Leitsatz (amtlich)
Wird ein Einfamilienhaus im Laufe eines Veranlagungszeitraums in ein Zweifamilienhaus umgewandelt, so ist § 21a EStG nur für den Zeitraum anwendbar, in dem es als Einfamilienhaus selbstgenutzt worden ist. Das Gebäude ist nach seiner Fertigstellung als Zweifamilienhaus für den Rest des Veranlagungszeitraums einkommensteuerrechtlich bereits als Zweifamilienhaus --entsprechend dem für den nächsten Feststellungszeitpunkt zu treffenden Einheitswert-- zu behandeln.
Orientierungssatz
1. Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist nach § 21a Abs. 1 EStG 1975 zu ermitteln, wenn das Grundstück als Einfamilienhaus bewertet worden ist. Die bindende Wirkung der Einheitswertfeststellung für die Ermittlung der Einkünfte gilt selbst dann, wenn die Einheitswertfeststellung unrichtig ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Wird ein Einfamilienhaus im Laufe eines Veranlagungszeitraums in ein Zweifamilienhaus umgewandelt, so sind die mit dem Einbau der zweiten Wohnung zusammenhängenden, vor Bezugsfertigkeit angefallenen Schuldzinsen ohne die Beschränkung des § 21a Abs. 3 EStG als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Die mit dem Einbau der zweiten Wohnung zusammenhängenden Schuldzinsen sind notfalls zu schätzen. Eine Ermittlung der anteiligen Schuldzinsen nach dem Verhältnis der Nutzflächen kommt nicht in Betracht.
3. Die nach § 7b Abs. 1 Satz 3 EStG maßgebliche Höchstgrenze der Herstellungskosten, nach denen die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG zu bemessen sind, richtet sich nach der Art des Objekts im Zeitpunkt seiner Fertigstellung. Die im Einheitswertbescheid auf den Beginn des Veranlagungszeitraums festgestellte Art des Objekts ist in diesem Zusammenhang nicht bindend (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1975 § 21a Abs. 1, 2 S. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 1, § 7b Abs. 1, § 21a Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete in den Jahren 1974 und 1975 ein Haus mit zwei Wohnungen. Die Erdgeschoßwohnung, die im Jahre 1974 bezugsfertig wurde, nutzte er mit seiner Familie. Die Einliegerwohnung, die am 1.September 1975 bezugsfertig wurde, vermietete er von diesem Zeitpunkt an an seinen Neffen und dessen Ehefrau. Die Bruttomiete betrug 2,80 DM/qm. Das Grundstück wurde in dem Einheitswertbescheid auf den 1.Januar 1975 als Einfamilienhaus und in dem Einheitswertbescheid auf den 1.Januar 1976 als Zweifamilienhaus bewertet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ermittelte den Nutzungswert der Erdgeschoßwohnung des Klägers für die Zeit vom 1.Januar bis 30.August 1975 nach § 21a Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG). Für den Rest des Jahres ermittelte das FA die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung durch Gegenüberstellung der Einnahmen mit den Werbungskosten nach § 21 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 Alternative 1 EStG. Dabei ging es von einem Nettomietwert von 4 DM/qm aus. In Höhe der Differenz zwischen den tatsächlichen Mieteinnahmen und der als ortsüblich angenommenen Miete von 4 DM/qm sah es eine teilweise unentgeltliche Überlassung der Einliegerwohnung an den Neffen. Das FA rechnete auch insoweit den Nutzungswert dem Kläger zu. Es gewährte dem Kläger erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG von 5 v.H. von 200 000 DM = 10 000 DM. Für den übersteigenden Teil der Herstellungskosten bemaß es die Absetzung für Abnutzung (AfA) zeitanteilig nach § 7 Abs.4 EStG. Die Schuldzinsen des Streitjahres zog es mit 8/12 von dem Grundbetrag bis zu seiner Höhe ab. 4/12 berücksichtigte es bei seiner Werbungskostenüberschußrechnung für die Zeit vom 1.September bis 31.Dezember 1975. Auf diese Weise gelangte das FA zu einem Werbungskostenüberschuß des Klägers bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt 9 233,99 DM.
Mit seiner Klage wendete sich der Kläger gegen die Annahme eines Nettomietwerts von 4 DM/qm. Für seine Wohnung sei eine Bruttomiete von 3 DM/qm angemessen. Für die Einliegerwohnung könne nur die tatsächlich erzielte Miete zugrunde gelegt werden. Schließlich müßten die anteiligen Betriebskosten der letzten vier Monate des Streitjahres als Werbungskosten abgezogen werden.
Das Finanzgericht (FG) gab seiner Klage vollen Umfangs, wenn auch aus anderen als vom Kläger geltend gemachten Gründen statt. Es gelangte zu einem Werbungskostenüberschuß von 12 421 DM. Der Nutzungswert der Wohnung des Klägers sei für das gesamte Streitjahr 1975 aufgrund der in dem Einheitswertbescheid auf den 1.Januar 1975 getroffenen Artfeststellung als Einfamilienhaus nach § 21a Abs.1 EStG zu ermitteln, während bei der Einliegerwohnung der Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen nach § 21a Abs.4 Satz 2 EStG anzusetzen sei. Der vom FA gewählte Nettomietwert von 4 DM/qm sei angemessen. Der Kläger müsse sich auch den Nutzungswert der teilweise unentgeltlich überlassenen Einliegerwohnung zurechnen lassen, da § 12 Nr.2 EStG dem § 21 Abs.2 EStG vorgehe. Vor dem 1.September 1975 angefallene, mit der Einliegerwohnung zusammenhängende Schuldzinsen seien als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Zu ihrer Berechnung seien die Schuldzinsen im Verhältnis der Nutzflächen aufzuteilen.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 21a EStG. Der Einheitswert auf den 1.Januar 1975 könne nur solange für die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung des Klägers maßgeblich sein, als sein Haus ein Einfamilienhaus gewesen sei. Mit seiner Umgestaltung zu einem Zweifamilienhaus ab Bezugsfertigkeit der Einliegerwohnung müsse die Anwendbarkeit des § 21a EStG nach dem Rechtsgedanken des § 21a Abs.2 Satz 2 EStG entfallen. In jedem Falle sei es widersprüchlich, die Einkünfte aus dem Haus des Klägers für das gesamte Streitjahr nach § 21a EStG zu ermitteln, dem Kläger jedoch erhöhte Absetzungen nach der für Zweifamilienhäuser geltenden Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM zu gewähren. Schließlich sei es unzutreffend, die auf die Einliegerwohnung entfallenden, anteiligen Schuldzinsen nach dem Verhältnis der Nutzflächen zu berechnen. Das FG hätte prüfen müssen, welche zusätzlichen Herstellungskosten durch die Einliegerwohnung angefallen und inwieweit diese fremdfinanziert worden seien.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das FG die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung aus seinem Hause für einen Teil des streitigen Veranlagungszeitraums 1975 rechtsfehlerhaft ermittelt hat.
a) Das FG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß für die Zeit vom 1.Januar bis 30.August 1975 der Nutzungswert der Wohnung des Klägers in seinem Hause gemäß § 21a Abs.1 EStG unter Zugrundelegung des Einheitswerts des Grundstücks zum Jahresbeginn zu ermitteln ist. Denn das Grundstück war auf den 1.Januar 1975 als Einfamilienhaus bewertet worden. Der Einheitswert hat bezüglich der Feststellung der Art des Grundstücks und der Höhe des Einheitswerts bindende Wirkung für die Ermittlung der Einkünfte (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Dies gilt selbst dann, wenn die Einheitswertfeststellung unrichtig ist (BFH-Urteil vom 1.August 1972 VIII R 99/69, BFHE 107, 18, BStBl II 1972, 882). Aus diesem Grunde kann die Frage dahinstehen, ob der Einheitswertbescheid auf den 1.Januar 1975 rechtsfehlerhaft war.
b) Die Einkünfte aus dem Haus des Klägers sind jedoch für die Zeit vom 1.September bis 31.Dezember 1975 --entgegen der Auffassung des FG-- nicht nach § 21a EStG, sondern durch Gegenüberstellung der Einnahmen und der Werbungskosten nach § 21 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 Alternative 1 EStG zu ermitteln. Denn das Gebäude des Klägers war zum 1.September 1975 als Zweifamilienhaus fertiggestellt worden und wurde auch als solches genutzt.
Wird ein Einfamilienhaus im Laufe eines Kalenderjahres in ein Zweifamilienhaus umgewandelt, so ist die Pauschalierungsregelung des § 21a EStG nur für den Zeitraum anwendbar, in dem es als Einfamilienhaus selbst genutzt worden ist. Nach seiner Fertigstellung als Zweifamilienhaus ist das Gebäude für den Rest des Kalenderjahres einkommensteuerrechtlich bereits als Zweifamilienhaus --entsprechend dem für den nächsten Feststellungszeitpunkt zu treffenden Einheitswert-- zu behandeln. Der Senat schließt sich damit der bereits im Schrifttum (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21a EStG Rdnr.65; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., 1986, § 21a Anm.4; Troll, Der Betrieb --DB-- 1984, 1064, 1067) und von der Verwaltung (Abschn.164b Abs.3 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1981) vertretenen Auffassung an. Er stützt sich dabei auf den aus § 21a Abs.2 Satz 2 EStG entnehmbaren Rechtsgedanken, daß es im Falle der Fertigstellung eines neuen Gebäudetyps auf den nächstfolgenden Einheitswert ankommt. Nach der vorstehenden Vorschrift ist für ein Einfamilienhaus, das im Laufe eines Kalenderjahres fertiggestellt worden ist, der Einheitswert für die Ermittlung des Nutzungswerts maßgeblich, der zuerst für das Einfamilienhaus festgestellt wird. Dem liegt die --auch im Falle eines Wechsels des Gebäudetyps zutreffende-- Erwägung zugrunde, daß bei der Einheitsbewertung die Verhältnisse zum Feststellungszeitpunkt, d.h. regelmäßig zum Beginn des Kalenderjahres zugrunde zu legen sind (vgl. § 21 Abs.2, § 22 Abs.4 und § 23 Abs.2 des Bewertungsgesetzes --BewG--), während sich die Besteuerung des Nutzungswerts einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus nach § 21a Abs.1 Sätze 1 und 2 EStG nach den Verhältnissen im Veranlagungszeitraum oder während eines Teils hiervon richtet.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG wird bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung für die Zeit vom 1.September bis 31.Dezember 1975 durch Gegenüberstellung der Einnahmen und der Werbungskosten zu ermitteln haben.
b) Soweit der Kläger die Einliegerwohnung seinem Neffen erheblich verbilligt und damit teilweise unentgeltlich überließ, wird das FG den Nutzungswert der Einliegerwohnung nicht dem Kläger, sondern dem Neffen zuzurechnen haben.
Die gesicherte Rechtsposition des Neffen als Voraussetzung für eine Zurechnung des Nutzungswerts bei ihm ergibt sich aus seinem Mietverhältnis mit dem Kläger. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 4.Juni 1986 IX R 80/85 (BFHE 147, 315, BStBl II 1986, 839) auch ein Mietverhältnis als Rechtsgrundlage für eine gesicherte Rechtsposition anerkannt. Entgegen der Auffassung des FG steht § 12 Nr.2 EStG nach der neueren Rechtsprechung des BFH einer Zurechnung des Nutzungswerts beim Neffen nicht entgegen (vgl. Urteil vom 29.November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366).
Soweit der Kläger seinem Neffen die Einliegerwohnung unentgeltlich überließ, hat dies für den Kläger zur Folge, daß er insoweit keine Werbungskosten geltend machen kann. Denn insoweit erfüllt er nicht den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. In diesem Sinne hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 147, 315, BStBl II 1986, 839 entschieden.
c) Bezüglich der Werbungskosten wird das FG festzustellen haben, welche der vor dem 1.September 1975 angefallenen Schuldzinsen mit dem Einbau der Einliegerwohnung zusammenhängen. Diese Schuldzinsen sind --wie das FG zutreffend angenommen hat-- ohne die Beschränkung des § 21a Abs.3 EStG als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Dies gilt jedoch nur für Zinsaufwendungen zur Finanzierung von Bauteilen, die für die Einliegerwohnung eingefügt worden sind. Denn nur sie beziehen sich auf Gebäudeteile, die in dem Einheitswert auf den 1.Januar 1975 als Einfamilienhaus noch nicht enthalten waren (ebenso BFH-Urteil vom 6.November 1973 VIII R 116/69, BFHE 111, 80, BStBl II 1974, 106). Der vorliegende Fall muß infolge der für die Einkunftsermittlung während der ersten acht Monate des Streitjahres bindenden Einheitswertfeststellung auf den 1.Januar 1975 wie eine Erweiterung eines Einfamilienhauses zu einem Zweifamilienhaus beurteilt werden. Das FG wird die mit dem Einbau von Bauteilen für die Einliegerwohnung zusammenhängenden Schuldzinsen notfalls zu schätzen haben. Eine Ermittlung der anteiligen Schuldzinsen nach dem Verhältnis der Nutzflächen, wie sie das FG vorgenommen hat, scheidet nach den vorstehenden Ausführungen jedoch aus.
d) Die nach § 7b Abs.1 Satz 3 EStG maßgebliche Höchstgrenze der Herstellungskosten, nach denen die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs.1 EStG zu bemessen sind, richtet sich nach der Art des Objekts im Zeitpunkt seiner Fertigstellung (vgl. BFH-Urteil vom 30.April 1985 IX R 49/84, BFHE 144, 36, BStBl II 1985, 513). Die im Einheitswertbescheid auf den 1.Januar 1975 festgestellte Art des Objekts ist in diesem Zusammenhang nicht bindend (BFH-Urteil vom 18.Juli 1978 VIII R 94/77, BFHE 125, 454, BStBl II 1978, 593). Das FG wird daher prüfen müssen, ob das Gebäude des Klägers in einem Zuge errichtet und erst mit Bezugsfertigkeit der Einliegerwohnung fertiggestellt wurde. Zu diesem Zweck wird das FG festzustellen haben, ob der Kläger das Haus von Anfang an als Zweifamilienhaus geplant und insbesondere alsbald eine Baugenehmigung für ein Zweifamilienhaus beantragt hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 61335 |
BStBl II 1987, 210 |
BFHE 148, 267 |
BFHE 1987, 267 |
BB 1987, 317 |
BB 1987, 317-318 (ST) |
DStR 1987, 125-126 (ST) |
HFR 1987, 243-244 (ST) |