Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG ist auch eingeräumt, wenn der Berechtigte ermächtigt ist, ein Grundstück für eigene Rechnung zu verwerten; dies gilt auch dann wenn zwar ein Dritter eingeschaltet wird, jedoch nur als Hilfsperson. Dem stehen die Urteile des Senats II 60/56 vom 24. Oktober 1956, II 228/56 U vom 22. Dezember 1959 und II 60/60 U vom 27. Januar 1965 (BStBl 1956 III S. 364, Slg. Bd. 63 S. 433; BStBl 1960 III S. 233, Slg. Bd. 70 S. 625, und BStBl 1965 III S. 265) nicht entgegen, in denen andere Arten der Einräumung der Verwertungsbefugnis aufgeführt sind.
Normenkette
GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5
Tatbestand
Es ist streitig, ob durch bestimmte Vertragsgestaltungen eine Ermächtigung zur Verwertung eines Grundstücks eingeräumt und hierdurch Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG ausgelöst worden ist.
I. - Das Grundstück des Bauern L. von rd. 5 ha war in den Bebauungsplan der Gemeinde aufgenommen worden, sollte parzelliert und als Bauland verkauft werden. Da eine zeitgerechte angemessene Verwertung nicht möglich war, mußte L. das Grundstück verkaufen, weil er kurzfristig für den Erwerb eines neuen Hofes den Betrag von 155.000 DM benötigte. Deshalb schloß L. im März 1959 mit dem Bf. - einem Kaufmann - und dem Auktionator D. einen notariell beurkundeten Vertrag, in dem vereinbart wurde:
Der Bf. stellt Herrn L. für die sofortige Finanzierung des Hoferwerbs den Betrag von 155.000 DM zur Verfügung (§ 2). L. und der Bf. beauftragten D., das Grundstück zu verkaufen (§ 3). L. tritt den künftigen Kauferlös in voller Höhe an den Bf. ab; der Kaufpreis kann nur an D. erbracht werden (§ 4). D. ist von L. und dem Bf. zum Empfang des Kaufpreises beauftragt und bevollmächtigt (§ 5). Der Bf. kann den Betrag von 155.000 DM weder ganz noch teilweise von L. zurückfordern. Andererseits kann auch L. einen etwa über 155.000 DM hinausgehenden Kauferlös nicht vom Bf. herausfordern. Das gesamte Risiko des Vertrages trägt der Bf. bis zur Höhe des ausgezahlten Betrages (§ 6). D. verpflichtet sich gegenüber dem Bf., Kauf- und übertragungsverträge über das Grundstück nur mit dessen schriftlicher Zustimmung abzuschließen (§ 7). Bei etwaigen Verkäufen ist die Nutzung des Grundstücks bis zur Aberntung 1959 L. vorzubehalten, der bis zum 31. Dezember 1959 auch noch die aufstehenden Bäume entfernen kann (§ 8).
In einer notariellen Urkunde vom selben Tage bevollmächtigte L. unwiderruflich auch über seinen Tod hinaus den Auktionator D., das Grundstück zu verkaufen, den Kaufpreis festzusetzen, die Auflassung zu erklären und alle sonst für die Grundstücksumschreibung erforderlichen Erklärungen abzugeben. D. sollte auch berechtigt sein, das Grundstück zu belasten und Anträge auf Eintragung von Hypotheken, Grundschulden oder sonstigen Rechten zu stellen.
Das Finanzamt setzte - gegen den Bf. und gegen L. als Gesamtschuldner - eine entsprechende Grunderwerbsteuer fest, da es im Vertrag in Verbindung mit der Vollmacht die übertragung der Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG erblickte. Es wies auch den Einspruch des Bf. als unbegründet zurück.
Mit der Berufung macht der Bf. geltend, er habe L. lediglich ein Darlehen gewährt und hierfür statt einer zu umständlichen Zinsvereinbarung bei wertmäßig etwa gleichem Ergebnis als Gegenleistung den Erlös aus den Grundstücken gefordert. Nicht er, sondern D. sei zum Verkauf des Grundstücks ermächtigt worden. Auch im übrigen habe er keine Rechtsstellung erworben, die ihm die Verwertung des Grundstücks auf eigene Rechnung ermöglicht hätte; insbesondere habe er weder Besitz noch Nutzungen des Grundstücks erhalten.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück, da der Bf. auf Grund der unwiderruflichen Bevollmächtigung des D. und dessen auch dem Bf. gegenüber eingegangenen Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnisses in die Lage versetzt worden sei, das Grundstück jederzeit auf eigene Rechnung veräußern zu lassen. Dem habe auch die tatsächliche Durchführung entsprochen, da D. nur mit dem Bf. über Sonderkonto abgerechnet habe. Wertmäßig sei der Bf. an der Substanz des Grundstücks beteiligt worden, weil ihm die Mehrerlöse zugute gekommen seien und ihn das Risiko eines Mindererlöses getroffen habe. Deshalb sei es unerheblich, daß ihm Besitz und Nutzungen nicht übertragen worden seien.
Mit der Rb. trägt der Bf. im wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens vor, § 3 des Vertrages habe kein Rechtsverhältnis zwischen ihm und D. begründet; es habe hierdurch nur zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß er gegen die Person des D. nichts einzuwenden habe. § 7 des Vertrages habe ihm kein Weisungsrecht gegenüber D. eingeräumt, der auch dem Grundstückseigentümer L. über den Stand seiner Darlehnsschuld berichte. Die Vollmacht gewähre allenfalls D., nicht aber ihm eine wirtschaftliche Macht.
Entscheidungsgründe
II. -
Auch die Rb. kann keinen Erfolg haben. Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß § 1 Abs. 2 GrEStG jede Rechtsgestaltung der Besteuerung unterwirft, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.
So hat der Senat wiederholt - auch in zum Teil nicht veröffentlichten Urteilen - entschieden, daß ein Fall des § 1 Abs. 2 GrEStG auch dann vorliegt, wenn jemand ermächtigt ist, das Grundstück für eigene Rechnung zu verwerten. Voraussetzung ist, daß zu der Verkaufsermächtigung durch den Eigentümer zugleich eine Vereinbarung hinzukommt, daß die beabsichtigte Grundstücksveräußerung auf Rechnung des Ermächtigten geht. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn der Ermächtigte einen eigenen Verkaufserlös erzielen, wenn ihm insbesondere ein Mehrerlös ganz oder doch im wesentlichen zufließen soll (Urteil des Bundesfinanzhofs II 53/58 U vom 17. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 254, Slg. Bd. 71 S. 19; siehe Auch Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 1 Tz. 160). Diese Grundsätze müssen entsprechend gelten, wenn - wie im Streitfall - zwar ein Dritter eingeschaltet wird, jedoch nur als Hilfsperson, wenn also gleichwohl nach der gesamten Vertragsgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis die Verwertungsbefugnis im obigen Sinne dem Bf. selbst eingeräumt worden ist. Dies rechtfertigt sich auch daraus, daß - abweichend von der grundsätzlich dem bürgerlichen Recht folgenden Betrachtung im Grunderwerbsteuerrecht - bei Anwendung der auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhenden Vorschrift des § 1 Abs. 2 GrEStG die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund steht.
Die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 GrEStG können auch durch eine Mehrheit im inneren Zusammenhang stehender Rechtsgeschäfte erfüllt sein. Ob dies zutrifft, dafür ist über den Vertragswortlaut hinaus der wirkliche Wille der Beteiligten maßgebend (§§ 133, 157 BGB), wie er sich aus den Gesamtumständen des Falles ergibt und erforderlichenfalls durch Auslegung der Vereinbarungen ermittelt werden muß. Bei der Auslegung von Verträgen handelt es sich aber von seiten des Finanzgerichts um die Geststellung von Tatsachen, die den Senat bindet (§§ 288 Ziff. 1, 296 Abs. 1 AO), wenn es auf Grund seiner freien Beweiswürdigung ohne Verstoß gegen den Akteninhalt, gegen die Denkgesetze und ohne Rechtsirrtum zu seinem Ergebnis kommen konnte; nicht erforderlich ist, daß es zu diesem Ergebnis kommen mußte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 11/62 vom 14. Oktober 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 68, 69 linke Spalte Mitte). Wenn das Finanzgericht zu der überzeugung gekommen ist, daß dem Bf. gerade durch das Ineinandergreifen der genau aufeinander abgestimmten Einzelvereinbarungen die Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht worden ist, so waren diese Folgerungen im obigen Sinne durchaus möglich.
Die unwiderrufliche Veräußerungsermächtigung war zwar dem Auktionator D. erteilt. Diese Vollmacht hat aber das Finanzgericht zutreffend nicht isoliert, sondern nur auf der Grundlage des gleichzeitigen Vertrages zwischen L. und dem Bf. gewürdigt, in den D. wohlüberlegt einbezogen worden war. Da der Bf. dem Bauern L. den hohen Betrag von 155.000 DM nicht rückforderbar zur Verfügung gestellt hatte, war es nicht nur verständlich, sondern geboten und auch rechtlich zulässig, daß D. sich im Rahmen eines schuldrechtlichen (Auftrags- oder) Geschäftsbesorgungsverhältnisses nicht nur dem Eigentümer L., sondern mit dessen Einwilligung auch dem Bf. gegenüber verpflichtete, das Grundstück zu verkaufen (§ 3 des Vertrages) und die Kaufverträge nur mit dessen schriftlicher Zustimmung abzuschließen (§ 7 des Vertrages). Wie auch dem Auktionator D. bekannt, war sowohl L. als auch dem Bf., wie letzterer selbst vorgetragen hat, an einem möglichst raschen Verkauf des Grundstücks gelegen. Die Erfüllung der Verpflichtung des D. zum baldigen Verkauf stand auch gegenüber dem Bf. unter dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Möglichkeit, daß D. etwa sich dem Bf. gegenüber nicht "rechtlich erzwingbar" zum Verkauf für verpflichtet gehalten hätte, konnte deshalb ebenso - als ernstlich nicht ins Auge gefaßt - außer Betracht bleiben wie der Umstand, daß D. auch bevollmächtigt war, das Grundstück (nur) zu belasten und nicht etwa zu verkaufen. Diesem bloß formalen Teil der Vollmacht konnte angesichts des eigentlichen Vertragszweckes grunderwerbsteuerrechtlich keine entscheidende Bedeutung beigelegt werden. Vielmehr hatte sich gegenüber dem an den Parzellierungsverkäufen nun nicht mehr interessierten Eigentümer ausschließlich der Bf. den maßgeblichen Einfluß auf Käufer, Zeitpunkt und Kaufpreis, praktisch auf die gesamte Durchführung der Grundstücksverkäufe gesichert. Dementsprechend hat D. auch die einzelnen Verkäufe mit dem Bf. beraten.
Auch die weitere Voraussetzung, daß die Verkäufe auf Rechnung des Bf. gingen, hat die Vorinstanz ohne Rechtsirrtum bejaht. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Hingabe der 155.000 DM angesichts der in §§ 4 und 6 vereinbarten Bedingungen bürgerlich- rechtlich noch als "Darlehen" gewertet werden kann (vgl. insoweit zu einem allerdings anderen Sachverhalt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bf. 25 S. 174 ff., 178). Da der Eigentümer L. durch einen festen Betrag abgefunden war und nach dem eindeutig - ausdrücklichen Wortlaut des Vertrags das gesamte Risiko der Grundstücksverkäufe der Bf. übernommen hatte, ihm vor allem der etwaige ganze Mehrerlös verblieb, kann es - erst recht nach der bei § 1 Abs. 2 GrEStG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung - nicht zweifelhaft sein, daß die Grundstücksverkäufe ausschließlich auf Rechnung des Bf. gingen. In übereinstimmung mit dem Akteninhalt, insbesondere einem eigenen Schreiben des D., hat das Finanzgericht festgestellt, daß die tatsächliche Abwicklung mit den vertraglichen Vereinbarungen übereinstimmte, indem D. die gezahlten Kaufpreise auf seinem Sonderkonto vereinnahmte und auf ein Sonderkonto des Bf. überwies. Daß D. auch dem Eigentümer entsprechend "über den Stand seiner Darlehnsschuld berichtete", war allenfalls eine Information, jedoch nach § 6 des Vertrages ohne jeden rechtlichen Einfluß auf das ausschließliche Risiko des Bf.
Dem Ergebnis, daß der Bf. bereits auf Grund der ineinandergreifenden Einzelvereinbarungen die Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG erlangt hatte, stehen auch nicht die Urteile des Senats II 60/56 U vom 24. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 364, Slg. Bd. 63 S. 433) und II 228/56 U vom 22. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 233, Slg. Bd. 70 S. 625), auf die der Bf. verweist, ebenso nicht das neuere Urteil des Senats II 60/60 U vom 27. Januar 1965 (BStBl 1965 III S. 265 entgegen. Wenn dort ausgeführt ist, der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG setze regelmäßig voraus, daß der Berechtigte nicht nur besitz- und nutzungsberechtigt, sondern auch an der Substanz des Grundstücks wertmäßig beteiligt sein müsse, so trifft dies die häufige Art der Fälle, in denen gerade die Besitz- und Nutzungsberechtigung selbst ein - zwar wesentliches, aber ohne Substanzberechtigung noch nicht ausreichendes - Merkmal des § 1 Abs. 2 GrEStG darstellt. Das schließt aber selbstverständlich nicht aus, daß in anderen Fällen, in denen z. B. ein Grundstück nicht zur dauernden Nutzung überlassen wird, die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 GrEStG auch ohne überlassung von Besitz und Nutzung aus anderen Gründen erfüllt sein können. Dies gilt aber gerade in den Fällen, in denen ein Grundstück zur Veräußerung überlassen wird, wenn dann diese Veräußerung in der umfassendsten Form der wertmäßigen Substanzbeteiligung, nämlich ausschließlich auf Rechnung des Ermächtigten, durchgeführt wird.
Danach war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411721 |
BStBl III 1965, 561 |
BFHE 1966, 166 |
BFHE 83, 166 |