Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungsnahe Aufwendungen als Vorkosten nach § 10e EStG
Leitsatz (NV)
- Der Einbau eines großen Bades in ursprünglichen Wohnräumen führt in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 HGB) zu Herstellungskosten.
- Bei einer Steigerung des Wohnkomforts im Bereich der Elektroinstallation kommt es ‐ anders als in dem vom IX. Senat mit Urteil vom 20. August 2002 IX R 98/00 (BFH/NV 2003, 103) entschiedenen Fall der Anpassung der Elektroinstallation an bestehende Sicherheitsvorschriften ‐ nicht auf ein vorheriges Tätigwerden der Behörde an.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 6; HGB § 255 Abs. 1-2
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom … Februar 1993 erwarben sie als Miteigentümer je zur Hälfte ein im Jahr 1966 errichtetes Einfamilienhaus. Von dem Kaufpreis in Höhe von 630 000 DM entfielen nach dem Kaufvertrag 402 000 DM auf das Gebäude und 228 000 DM auf Grund und Boden. Vor Bezug des Hauses am 1. Juli 1993 ließen die Kläger folgende Arbeiten durchführen:
Naturstein |
3 690,30 DM |
Elektroinstallation |
41 803,73 DM |
Fliesenarbeiten |
16 100,00 DM |
Heizungsinstallation |
28 184,76 DM |
Sanitäranlagen |
27 896,08 DM |
Fliesen |
197,70 DM |
|
117 872,57 DM |
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 machten die Kläger die o.a. Aufwendungen als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) behandelte die Aufwendungen als anschaffungsnahen Herstellungsaufwand.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Art der Baumaßnahmen ―Erneuerung der gesamten Elektroanlage, der Heizungsanlage und der Fliesen― gehe über eine übliche Renovierung weit hinaus. Die Aufwendungen seien deshalb als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand zu beurteilen und nur im Rahmen des § 10e Abs. 1 EStG begünstigt.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 10e Abs. 6 EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei Tatbestandsvoraussetzung für die Annahme anschaffungsnahen Herstellungsaufwands, dass der Kaufpreis wegen des Instandhaltungsrückstands gemindert worden sei. Hiervon sei im Streitfall nicht auszugehen. Das Gebäude habe sich in einem hervorragenden Pflegezustand befunden. Durch die Baumaßnahmen sei das Gebäude lediglich ihrem persönlichen Geschmack angepasst worden.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids vom 24. November 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 1996 Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 117 872,57 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu Unrecht hat das FG den Abzug der streitigen Aufwendungen als Vorkosten (Erhaltungsaufwendungen) allein wegen ihrer Höhe und zeitlichen Nähe zur Anschaffung des Gebäudes versagt.
1. Aufwendungen, die vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nur dann nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar, wenn sie nicht zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Welche Aufwendungen dies sind, bestimmt sich bei den Gewinn- und Überschusseinkünften nach § 255 des Handelsgesetzbuchs ―HGB― (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b). § 10e Abs. 6 EStG enthält keine davon abweichende Definition. Vielmehr folgt aus der Bezugnahme zum Begriff der Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass die Begriffe Anschaffungskosten und Herstellungskosten in dem im Einkommensteuerrecht gebräuchlichen Sinn zu verstehen sind (Senatsbeschluss vom 3. Dezember 1991 X B 5/91, BFH/NV 1992, 379).
2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: ein Gebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann (BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. b; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 255 HGB Tz. 13). Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können.
Nutzt der Erwerber ein Hausgrundstück ab dem Zeitpunkt des Erwerbs, d.h. ab Übergang der Nutzungen und Lasten, hat er eine solche Zweckbestimmung getroffen; das genutzte Wirtschaftsgut befindet sich bereits in einem betriebsbereiten Zustand und kann nicht mehr in diesen Zustand versetzt werden (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa).
Wird hingegen ―wie im Streitfall― ein Gebäude vor der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken renoviert und modernisiert, zählen Aufwendungen, die erforderlich sind, um das Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß nutzen zu können, zu den Erhaltungs- oder Anschaffungskosten.
Zur Zweckbestimmung eines Gebäudes, das Wohnzwecken dient, gehört auch die Entscheidung, welchem Standard es entsprechen soll (sehr einfacher, mittlerer oder sehr anspruchsvoller Standard). Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung wesentlich verbessert werden; das ist der Fall, wenn bei mindestens drei der Bereiche Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Fenster der Nutzungswert durch die Baumaßnahmen deutlich gesteigert wird. Reparaturen oder auch das Ersetzen des Vorhandenen durch Gleichwertiges in zeitgemäßer Form erweitern den Nutzungswert nicht (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a). Auf die Frage, ob Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen in zeitlicher Nähe zur Anschaffung anfallen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch sind bzw. ob sie durch versteckte Mängel, die zu keiner Kaufpreisminderung geführt haben, verursacht sind (so noch BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 63/94, BFH/NV 1996, 116), kommt es nach alledem nicht mehr an. Unerheblich ist auch, ob der Kaufpreis infolge des Instandhaltungsstaus gemindert wurde und ob die Baumaßnahmen lediglich dazu dienten, das Gebäude dem persönlichen Geschmack der Steuerpflichtigen anzupassen (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2003 X R 9/99).
3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht abschließend entscheiden, ob die Kosten der Baumaßnahme gemäß § 255 Abs. 1 HGB als Anschaffungskosten zu werten sind (§ 118 Abs. 2 FGO).
a) Zwar haben die Kläger in drei der den Nutzungswert eines Gebäudes bestimmenden Bereichen ―Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation― erhebliche Kosten aufgewendet. Das FG hat jedoch ―aus seiner Sicht zu Recht― keine Feststellungen dahin gehend getroffen, ob diese Einrichtungen im Zuge der Baumaßnahmen lediglich in zeitgemäßer Form ersetzt oder aber in ihrer Funktion (Gebrauchswert) deutlich erweitert und ergänzt wurden und der Wohnkomfort des Hauses dadurch insgesamt deutlich gesteigert wurde.
b) Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob durch die Baumaßnahme die Sanitärinstallationen deutlich erweitert oder ergänzt und ihr Komfort (z.B. durch zweckmäßigere und funktionstüchtigere Ausstattungsdetails) erheblich gesteigert wurde. Diese Voraussetzung läge beispielsweise dann vor, wenn die Kläger ―wie vom FA im Revisionsverfahren vorgetragen― ein neues großes Bad anstelle des alten kleinen Bades eingebaut hätten. Ausreichend wäre auch, wenn die Modernisierung der Sanitärinstallationen nicht nur die äußere Form, z.B. den Austausch von Fliesen und den technisch gleichwertigen Ersatz der vorhandenen Ausstattungsgegenstände betroffen hätte, sondern bei dieser Gelegenheit auch funktionstüchtigere und zweckmäßigere Armaturen und zusätzliche Ausstattungsgegenstände (z.B. eine zusätzliche Dusche, ein zweites Waschbecken oder ein Doppelwaschbecken) eingebaut worden wären (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, unter II. 5.). In diesem Fall wären ―sofern die Baumaßnahmen mindestens zwei weitere den Wohnstandard bestimmende Bereiche betrafen― die gesamten durch die Sanitärinstallationen verursachten Aufwendungen und die damit bautechnisch zusammenhängenden Baumaßnahmen (z.B. Fliesenarbeiten, ggf. Natursteinarbeiten) als Anschaffungskosten zu werten.
Sollten die weiteren Ermittlungen ergeben, dass die Kläger tatsächlich anstelle eines kleinen Bades in den ursprünglichen Räumen "Schlafen" und "Eltern" ein großes Bad eingebaut haben, führen diese Aufwendungen in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 HGB) zu Herstellungskosten.
Ferner wird das FG zu klären haben, ob die Kläger bei der Modernisierung der Elektroinstallation die Leitungskapazität maßgeblich erweitert (z.B. durch den Einbau eines leistungsfähigeren Sicherungskastens und/oder dreiphasiger anstelle zweiphasiger Elektroleitungen) und die Zahl der Anschlüsse erheblich vermehrt haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, unter II. 3. a cc). Eine Steigerung des Wohnkomforts im Bereich der Elektroinstallation würde auch vorliegen, wenn ―wie vom FA vorgetragen― im gesamten Altbau eine integrierte Deckenbeleuchtung installiert worden wäre. In einem solchen Fall einer vermehrten Leistungsfähigkeit der Elektroinstallation kommt es für die Annahme einer wesentlichen Verbesserung ―anders als in dem vom IX. Senat mit Urteil vom 20. August 2002 IX R 98/00 (BFH/NV 2003, 103) entschiedenen Fall der Anpassung der Elektroinstallation an bestehende Sicherheitsvorschriften― nicht auf ein vorheriges Tätigwerden einer Behörde an.
Haben die Kläger zudem eine technisch überholte Heizungsanlage (z.B. Kohleöfen) durch eine dem Stand der Technik entsprechende Heizungsanlage (z.B. witterungsgeführte Anlage, Thermostatventile etc.) ersetzt, haben sie Stand und Größe der Heizkörper ―wie vom FA vorgetragen― den durch den Umbau des Gebäudes veränderten Raumverhältnissen angepasst oder anlässlich der Baumaßnahmen ―zumindest in Teilbereichen― Fußboden- und/oder Wandheizung eingebaut und dadurch den Nutzungswert der Anlage deutlich erhöht, führt dieses Bündel von Baumaßnahmen, das zumindest drei der den Nutzungswert (Gebrauchspotential) eines Gebäudes bestimmenden Bereiche betrifft, dazu, dass das Gebäude insgesamt in seinem Standard gehoben wurde. In diesem Fall hätten die Baumaßnahmen die Betriebsbereitschaft des Gebäudes hergestellt, ihre Kosten würden zu Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB führen. Ein Abzug als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG käme nicht in Betracht.
c) Sofern nach den noch zu treffenden Feststellungen des FG einer der bisher angesprochenen Bereiche ―Heizungsanlage, Sanitär- oder Elektroinstallation― nicht in seiner Funktion (Gebrauchswert) deutlich erweitert, sondern lediglich in zeitgemäßer Form ersetzt wurde, wird das FG zu ermitteln haben, ob die Kläger im Zuge der Baumaßnahmen, die sich nach dem Vortrag des FA nicht nur auf die bislang steuerlich geltend gemachten Komplexe bezogen, einfachverglaste durch isolierverglaste Fenster ersetzt haben. Auch diese Maßnahme würde ―zusammen mit der deutlichen Funktionserweiterung zwei der anderen den Standard eines Wohngebäudes bestimmenden Bereiche― dazu führen, dass die Baumaßnahmen die Betriebsbereitschaft des Gebäudes insgesamt hergestellt und damit zu Anschaffungskosten i.S. von § 255 Abs. 1 HGB geführt haben.
4. Die Feststellungslast hinsichtlich der Tatsachen, die belegen, dass durch die Baumaßnahmen die Betriebsbereitschaft des Gebäudes hergestellt wurde und die Aufwendungen daher als Anschaffungskosten i.S. von § 255 Abs. 1 HGB zu behandeln sind, trägt das FA (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, unter II. 4.). Gleiches gilt für den bautechnischen Zusammenhang weiterer Baumaßnahmen mit den für den Wohnstandard maßgebenden Bereichen und dem Vorliegen einer Erweiterung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 HGB. Da das FA in der Regel nicht in der Lage ist, den Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt des Erwerbs festzustellen, trifft die Kläger insoweit eine erhöhte Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung ―AO 1977―).
Fundstellen
Haufe-Index 926132 |
BFH/NV 2003, 758 |