Leitsatz (amtlich)
1. Wirtschaftsgüter des notwendigen Privatvermögens, die zu Unrecht als Betriebsvermögen bilanziert worden sind, sind mit dem Buchwert auszubuchen.
2. Aufwendungen und Erträge, die im Zusammenhang mit diesem Wirtschaftsgut stehen, dürfen den Gewinn des Jahres der Ausbuchung nicht beeinflussen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger ist (Mit-)Inhaber eines Unternehmens, das die Herstellung und den Vertrieb von Maschinen betreibt. Er war bis zum Jahre 1959 alleiniger Inhaber; im Jahre 1960 nahm er seine drei Kinder als Gesellschafter in die Firma auf.
Das Unternehmen wird auf einer Grundfläche betrieben, die der Kläger im Jahre 1940 erworben hat. Auf einem Teil dieser Grundfläche ließ der Kläger in den Jahren 1948 bis 1953 ein Wohngebäude errichten, das seither von ihm und seinen Familienangehörigen bewohnt wird. Das mit dem Wohnhaus bebaute Grundstück ist durch eine Straße von dem Grundstück getrennt, auf dem sich die Betriebsanlagen befinden.
Das Wohngebäude enthält außer den Wohnräumen einen Büroraum und einen Kellerraum als Aktenablage; außerdem steht für das Betriebsfahrzeug ein Abstellraum zur Verfügung. In den Wohnräumen werden gelegentlich Geschäftsfreunde des Klägers bewirtet und beherbergt.
In den Bilanzen des Klägers wurde das Wohngrundstück - ebenso wie der übrige Grundbesitz - von jeher als Betriebsvermögen behandelt.
Mit notariellem Vertrag vom 6. Dezember 1960 schenkte der Kläger seiner Ehefrau das Wohngrundstück. In der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1960 buchte der Kläger daraufhin das Wohngrundstück mit seinem Buchwert über sein Kapitalkonto aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) sah in der Schenkung des Grundstücks eine Entnahme. Durch Gegenüberstellung des Buchwerts in Höhe von 86 515,12 DM und des Teilwerts in Höhe von 305 880 DM errechnete er einen Entnahmegewinn von 219 364,88 DM. Diesen Entnahmegewinn legte er dem berichtigten Bescheid vom 1. März 1967 über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für das Jahr 1960 zugrunde.
Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils führte das FG aus, das FA habe zu Recht die Schenkung des Wohngrundstücks an die Ehefrau des Klägers als Entnahme angesehen und den Entnahmegewinn in die Gewinnermittlung einbezogen (§ 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Das Grundstück habe - entgegen der Auffassung des Klägers - zum Betriebsvermögen gehört. Als das Grundstück noch unbebaut gewesen sei, habe es gewillkürtes Betriebsvermögen sein können, weil es im Erwerbszeitpunkt für eigenbetriebliche Zwecke bestimmt und geeignet gewesen sei (Urteil des BFH IV 305/59 U vom 1. Dezember 1960, BFH 72, 419, BStBl III 1961, 154). Aus diesem Grunde sei es auch in die Bilanz des Klägers aufgenommen worden. Hieran habe sich durch die Bebauung nichts geändert; denn das Grundstück sei auch danach für betriebliche Zwecke verwendet worden. Abgesehen von dem Büroraum, dem Raum für die Aktenablage und dem Abstellplatz für das Betriebsfahrzeug diene das Haus auch insofern betrieblichen Zwecken, als einige Räume der Übernachtung und der Bewirtung von Geschäftsfreunden dienten. Es hätten also vernünftige und schwerwiegende Gründe dafür bestanden, daß der Kläger das zum gewillkürten Betriebsvermögen gezogene unbebaute Grundstück auch nach der Bebauung im Betriebsvermögen belassen habe. Ein etwa entgegenstehender Wille hätte spätestens nach Abschluß der Bebauung in eindeutiger Form erklärt und buchmäßig durchgeführt werden müssen.
Mit seiner Revision läßt der Kläger vortragen, daß das Grundstück mit der Errichtung des Wohnhauses und dessen Nutzung für eigene Wohnzwecke notwendiges Privatvermögen geworden sei. Die Errichtung und der Bezug des Gebäudes habe eine Entnahmehandlung dargestellt, ohne daß es auf die Absichten des Klägers angekommen wäre. Der Umfang, in dem das Gebäude für Betriebszwecke genutzt werde, sei zu gering, um es als Betriebsgebäude ansehen zu können. Das Haus habe für private Zwecke sieben Wohnräume und zwei Dachzimmer; dem Betrieb dienten dagegen nur ein Besprechungszimmer mit 18,57 qm, ein Kellerabteil von 9,80 qm zur Ablage von Akten und die Garage. Es sei unrichtig, aus der jahrelangen buchmäßigen Behandlung des Grundstücks auf den Willen des Klägers zu schließen, das Grundstück im Betriebsvermögen zu belassen. Der Kläger beantragt, bei der Feststellung des Gewinns für 1960 als Entnahmegewinn lediglich 10 v. H., also 21 936 DM, anzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
1. Die Annahme der Vorinstanz, der Kläger habe das Wohngrundstück im Jahre 1960 in vollem Umfang aus seinem Betriebsvermögen entnommen, ist unzutreffend. Entnahmen sind Wirtschaftsgüter, die der Steuerpfichtige dem Betrieb "für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke" entnimmt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Entnommen werden kann also nur etwas, was sich noch im Betriebsvermögen befindet. Daran hat es im vorliegenden Fall hinsichtlich des privat genutzten Teils des Gebäudes gefehlt.
a) Es mag zwar zutreffen, daß das später überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Grundstück vor dem Abschluß seiner Bebauung im Jahre 1953 in vollem Umfang Betriebsvermögen gewesen ist. Falls damals noch nicht festgestanden haben sollte, auf welche Weise das Grundstück später genutzt wird, konnte es als gewillkürtes Betriebsvermögen angesehen und dementsprechend bilanziert werden. Für die Aufnahme eines Grundstücks in das Betriebsvermögen genügt es, daß es für eigenbetriebliche Zwecke bestimmt und geeignet ist (BFH-Urteil IV 305/59 U, a. a. O.).
b) Die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen endete jedoch spätestens in dem Zeitpunkt, von dem an feststand, daß der Kläger das inzwischen erbaute Wohnhaus überwiegend für seine eigenen Wohnzwecke verwenden wollte (BFH-Urteil IV R 192/67 vom 29. April 1970, BFH 99, 523, BStBl II 1970, 754). Denn die eigenen Wohnräume sind stets dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen und können daher in der Regel nicht zum gewillkürten Betriebsvermögen gemacht werden (vgl. BFH-Urteile I 117/60 S vom 29. November 1960, BFH 72, 500, BStBl III 1961, 183; IV 99/63 S vom 12. November 1964, BFH 81, 128, BStBl III 1965, 46; IV R 192/67, a. a. O.).
Der notwendig private Charakter von Wohnräumen wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß in ihnen gelegentlich Geschäftsfreunde bewirtet und beherbergt werden. Zwar mag die Aufnahme von Geschäftsfreunden in das private Wohngebäude des Unternehmers dessen betriebliche Interessen fördern. Die auf diese Weise gepflegten häuslichen Kontakte sind jedoch in so enger Weise mit der persönlichen Lebensführung des Unternehmers verknüpft, daß hierdurch die Eigenart der privaten Wohnräume nicht berührt wird.
Auch die Tatsache, daß Teile eines Wohngebäudes - wie im vorliegenden Fall das Arbeitszimmer, ein Kellerraum und der Garagenplatz - betrieblich genutzt werden, reicht nicht aus, um das im übrigen als Wohngebäude genutzte Grundstück in seiner Gesamtheit als Betriebsvermögen anzusehen. Ein Gebäude kann nur dann in vollem Umfang als Betriebsvermögen betrachtet werden, wenn die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht überwiegt (vgl. BFH-Urteil IV 99/63 S, a. a. O.). Im vorliegenden Fall überwog aber die Nutzung zu privaten Wohnzwecken.
c) Der Übergang des privat genutzten Teils des Grundstücks in das Privatvermögen bedeutet zugleich sein Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen. Dieses Ausscheiden hätte auch ohne entsprechende Willensäußerung des Steuerpflichtigen gegenüber dem FA als Entnahme behandelt werden müssen (vgl. BFH-Urteile IV 99/63 S, a. a. O.; IV 134/64 vom 15. Januar 1970, BFH 98, 341, BStBl II 1970, 313). Der privat genutzte Teil des Grundstücks hätte vom Zeitpunkt der Entnahme an in den Bilanzen des Klägers nicht mehr als Betriebsvermögen geführt werden dürfen; der dennoch erfolgte Bilanzausweis machte die Bilanz unrichtig.
2. Wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß Gr. S. 1/65 S vom 29. November 1965 (BFH 84, 392, BStBl III 1966, 142) ausgeführt hat, kommt die Rückwärtsberichtigung eines fehlerhaften Ansatzes des Betriebsvermögens bis zur Fehlerquelle nur in Betracht, wenn das fehlerhaft ermittelte Betriebsvermögen einer Veranlagung noch nicht zugrunde gelegen hat, oder wenn die auf ihm beruhende Veranlagung nach allgemeinen Grundsätzen berichtigt oder geändert werden kann und berichtigt oder geändert worden ist. Ist dies nicht mehr möglich, so scheidet die steuerliche Berichtigung des Betriebsvermögens am Schluß des Wirtschaftsjahres und infolge seiner Identität mit dem Betriebsvermögen am Anfang des folgenden Jahres auch dessen Berichtigung grundsätzlich aus.
Demgemäß ist auch im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die unrichtigen Bilanzen des Klägers noch berichtigt werden können. Da das Urteil des FG hierzu keine Feststellungen enthält, muß es aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
3. Bei der erneuten Entscheidung wird das FG folgendes zu beachten haben:
a) Eine Rückwärtsberichtigung bis zur Fehlerquelle würde voraussetzen, daß eine Berichtigung der Bescheide über die Veranlagungszeiträume 1953 bis 1959 nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften (insbesondere über die Bestandskraft der Bescheide und die Verjährung) noch zulässig ist. Wäre dies der Fall, so müßte die im Jahre 1953 erstmals eingetretene Nutzung eines Teils des Grundstücks als notwendiges Privatvermögen im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 1953 sachlich richtig als Entnahme behandelt werden. Hinsichtlich der mit diesem Grundstücksteil im Zusammenhang stehenden Aufwendungen und Erträge müßte berücksichtigt werden, daß sie kein zum Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut betreffen und demzufolge den Gewinn nicht beeinflussen dürfen (vgl. § 4 Abs. 4 EStG); die Gewinnermittlung für die entsprechenden Veranlagungszeiträume müßte dementsprechend berichtigt werden.
b) Sollte das FG bei der erneuten Prüfung dagegen zu dem Schluß gelangen, daß eine Rückwärtsberichtigung bis zur Fehlerquelle nicht mehr möglich ist, so ist die Berichtigung in einem späteren Besteuerungsabschnitt durchzuführen. Dabei ist im Anschluß an den Beschluß des Großen Senats Gr. S. 1/65 S (a. a. O.) zu beachten, daß wegen des Grundsatzes des Bilanzenzusammenhangs die Berichtigung eines unrichtigen Bilanzansatzes in einer Anfangsbilanz grundsätzlich nicht zulässig ist, wenn diese Bilanz zugleich als Schlußbilanz der Veranlagung eines früheren Jahres zugrunde gelegen hat, die nicht mehr berichtigt werden kann oder wenn der sich bei einer Berichtigung dieser Veranlagung ergebende höhere Steueranspruch wegen Verjährung erloschen ist. Sollte also im vorliegenden Fall eine Berichtigung der Schlußbilanzen der Jahre 1953 bis 1959 nicht mehr möglich sein, so müßte demzufolge die Schlußbilanz des jahres 1960 berichtigt werden.
Die Berichtigung wäre in Form einer Ausbuchung des unrichtigen Bilanzansatzes durchzuführen (vgl. BFH-Urteile I 130/60 S vom 27. März 1962, BFH 75, 10, BStBl III 1962, 273; IV 78/64 vom 18. März 1965, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 819; I R 143/66 vom 2. Juli 1969, BFH 96, 302, BStBl II 1969, 617).
Zu der Frage, mit welchem Wert der Grundstücksteil auszubuchen ist, läßt sich dem Gesetz selbst unmittelbar nichts entnehmen. Eine Ausbuchung ist jedenalls nicht einer Entnahme gleichzusetzen. Denn eine Entnahme stellt eine "Wertabgabe aus dem Betrieb zu betriebsfremden Zwecken" dar (vgl. BFH-Urteil IV 647/54 U vom 29. September 1955, BFH 61, 386, BStBl II 1955, 348); sie setzt voraus, daß sich das zu entnehmende Wirtschaftsgut noch im Betriebsvermögen befindet. Eine Ausbuchung dagegen betrifft ein Wirtschaftsgut, das gar nicht zum Betriebsvermögen gehört; die Ausbuchung bezweckt, daß der zu Unrecht entstandene buchmäßige Anschein der Zugehörigkeit dieses Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen beseitigt wird. Für diesen Fall kann also nicht der als Entnahmewert gesetzlich vorgesehene Teilwert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) maßgebend sein. Da es sich um die Richtigstellung eines Fehlers handelt, kann das auszubuchende Wirtschaftsgut vielmehr nur mit dem im Zeitpunkt der Ausbuchung in den Büchern ausgewiesenen Wert, also dem Buchwert, aus seinem scheinbaren Zusammenhang mit dem Betriebsvermögen gelöst werden (vgl. BFH-Urteil I R 7/69 vom 25. November 1970, BFH 101, 22, BStBl II 1971, 181; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 4 EStG Anm. 10e [4]; Mittelbach, Die steuerliche Betriebsprüfung, 1964 S. 204 [206]).
Mit der Ausbuchung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert bleiben allerdings Wertveränderungen, die während der Behandlung dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen eingetreten sind, unberücksichtigt; insbesondere wird nicht berücksichtigt, daß bei dem Ansatz des Wertes dieser Wirtschaftsgüter in früheren Jahren bereits AfA und gegebenenfalls auch Teilwertabschreibungen vorgenommen worden sind (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG), die den Gewinn dieser Jahre entsprechend gemindert haben. Es besteht indessen keine Möglichkeit, dem auszubuchenden Buchwert den Betrag hinzuzurechnen, der der bei der Veranlagung für vorausgegangene Zeiträume als gewinnmindernd in Erscheinung getretenen AfA oder Teilwertabschreibung entspricht. Einer solchen Sachbehandlung würde die Bestandskraft der - die AfA oder Teilwertabschreibung berücksichtigenden - Bescheide der vorausgegangenen Jahre bzw. die Verjährung der Steueransprüche entgegenstehen.
Aus dem gleichen Grunde können im übrigen auch die mit dem auszubuchenden Wirtschaftsgut zusammenhängenden Aufwendungen (wie im vorliegenden Fall Gebäudeunkosten und Grundsteuer) und Erträge, die das Betriebsergebnis der vorangegangenen Jahre zu Unrecht beeinflußt haben, nicht mehr berücksichtigt werden.
Etwas anderes gilt nur hinsichtlich der Aufwendungen und Erträge, die sich auf das Jahr der Ausbuchung beziehen. Denn für dieses Jahr stehen einer zutreffenden Behandlung die Bestandskraft von Bescheiden oder die Vorschriften über die Verjährung nicht im Wege. Da feststeht, daß es sich insoweit um keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Betriebseinnahmen handelt, dürfen diese Aufwendungen den Gewinn nicht beeinflussen.
Fundstellen
Haufe-Index 413277 |
BStBl II 1972, 874 |
BFHE 1972, 422 |