Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwendung der vom Kfz-Handel bereitgestellten Vordrucke bei Gebrauchtwagengeschäften
Leitsatz (NV)
Ein Vermittlungsgeschäft über einen Gebrauchtwagen ist weder anzuerkennen, weil die Vertragsparteien ein Vermittlungsverhältnis vereinbaren wollten, noch deshalb, weil der Abschluß eines Vermittlungsvertrages den wirtschaftlichen Interessen der Vertragsschließenden entsprach.
Normenkette
UStG 1967/1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; UStG 1967/1973 § 3 Abs. 1; UStG 1967/1973 § 3 Abs. 8; BGB § 164 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb in den Streitjahren einen Kraftfahrzeughandel. Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Neuwagen übernahm sie es, für die Neuwagenkäufer deren gebrauchte Fahrzeuge zu verkaufen. Hierüber wurde jeweils ein formularmäßiger Vermittlungsauftrag erteilt, in dem unter anderem eine untere Preisgrenze für die Gebrauchtwagen vereinbart war. War der Erlös für den Gebrauchtwagen niedriger als der vereinbarte Mindestpreis, so wurde der Mindererlös dem Neuwagenkäufer gutgeschrieben bzw. als Nachlaß gebucht. Eine Provision für die Verkaufsvermittlung war nicht vereinbart. Die Klägerin sah diese Tätigkeit als Vermittlung an.
Bei einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, daß im Jahr 1977 in sechs Fällen und im Jahr 1979 in zwei Fällen die vereinbarte untere Preisgrenze beim Verkauf des Gebrauchtwagens unterschritten worden war (Mindererlöse zwischen 50 DM und 472 DM). In einigen der Fälle waren die Einzelbestimmungen im vordruckmäßigen Vermittlungsauftrag über Pflichten des Vermittlers bei Unterschreitung des Mindestverkaufspreises, über die Bekanntgabe des Namens des Käufers, über die Herausgabe des Erlöses, über die Vertragsdauer usw. ganz oder teilweise gestrichen worden. Der Prüfer erkannte in diesen Fällen wegen Unterschreitung der Mindestverkaufspreise ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Verkäufer Agenturgeschäfte nicht an, behandelte die Verkäufe als sog. Eigengeschäfte der Klägerin und bemaß die Umsatzsteuer nach den gesamten Nettoerlösen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem und erließ entsprechend berichtigte Umsatzsteuerbescheide für 1977 und 1979 vom 23. April 1982.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage und trug zu deren Begründung vor, daß in den beanstandeten Fällen die Verkäufer der Gebrauchtwagen grundsätzlich wegen der Eilbedürftigkeit angerufen worden seien, um mit ihnen eine neue Preisgrenze auszumachen; die Verkäufer hätten auch stets zugestimmt. Die Vereinbarung eines Mindestpreises mit anschließender Änderung dieser unteren Preisgrenze sei agenturunschädlich. Diese Preise würden nur als vorläufige Verrechnungsgrößen gelten. Unbeachtlich sei auch die sofortige Gutschrift des Mindestpreises für den Altwagen bei Berechnung des Kaufpreises für den Neuwagen. Im übrigen betreffe der Mindererlös ausschließlich das Neuwagen- und nicht das Gebrauchtwagengeschäft. Der Mindererlös sei ein zusätzlicher Rabatt beim Neuwagenkauf.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Entscheidend sei, so führte das Finanzgericht (FG) aus, ob eine vereinbarte Vermittlung von den Beteiligten ernsthaft gewollt sei. Hiergegen könnten Bedenken dann bestehen, wenn die Vermittlung des Verkaufs der Gebrauchtwagen im Zusammenhang mit einem Neuwagenkauf stehe. Sinn und Zweck der Erteilung eines Vermittlungsauftrages sei es in diesen Fällen, zumindest in erster Linie eine Erhöhung des Kaufpreises für den Gebrauchtwagen durch die Umsatzsteuerbelastung zu vermeiden, die eintreten würde, wenn der Kfz-Händler das Fahrzeug im eigenen Namen an einen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer bzw. Nichtunternehmer veräußern würde. Eine echte Vermittlungsleistung könne aber andererseits mit der wirklichen Interessenlage des Neuwagenkäufers nur schwerlich zu vereinbaren sein. Dieser wolle den für seinen Gebrauchtwagen vereinbarten Preis endgültig auf den Kaufpreis des Neuwagens angerechnet wissen (Mindestpreisgarantie). Dies wisse auch der Kfz-Händler. Eine Rückgabe des Gebrauchtwagens wegen Unverkäuflichkeit bzw. eine Belastung des Neuwagenkäufers mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem vereinbarten Preis für den Gebrauchtwagen und dem erzielten Erlös sei in der Praxis so gut wie ausgeschlossen. Es stelle sich deshalb ganz allgemein die Frage, ob in diesen Fällen ein Vermittlungsauftrag überhaupt gewollt sei oder ob dieser nur ein anderes Rechtsgeschäft verdecken solle, nämlich die Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens durch den Kfz-Händler. Nach Auffassung des FG könne aber aus den vorgenannten Gründen nicht generell eine Vermittlungsleistung des Kfz-Händlers verneint werden. Zum einen wisse der Neuwagenverkäufer, daß er ohne Einwilligung in einen Vermittlungsauftrag für seinen Neuwagen nur einen um die Umsatzsteuer geminderten Preis erzielen könne. Es liege daher insoweit auch in seinem Interesse, einem Vermittlungsauftrag zuzustimmen. Zum anderen werde der Kfz-Händler für den Gebrauchtwagen nur einen Preis ansetzen, bei dem er davon ausgehen könne, den Wagen ohne Mindererlös absetzen zu können. Außerdem werde ein etwaiger Mindererlös im Regelfall vom Kfz-Händler zu Lasten seines Gewinns aus dem Neuwagengeschäft übernommen. Damit trage der Neuwagenkäufer aus der Erteilung des Vermittlungsauftrages praktisch kein Risiko, so daß sein wirkliches Interesse einem derart gestalteten Vermittlungsauftrag nicht entgegenzustehen brauche. Der Wille des Kfz-Händlers, insoweit nur eine Vermittlungstätigkeit auszuüben, sei offenkundig, weil allein dies seiner Interessenlage entspreche.
Allerdings sei es in Fällen dieser Art erforderlich, daß die Vereinbarungen so getroffen würden, daß keine Zweifel an dem ernstlich gemeinten Vermittlungsauftrag entstehen könnten. Diese Voraussetzung sei aber im Streitfall nicht erfüllt, soweit auf den vordruckmäßigen Vermittlungsaufträgen Streichungen vorgenommen seien, welche, bis auf den Eingangssatz, daß das Fahrzeug zu einem Mindestverkaufspreis von . . . DM zu verkaufen sei, die wesentlichen Bestimmungen in dem Vordruck umfaßten, durch die die Rechte und Pflichten der Vertragsbeteiligten im einzelnen geregelt werden. Damit sei in diesen Fällen eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, daß ein ernstlich gewollter Vermittlungsauftrag nicht abgeschlossen werden sollte, die Beauftragung mit der Vermittlung vielmehr nur reine Formsache sei. Hieraus folge wiederum, daß in Wirklichkeit kein Vermittlungsauftrag, sondern eine Inzahlungnahme im Sinne von § 364 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewollt gewesen sei.
Dagegen sei in den Fällen, in denen keine Streichungen des Vertragstextes vorgenommen worden seien, die Aberkennung der Vermittlungstätigkeit der Klägerin nicht gerechtfertigt. Auch wenn möglicherweise etwas anderes gewollt gewesen sei, sei von der insoweit eindeutigen Vertragsgestaltung auszugehen.
Dementsprechend erkannte das FG für das Streitjahr 1977 lediglich in einem Fall, in 1979 in beiden Fällen eine Vermittlungstätigkeit der Klägerin an und setzte die Umsatzsteuer 1977 um 138,73 DM und die Umsatzsteuer 1979 um 448,67 DM herab.
Mit der Revision rügte das FA Verletzung des § 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973. Es beantragt das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer (entsprechend den Umsatzsteueränderungsbescheiden) für 1977 auf 42 068 DM und für 1979 auf 38 421 DM festzusetzen.
Die Klägerin hat sich zu der Revision des FA nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Abänderung der Vorentscheidung zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.
1. Das FG hat, zwar mit unzutreffender Begründung, im Ergebnis aber insoweit richtig entschieden, als es die Klage abgewiesen hat. Die Vorentscheidung ist aber im Ergebnis insoweit fehlerhaft, als das FG in den drei genannten Fällen Vermittlungsgeschäfte der Klägerin angenommen hat.
a) Die Vorinstanz hat bei der Beurteilung des Sachverhalts zu Unrecht lediglich auf die Erfüllung der Formalitäten der von der Klägerin verwendeten Vordrucke für die Vermittlungsaufträge abgestellt und angenommen, daß einer den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften entsprechende, von den Parteien gewollte Vereinbarung eines Vermittlungsverhältnisses stets zu folgen sei, auch wenn ein etwaiger Mindererlös aus dem Vermittlungsgeschäft nicht zu Lasten des Gebrauchtwagenverkäufers, sondern zu Lasten des Gewinns des Händlers aus dem im Zusammenhang mit den vereinbarten Vermittlungsgeschäften über den Gebrauchtwagen abgeschlossenen Neuwagengeschäft gehe. Diese Auffassung wird der umsatzsteuerrechtlich zutreffenden Beurteilung nicht gerecht.
b) Zwar folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht; entsprechend der Regelung des § 164 Abs. 1 BGB ist bei einem Handeln im Namen des Vertretenen umsatzsteuerrechtlich die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung grundsätzlich dem Vertretenen zuzurechnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn durch das Handeln in fremden Namen lediglich verdeckt wird, daß der Vertreter und nicht der Vertretene die Leistung erbringt. Der Unternehmer kann sich durch die Wahl einer bestimmten bürgerlich-rechtlichen Form nicht den vom UStG angeordneten steuerrechtlichen Folgen entziehen, wonach die (im UStG eigenständig definierten) Lieferungen und sonstigen Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, wenn sie gegen Entgelt erbracht werden. Der Senat verweist insoweit auf seine Urteile vom 20. Februar 1986 V R 133/75 (BFH/NV 1986, 311) und vom 25. Juni 1987 V R 78/79 (BFHE 150, 205, BStBl II 1987, 657). Danach kann insbesondere auch nicht dem Argument des FG gefolgt werden, daß das wirtschaftliche Interesse der Vertragsschließenden an einem Vermittlungsverhältnis für dessen Anerkennung spreche. Die Frage, ob und in welcher Höhe Umsatzsteuer entsteht, richtet sich nicht nach dem Interesse der Vertragsschließenden, Umsatzsteuer zu sparen, sondern nach dem Leistungsinhalt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967/1973).
2. Die Sache ist spruchreif. Nach dem durch das FG festgestellten Sachverhalt ist in allen vom FA beanstandeten Fällen die Anrechnung des zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Käufer des Neuwagens festgelegten Mindestverkaufspreises für den Gebrauchtwagen auf den Kaufpreis für den Neuwagen nicht dadurch berührt, daß die Klägerin beim Verkauf der Gebrauchtwagen einen den Mindestverkaufspreis unterschreitenden Erlös erzielt hat. Davon sind die Vertragsparteien von vornherein ausgegangen; nach den Ausführungen des FG hat eine stillschweigende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien bestanden, daß ein evtl. Mindererlös zu Lasten der Klägerin gehen sollte. Danach stellt sich der vereinbarte ,,Mindestverkaufspreis" als ein Festpreis dar, für welchen die Gebrauchtwagenkäufer ihre Fahrzeuge endgültig an die Klägerin abgegeben haben. Nach den Rechtsausführungen des erkennenden Senats im Urteil in BFHE 150, 205, BStBl II 1987, 657 ist damit auch im Streitfall für die Annahme einer Geschäftsbesorgung hinsichtlich des Verkaufs der Gebrauchtwagen, gerichtet auf eine den Verkäufern zu erbringende Vermittlungsleistung, kein Raum. Dies hat zur Folge, daß die als Lieferungen der Gebrauchtwagenverkäufer an die Abnehmer der Gebrauchtwagen bezeichneten Geschäftsvorfälle sich als (entgeltliche) Lieferungen der Klägerin auch in den Fällen darstellen, in denen das FG Vermittlungsleistungen angenommen hat (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 1986, 311, zu 3. der Gründe).
Fundstellen
Haufe-Index 416661 |
BFH/NV 1990, 462 |