Umsatzsteuer beim Verkauf und Verfall von Erlebnisgutscheinen
Vor dem FG Münster wurde folgender Fall verhandelt: Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Internetportal, auf dem er verschiedene Freizeiterlebnisse präsentierte und umfangreich bewarb. Die jeweiligen Erlebnisse wurden nicht vom Kläger selbst, sondern von Veranstaltern durchgeführt.
Der Kläger wies in seinen von ihm in den Streitjahren verwendeten AGB darauf hin, dass die Organisation und Durchführung der Erlebnisse allein dem jeweiligen Veranstalter obliege. Sofern die Leistungen später in Anspruch genommen wurden, leitete der Kläger den für den jeweiligen Erlebnisgutschein gezahlten Preis abzüglich einer vereinbarten Vermittlungsprovision von in der Regel um die 30 % an den jeweiligen Erlebnisveranstalter weiter.
Wurden die Gutscheine nicht (sprich nie) eingelöst, hatte der Kläger keine Vermittlungsprovision weiterzuleiten und konnte damit dauerhaft über den gesamten Verkaufspreis verfügen.
Höhe des Entgelts
Gestritten wurde nun insbesondere darüber, ob sich das Entgelt für seine Vermittlungsleistung bei Ablauf der Einlösefrist des Erlebnisgutscheins (Verfall) nachträglich erhöht.
Daneben war zu entscheiden, ob aufgrund von nichtsteuerbaren Umsätzen des Klägers Vorsteuerkürzungen vorzunehmen sind. Die nichtsteuerbaren Umsätze ergaben sich aus dem Umstand, dass der Kläger neben den reinen Erlebnisgutscheinen auch sog.Wertgutscheine (über einen Geldbetrag) veräußerte, die für "irgendeine" Leistung genutzt werden konnten. Diese Wertgutscheine müssen im Zeitpunkt des Verkaufs noch nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden. folglich ergaben sich bei deren Verfall endgültig nichtsteuerbare Umsätze.
Verkauf der Gutscheine
Der Kläger hat mit dem Verkauf der Gutscheine jeweils Vermittlungsleistungen an die einzelnen Veranstalter erbracht (vgl. hierzu BFH, Urteil v. 15.3.2022, V R 35/20). Allerdings hat er im Zeitpunkt des Gutscheinverkaufs in solchen Fällen noch keinen steuerbaren Umsatz ausgeführt, in denen ein Gutschein über einen bestimmten Geldbetrag verkauft wurde, der für verschiedene Erlebnisse bei unterschiedlichen Veranstaltern eingesetzt werden konnte.
Sowohl bei Verkauf eines Erlebnisgutscheins als auch bei Einlösung eines Wertgutscheins bemisst sich das Entgelt für die Vermittlungsleistung nach dem Teil des aus dem Verkauf des Gutscheins erhaltenen Preises, den der Unternehmer nach Vereinbarungen mit dem jeweiligen Veranstalter auch bei Einlösung des Gutscheins nicht an diesen weiterleiten muss.
Entgelt erhöht sich nachträglich
Soweit der Unternehmer den von dem Gutscheinerwerber an ihn gezahlten Betrag bei Ablauf der Einlösefrist des Erlebnisgutscheins behalten darf, erhöht sich das Entgelt des Unternehmers für seine Vermittlungsleistung nachträglich im Sinne des § 17 Abs. 1 UStG im Zeitpunkt des Verfalls des Erlebnisgutscheins; dies gilt allerdings nicht bei Verfall eines Wertgutscheins.
Nicht abziehbarer Teil der Vorsteuer
Der Kläger ist insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie er Leistungen anderer Unternehmer für seine nicht besteuerten Ausgangsumsätze verwendet. Dies gilt auch für die nichtsteuerbaren Umsätze des Klägers aus dem Verkauf von später verfallenen Wertgutscheinen für Freizeiterlebnisse, die bei Dritten in Anspruch genommen werden können. Der nicht abziehbare Teil der Vorsteuer ist in analoger Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG ("Vorsteueraufteilung") zu ermitteln.
BFH-Rechtsprechung zum Verkauf von Gutscheinen
In erster Instanz hatte das FG Münster noch entschieden, dass der Kläger mit dem Betreiben seines Internetportals keine bloßen Vermittlungsleistungen an den jeweiligen Veranstalter ausgeführt hat, sondern "Eigenleistungen" (vgl. FG Münster, Urteil v. 17.9.2020, 5 K 1404/18 U). Nach dem BFH-Urteil v. 15.3.2022, V R 35/20, musste dies überdacht werden. Die nicht eingelösten und verfallenen Gutscheine hatten für den Kläger nach eigener Darstellung eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, da 40 % bis 50 % der veräußerten Gutscheine tatsächlich nie eingelöst worden sind.
In Anbetracht solch hoher Nichteinlöse-Quoten spricht natürlich einiges dafür, dass der Kläger sein Geschäft teilweise auch in Erwartung der Nichteinlösung betreibt. Insofern ist es auch nachvollziehbar, dass das Finanzgericht den Erlös aus den verfallenen Gutscheinen in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Vermittlungstätigkeit für die Veranstalter stellt und insoweit eine nachträgliche Entgelterhöhung (von in der Regel 70 % des verbleibenden Kaufpreises) zum Zeitpunkt des Gutscheinverfalls annimmt.
Beurteilung des Vorsteuerabzugs
Diese Annahme spielt dann auch für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs eine Rolle, weil der Kläger ein grundsätzliches Interesse daran hatte, dass ein großer Teil der Gutscheine nicht eingelöst wurde. Dafür sprach nach Ansicht des Finanzgerichts auch die eingeschränkte Einlösefrist von einem Jahr. Dies führte letztlich dazu, dass bezogen auf die daraus resultierenden nichtsteuerbaren Umsätze (Verfall der auf einen Geldbetrag lautenden Wertgutscheine) eine Vorsteuerkürzung vorgenommen wurde.
Nach Ansicht des Gerichts hätten die Eingangsleistungen für die Erstellung, den Betrieb und die Bewerbung des Internetportals sowohl mit den Erlebnisgutscheinen und eingelösten Wertgutscheinen als auch mit den verfallenen Wertgutscheinen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang gestanden. Faktisch wurde vom Finanzgericht unterstellt, dass der Kläger von Anfang an auch die Erzielung nichtsteuerbarer Umsätze (durch Verfall der Wertgutscheine) beabsichtigt hatte.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Zwischenzeitlich wurde erneut Revision eingelegt, Az beim BFH V R 21/23. Man darf durchaus darauf gespannt sein, wie der BFH die vom Finanzgericht vorgenommene Vorsteuerkürzung (aufgrund nichtsteuerbarer Umsätze) beurteilt.
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