Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Das GrStG gilt auch für den auf der Insel Helgoland belegenen Grundbesitz.
Normenkette
GrStG §§ 1, 33 Abs. 4
Tatbestand
Die Bfin. ist Eigentümerin eines Grundstückes auf der Insel Helgoland, das ihr durch die Umlegungsbehörde zugewiesen wurde. Der Einheitswert für dieses Grundstück wurde durch Einheitswertbescheid und gleichzeitigen Grundsteuermeßbescheid zum 1. Januar 1957 auf 7.500 DM festgestellt und der Grundsteuermeßbetrag auf 37,50 DM (5 v. T.) festgesetzt. Im Einspruchs- und Berufungsverfahren begehrte die Bfin. Aufhebung des Bescheides, da auf der Insel Helgoland angeblich früher auf Grund alter Privilegien keine Grundsteuer erhoben worden sei. Infolgedessen hält sie nach dem deutsch-englischen Vertrage über den übergang Helgolands an Deutschland vom 1. Juli 1890, dessen Art. 12 Ziff. 4 lautet:
"Die zur Zeit bestehenden heimischen Gesetze und Gewohnheiten bleiben soweit es möglich ist, unverändert fortbestehen.", die Bewohner Helgolands auch heute noch für von der Grundsteuer befreit. Das GrStG vom 1. Dezember 1936 bzw. vom 10. August 1951 finde für Helgoland keine Anwendung, da der Geltungsbereich des GrStG nicht ausdrücklich auf Helgoland ausgedehnt worden sei. Außerdem handle es sich um ein unbebautes Trümmergrundstück, für das eine Grundsteuer nicht festzusetzen sei. Die Bebauung sei wegen der beschränkten Leistungsfähigkeit der zugelassenen Baufirmen bis zum Stichtage nicht möglich gewesen.
Das Finanzamt wies darauf hin, den Bewohnern Helgolands seien Grundsteuermeßbescheide bereits im Dezember 1937 zugegangen. Dementsprechend seien Grundsteuern gemäß dem GrStG vom 1. Dezember 1936 bis zur Zerstörung durch die Kriegsereignisse erhoben worden. Das Grundstück sei am Stichtage baureif gewesen.
Das Finanzgericht, dem ein Gutachten über den Fortbestand der der Gemeinde Helgoland gewährleisteten Gesetze und Gewohnheiten von Universitätsprofessor Geheimrat Dr. H. vom 22. März 1929 vorlag, hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es führte aus, das GrStG vom 1. Dezember 1936 habe die Vereinheitlichung des materiellen Grundsteuerrechts bezweckt. Mit seinem Inkrafttreten seien daher auch etwaige Sondervorschriften für Helgoland weggefallen. Das streitige Grundstück sei als Bauland zu bewerten. Es sei nach der Durchführung des Umlegungsverfahrens der Bfin. zugewiesen worden, für die Bebauung vorgesehen gewesen und an einer vorläufig ausgebauten Straße gelegen. Am Stichtage sei anzunehmen gewesen, daß es in absehbarer Zeit bebaut würde.
Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, es handle sich bei dem streitigen Bescheide nicht um die Bewertung des Grundstückes, sondern allein um die Entrichtung der Grundsteuer. Diese entfalle; nach § 33 Abs. 4 GrStG sei die Grundsteuer für Grundstücke mit zerstörten Gebäuden zu erlassen, wenn und soweit aus dem Grundstücke im Erlaßzeitraume kein Nutzen gezogen worden sei. Dieses Recht auf Befreiung von der Grundsteuer werde weder durch die Enttrümmerung noch durch die Neuzuweisung des Grundstückes bei der Umlegung beeinträchtigt, wie sich aus den Abschnitten 108 bis 112 der Grundsteuer-Richtlinien ergebe. Im übrigen nimmt sie auf die Ausführungen im Vorverfahren Bezug, wonach die Gemeinde Helgoland auf Grund des Art. 12 Ziff. 4 des deutsch-englischen Vertrages von 1890 von der Grundsteuerpflicht befreit sei.
Das Finanzamt hält § 33 Abs. 4 GrStG für bedeutungslos, da diese Bestimmung den Erlaß der Grundsteuer durch die Gemeinde und nicht die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages durch das Finanzamt betreffe. Außerdem stelle die Zuweisung des neuen Grundstückes im Umlegungsverfahren ein Rechtsgeschäft unter Lebenden im Sinne des § 33 Abs. 4 Satz 2 GrStG dar.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des Grundsteuermeßbetrages ist das GrStG in der Fassung vom 10. August 1951. Nach der bis zum Ende des ersten Weltkrieges bestehenden Zersplitterung auf dem Gebiete der Realsteuern, hier also insbesondere der landesrechtlichen Bestimmungen über die Grund- und Gebäudesteuern, ergingen das Grundsteuerrahmengesetz (Notverordnung vom 1. Dezember 1930, 3. Teil, RGBl I S. 517, 530) und später das GrStG vom 1. Dezember 1936. Das Grundsteuerrahmengesetz hatte das Ziel, das materielle Grundsteuerrecht der Länder und Gemeinden zu vereinheitlichen. Nach der Begründung zum Reichstagsentwurf des Steuervereinheitlichungsgesetzes erschien "es nicht tragbar, wenn Steuern, die letzten Endes die gleichen Grundlagen haben, lediglich wegen der auf Verhältnissen in der Vergangenheit beruhenden Verschiedenartigkeit der gesetzlichen Bestimmungen der Länder nach verschiedenen Gesichtspunkten und von verschiedenen Behörden veranlagt werden müssen. Vereinfachung auf allen Gebieten ist der Ruf von Staat und Wirtschaft. Vereinfachung bedeutet aber auch Vereinheitlichung" (siehe Kommentar zum Grundsteuergesetz von Dunz und Blaich, 1937, Einleitung VII). Nachdem die Bindung der Länder an das Rahmengesetz immer wieder aufgeschoben wurde, erging aus der gleichen Zielsetzung das GrStG vom 1. Dezember 1936. "Das Grundsteuergesetz führt nunmehr eine volle Vereinheitlichung des materiellen Grundsteuerrechts für das ganze Reich herbei" (Begründung zum Grundsteuergesetz, siehe Dunz und Blaich, a. a. O., S. 299). Die Insel Helgoland war zur Zeit des Inkrafttretens des GrStG eine inländische Gemeinde (Landgemeinde im Kreise Pinneberg - siehe preußische Verordnung vom 1. August 1932, Preußische Gesetzsammlung (GS) S. 255 - in der Fassung der Verordnung vom 27. September 1932 - GS S. 315 -). Sie gehörte somit als Gemeinde zu den Steuerberechtigten im Sinne des § 1 GrStG. Bei dem klaren Wortlaut des Gesetzes, seiner bekanntgemachten Zielsetzung und bei der Zugehörigkeit Helgolands zum Reichsgebiet bedurfte es keiner weiteren ausdrücklichen Bestimmung über die Anwendbarkeit des GrStG für Helgoland, die auch durch § 9 des preußischen Gesetzes vom 21. Juli 1922 (GS S. 169) nicht ausgeschlossen worden ist. § 27 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 (RGBl I S. 961) enthält in Abänderung des § 8 des Finanzausgleichsgesetzes die ausdrückliche Bestimmung: "Die Gemeinden können Grundsteuer ... nach den gesetzlichen Vorschriften erheben." Durch das GrStG sollten Sonderregelungen, wie die von der Bfin. behauptete Grundsteuerbefreiung auf Grund alter Privilegien, beseitigt werden. Dementsprechend ist auch die Grundsteuer in Helgoland bis zur Zerstörung der Insel durch die Kriegsereignisse erhoben worden. Art. 12 Ziff. 4 des deutsch-englischen Vertrages steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil danach die damals bestehenden heimischen Gesetze und Gewohnheiten nur, soweit möglich, unverändert bestehen bleiben sollen. Bei dieser Fassung des Staatsvertrages, dessen Vertragschließende die beiden Staaten Deutschland und England waren, ist der einzelne Bewohner der Insel Helgoland nicht derart als begünstigter Dritter anzusehen, daß er Befreiung von den Lasten des GrStG 1936 bzw. 1951 verlangen könne. Dem steht auch nicht der in dem Gutachten herangezogene Begriff von Treu und Glauben entgegen. Im Gegenteil widerspräche eine ohne zwingende Rechtsnotwendigkeit gewährte Steuerbefreiung von Inländern auf Grund des in vergangenen Generationen geschlossenen Staatsvertrages der steuerlichen Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit. Großbritannien hat im November 1920 auf die Fortgeltung des Vertrages von 1890 zur Aufrechterhaltung von Sonderrechten verzichtet (vgl. Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Erster Band, S. 783 - Abhandlung von Ipsen). Durch den zweiten Weltkrieg sind insoweit keine änderungen eingetreten (siehe Ipsen, a. a. O.). Sollte eine Minderung der Steuer für Helgoland auf Grund der heutigen Verhältnisse nötig sein, so steht es dem Gesetzgeber frei und ihm allein zu, sie unter Bezugnahme auf die im Bundesgebiet gültigen Gesetze einzuführen.
Das Reichsgesetz betreffend die Vereinigung der Insel Helgoland mit dem Deutschen Reiche vom 15. Dezember 1890 (RGBl S. 207) und das preußische Gesetz vom 18. Februar 1891 (betreffend die Vereinigung der Insel Helgoland mit der preußischen Monarchie, GS S. 11) enthalten keine Bestimmungen, die der Anwendung des GrStG auf Helgoland entgegenstehen, abgesehen davon, daß sie alsdann durch das allgemein gültige GrStG abgeändert worden wären. Dies wäre zulässig gewesen, da der Gesichtspunkt der Begünstigung eines Dritten oder auch der Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht in Frage kommt. Die verfassungsrechtliche Sonderstellung aus dem Reichsgesetz vom 15. Dezember 1890 ist zudem durch Art. 178 Abs. 2 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung, abgesehen von dem hier nicht interessierenden Vorbehalt des Satzes 3, beseitigt worden (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 8 S. 260; siehe auch Rudolf, Die verfassungsrechtliche Problematik der Helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer, Archiv des öffentlichen Rechts, N. F. 46, 1960 S. 457, 458).
Das GrStG 1951 findet daher auf das Grundstück der Bfin. Anwendung, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob auf Helgoland in der Zeit vor dem deutsch-englischen Vertrage Privilegien über die Grundsteuerbefreiung bestanden haben.
Bei dem Grundstücke handelt es sich nach den zutreffenden Feststellungen des Finanzgerichts um ein unbebautes Grundstück, wobei es nicht von Bedeutung ist, daß mit der Bebauung wegen kurzfristiger technischer Schwierigkeiten am Stichtage noch nicht begonnen war.
Die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 4 GrStG bedarf im vorliegenden Rechtsstreite keiner Erörterung. Das Rechtsmittelverfahren richtet sich gegen die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages, während § 33 Abs. 4 GrStG den Erlaß der Grundsteuer durch die Gemeinde betrifft, gegen dessen Ablehnung das Verwaltungsgericht angerufen werden kann. Es handelt sich bei den beiden Begehren um verschiedene Verfahren und verschiedene Beteiligte, so daß auch nicht aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder "Verhältnismäßigkeit der Verwaltung" eine Verbindung seitens des erkennenden Gerichtes erfolgen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 410159 |
BStBl III 1962, 11 |
BFHE 1962, 27 |
BFHE 74, 27 |