Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kürzung der außerordentlichen Einkünfte i.S. von § 34 EStG um laufende Verluste
Leitsatz (NV)
Die Verlustausgleichsbeschränkungen des § 2 Abs. 3 Satz 3 ff. EStG sind für die Berechnung der begünstigten Einkommensteuer gemäß § 34 Abs. 1 EStG in der seit 1999 geltenden Fassung nicht zu beachten. Laufende negative Einkünfte sind vorrangig mit den laufenden positiven Einkünften zu verrechnen; erst danach ist eine Verrechnung mit den begünstigten Einkünften vorzunehmen (Anschluss an das BFH-Urteil vom 13. August 2003 XI R 27/03, BFHE 204, 433, BFH/NV 2004, 695).
Normenkette
EStG § 2 Abs. 3, § 34; HGB § 89b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Unter Berücksichtigung von Ausgleichszahlungen nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) in Höhe von 406 467 DM erzielte der Kläger im Streitjahr 1999 gewerbliche Einkünfte in Höhe von 380 336 DM. Seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beliefen sich auf 59 029 DM, seine Einkünfte aus Kapitalvermögen auf 12 640 DM. Aus Vermietung und Verpachtung erzielten die Kläger 1999 Einkünfte in Höhe von ./. 46 633 DM (Kläger) bzw. ./. 57 758 DM (Klägerin). Das zu versteuernde Einkommen der Kläger betrug 319 967 DM.
In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) stehenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 17. Januar 2001 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unter Berücksichtigung ausländischer Steuern und unter Hinzurechnung des Kindergeldes die Einkommensteuer auf 85 432 DM fest. Den ermäßigten Einkommensteuersatz nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) --im Folgenden: EStG 1999-- wandte er auf den nach Durchführung des Verlustausgleichs nach § 2 Abs. 3 EStG verbleibenden Betrag in Höhe von 292 497 DM an.
Die nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren erhobene Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 392 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung von § 34 EStG 1999 i.V.m. § 2 Abs. 3 EStG. Die begünstigten Einkünfte nach § 34 Abs. 2 EStG 1999 seien höher als das zu versteuernde Einkommen. Deshalb sei § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG 1999 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer betrage.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) und der Einspruchsentscheidung vom 18. April 2001 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 17. Januar 2001 abzuändern und die Einkommensteuer auf 53 124 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat § 34 Abs. 1 EStG 1999 fehlerhaft angewendet.
1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999 die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen (§ 52 Abs. 47 Satz 2 EStG 1999). Nach Satz 2 beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Für das verbleibende zu versteuernde Einkommen ist die tarifliche Einkommensteuer sodann gemäß der in § 32a Abs. 1 EStG aufgeführten Tarifformel zu berechnen.
2. Die vom Kläger bezogenen und in dem zu versteuernden Einkommen der Kläger enthaltenen außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999 entsprechen dem zu versteuernden Einkommen der Kläger in Höhe von 319 967 DM.
a) In den Entscheidungen der Finanzgerichte und in der Literatur ist die Berechnung der auf außerordentliche Einkünfte entfallenden Einkommensteuer in Fällen, in denen auch verrechenbare Verluste angefallen sind, umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass zunächst nach § 2 Abs. 3 EStG eine Verlustverrechnung auch mit den außerordentlichen Einkünften vorgenommen werden müsse (FG München, Urteil vom 19. Juli 2002 8 K 5026/01, EFG 2002, 1449, Revisionsverfahren X R 46/02; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. April 2002 2 K 1086/02, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2002, 949; Hessisches FG, Beschluss vom 4. September 2002 1 V 2309/02, EFG 2002, 1577; FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 12. November 2002 3 K 1789/01, EFG 2004, 268; FG des Saarlandes, Beschluss vom 1. Oktober 2001 1 V 194/01, juris: STRE200171749; R 197 Abs. 3 Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 2003; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 20. Februar 2001, BStBl I 2001, 172, Beispiel 2; Schmidt/ Seeger, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl. 2004, § 34 Rz. 51; Kirchhof/Geserich in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 2 Rz. D 71; Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz KompaktKommentar, § 34 Rz. 57; Schynol, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1590; Freyer/Schult, DStR 2001, 71). Zunächst sei unter nachrangiger Einbeziehung tarifbegünstigter außerordentlicher Einkünfte ein horizontaler Verlustausgleich innerhalb der einzelnen Einkunftsarten durchzuführen. Anschließend seien die ggf. verbleibenden außerordentlichen Einkünfte in den vertikalen oder externen Verlustausgleich einzubeziehen und nach § 2 Abs. 3 Satz 4 EStG anteilig zu mindern. Die Gesetzessystematik spreche für die Nachrangigkeit der Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer gegenüber den Regelungen über die Ermittlung der Einkünfte.
Andere sind hingegen der Auffassung, dass die Einkommensteuer auf die außerordentlichen Einkünfte in den Jahren 1999 bis 2003 unabhängig von der Regelung des § 2 Abs. 3 EStG zu berechnen sei (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. April 2002 4 V 18/01, EFG 2002, 1017; Niedersächsisches FG, Urteil vom 13. August 2002 8 K 881/01, DStRE 2003, 399; Röhner, Betriebsberater --BB-- 2000, 2234 und 2001, 1126; Eggers/Bauer, DStR 2000, 1171; Lindberg in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 2 Rz. 80).
b) Nach der Entscheidung des XI. Senats des Bundesfinanzhofs vom 13. August 2003 XI R 27/03 (BFHE 204, 433, BStBl II 2004, 547) sollte mit der Einführung der Fünftelregelung keine Änderung hinsichtlich der Ermittlung der außerordentlichen Einkünfte einhergehen. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 enthalte eine eigene Berechnung des verbleibenden zu versteuernden Einkommens, die unabhängig von den Berechnungen zur Mindestbesteuerung in § 2 Abs. 3 EStG vorzunehmen sei. Deshalb sei die Einkommensteuer auf die der ermäßigten Besteuerung des § 34 EStG 1999 unterliegenden außerordentlichen Einkünfte unabhängig von der Regelung des § 2 Abs. 3 EStG zu berechnen.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die genannte Entscheidung Bezug genommen.
3. Im Streitfall ist danach eine (vertikale) Verrechnung des Verlustes aus Vermietung und Verpachtung mit den außerordentlichen Einkünften nach § 2 Abs. 3 EStG nicht geboten. Vielmehr ist die Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG 1999 zu berechnen. Da das zu versteuernde Einkommen 319 967 DM und die begünstigten Einkünfte 406 467 DM betragen, ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ; die Einkommensteuer beträgt das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer.
Die Steuerberechnung wird dem FA gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen.
Fundstellen