buchungsvorgang vom 27. September 1956 die Zuführung eines Liquidationsgewinns von 237 875,08 DM im Jahre 1956 an die Klägerin gesehen. Hierin liege die Erfüllung einer bürgerlich-rechtlichen Verpflichtung, die aus einem Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der X-GmbH herrühre. Es fehle wegen dieser Verpflichtung an der Freiwilligkeit der Leistung im Sinne von § 2 Nr. 3 KVStG 1955, so daß die Klägerin von der Gesellschaftsteuer freizustellen sei. Die OFD beantragt in der von ihm für den Beklagten eingereichten Rechtsbeschwerde vom 6. Oktober 1965, die Gesellschaftsteuer nach einer Bemessungsgrundlage von 237 875,05 DM auf 7 136,25 DM festzusetzen. Der Liquidationsgewinn der X-GmbH rechne nicht mehr zu den Gewinnen, die auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages an die Klägerin abzuführen seien. Die Abführung stelle daher eine freiwillige Leistung an die Klägerin dar.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
Die Vertretungsbefugnis der OFD wird vom Senat für Fälle anerkannt, in denen bis zum Inkrafttreten der FGO die Rechtsbeschwerde eingelegt ist. Der Antrag des FA vom 27. August 1968, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist zu gewähren, und die vom FA eingelegte Revision sind damit gegenstandslos.
Dem FG kann nicht darin beigetreten werden, daß ein Liquidationsgewinn auf Grund eines weiter wirksamen Ergebnisabführungsvertrages an die Klägerin abzuführen sei. Ein Ergebnisabführungsvertrag im Rahmen eines Organverhältnisses verpflichtet nicht zur Abführung des Abwicklungsgewinns, wie der I. Senat in der Entscheidung I 262/63 vom 18. Oktober 1967 (BFH 90, 370, BStBl II 1968, 105) näher ausgeführt hat. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen. Der Senat tritt dieser Ansicht für das Gesellschaftsteuerrecht bei. Da das FG dies verkannt hat, muß die Entscheidung schon aus diesem Grunde aufgehoben werden.
Wird tatsächlich ein Liquidationsgewinn unter den hier bestehenden Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der X-GmbH abgeführt, so kann die Gesellschaft-Steuerpflicht nicht auf § 2 Nr. 2 KVStG 1955 gestützt werden; denn eine solche Leistung ist nicht im Rahmen einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt worden. Die Leistung desjenigen, der sie erbringt, muß - wie die erläuternden Beispiele in § 2 Nr. 2 KVStG 1955 (weitere Einzahlungen, Nachschüsse, Zubußen) ergeben - auf die Kapitalzufuhr ausgerichtet sein, also als Ausfluß (Folgewirkung) der Gesellschaftereigenschaft als Aktionär oder Geschäftsanteilseigner angesehen werden können. Da die leistende Gesellschaft (X-GmbH) an der die Leistung empfangenden Gesellschaft (der Klägerin) nicht beteiligt ist, fehlt es an einer Leistung eines Gesellschafters im Sinne von § 2 Nr. 2 KVStG 1955 (Entscheidungen des BFH II 221/65 vom 14. Januar 1969, BFH 95, 117, BStBl II 1969, 321, und II R 144/66 vom 2. Dezember 1969, BFH 98, 2, BStBl II 1970, 330).
Dagegen ist Steuerpflicht nach § 2 Nr. 3 Buchst. b in Verbindung mit § 4 KVStG 1955 nicht ausgeschlossen. Die Freiwilligkeit einer Kapitalzuführung wird nicht dadurch beseitigt, daß eine Kapitalzuführung in Erfüllung eines Vertrages erfolgt. Voraussetzung ist, daß der zu erfüllende Vertrag freiwillig abgeschlossen wurde (BFH-Entscheidung II R 144/66 a. a. O.). Auch Gewinnabführungsverträge zwischen Schwestergesellschaften können der Kapitalzufuhr dienen (BFH-Entscheidung II R 144/66 a. a. O.). Voraussetzung für die Steuerpflicht ist jedoch weiter, daß eine Leistung an die Klägerin bewirkt ist, also eine Vermögensverschiebung stattgefunden hat (BFH-Entscheidung II 114/56 U vom 25. Juli 1956, BFH 63, 149, BStBl III 1956, 254).
Das FG sieht die Leistung in einer Buchung der X-GmbH vom 27. September 1956, durch die diese der Klägerin einen Betrag von 237 875,08 DM als Liquidationsgewinn zugeführt habe. Durch Buchungen einer Vertragspartei wird keine Vermögensverschiebung bewirkt. Selbst bei entsprechenden Gegenbuchungen in den Büchern der anderen Vertragsparteien steht noch nicht eindeutig fest, daß ein Leistungsaustausch in der Form einer Vermögensverschiebung vorliegt, zumal dann nicht, wenn weder die Zahlungsbereitschaft noch die Zahlungsfähigkeit des Schuldners gegeben ist. Es kommt auf die den Buchungen zugrunde liegenden Rechtsvorgänge und Rechtstatsachen an, die das FG hätte feststellen müssen.
Das FG verweist selbst auf das BFH-Urteil I 62/59 S vom 25. Oktober 1960 (BFH 72, 185, BStBl III 1961, 69), das in der Körperschaftsteuersache der Klägerin den Ergebnisabführungsvertrag nicht anerkannt hat. Das FG ist der Bemerkung in diesem Urteil nicht nachgegangen, wonach die tatsächliche Übernahme der Verluste der X-GmbH bis zur Auflösung der X-GmbH in Zweifel gezogen wird. Ist angesichts der nach den Akten ungenügenden Kapitalaustattung der Klägerin im Verhältnis zu den zu übernehmenden Verlusten nicht auszuschließen, daß die Klägerin der X-GmbH die Verluste wenigstens zunächst nicht ersetzen konnte, so bleibt zu prüfen, wie ein Ausgleich der weiter von der X-GmbH vorgetragenen Verluste mit späterem Eigengewinn der X-GmbH zu würdigen ist.
Demnach war die Sache durch Vorbescheid an das FG zurückzuverweisen (§§ 121, 90 Abs. 3 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69092 |
BStBl II 1970, 689 |
BFHE 1970, 498 |