Entscheidungsstichwort (Thema)
Personenkraftfahrzeug i. S. v. § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG
Leitsatz (NV)
Ein Fahrzeug, das ursprünglich objektiv nach Bauart und Einrichtung zur privaten Personenbeförderung geeignet war (Personenkraftfahrzeug i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG), verliert diese Eignung durch Um- und Einbauten nur dann, wenn die Umgestaltung auf Dauer angelegt ist und nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden kann. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bestimmt sich allein nach Umständen, die sich auf die technische Rückrüstung des Fahrzeugs selbst beziehen (Fortführung der Rechtsprechung des BFH vom 17. März 1989 III R 97/85, BFH/NV 1990, 731 und vom 1. Juli 1977 III R 98/75, BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 1864).
Normenkette
BerlinFG a.F. § 19 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Unternehmen. Im Streitjahr 1986 schaffte sie einen Mercedes-Benz 300 TE an. In dem Fahrzeug wurden durch eine Werkstatt die hintere Sitzbank ausgebaut sowie die Rückenlehne umgeklappt und nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) mit dem Fahrzeugboden fest verschweißt. Ausweislich des Fahrzeugscheins ist das Fahrzeug als Lastkraftwagen (Lkw) zugelassen. Im Fahrzeugschein ist dazu vermerkt ,,Hintere Sitzlehne umgeklappt und verplombt". Die Rückrüstung des Fahrzeugs würde nach Auskunft der Daimler-Benz-Werkstatt ca. 300 DM kosten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die für die Anschaffung des Fahrzeugs beantragte erhöhte Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Höhe von 25 v. H. der Anschaffungskosten in vollem Umfang ab. Das FA war der Auffassung, daß schon keine dauerhafte Umrüstung zu einem Lkw vorliege.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einnahme des Augenscheins, bei der festgestellt wurde, daß die Rückbank umgeklappt und verplombt ist, vertrat das FG die Ansicht, daß das streitbefangene Fahrzeug kein Personenkraftwagen (Pkw) sei. Die Umrüstung des Fahrzeugs zu einem Lkw sei von Dauer. Bei der Beurteilung, ob eine Umrüstung auf Dauer angelegt sei, könne nicht allein auf die Kosten der Umrüstung abgestellt werden. Es müsse vielmehr auch der zeitliche Aufwand einer Rückrüstung beachtet werden. Dieser sei aber im vorliegenden Fall beachtlich, da der Kfz-Schein geändert werden müsse.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Es führt dazu im wesentlichen aus: Das FG habe zu Unrecht die Dauerhaftigkeit der Umgestaltung des Fahrzeugs zu einem Lkw bejaht. Ferner habe das FG in zweifacher Hinsicht gegen die ihm obliegende Aufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) verstoßen. Zum einen habe es den Sachverhalt widersprüchlich dargestellt. Zum anderen habe es das FG unterlassen, die übrigen Voraussetzungen der erhöhten Zulage nach § 19 BerlinFG festzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Das FG hat das Fahrzeug der Klägerin zu Unrecht als Lkw angesehen.
1. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG wird eine Investitionszulage für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter gewährt, die zum Anlagevermögen eines Betriebes in Berlin (West) gehören und mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem solchen Betrieb verbleiben. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG wird die Zulage für Pkw jedoch nur gewährt, wenn diese im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich der Beförderung von Personen gegen Entgelt dienen oder an Selbstfahrer vermietet oder für Fahrschulzwecke verwendet werden.
Der im BerlinFG nicht näher umschriebene Begriff des Pkw wird in Anlehnung an die in § 10 Abs. 2 des bis einschließlich 1978 gültigen Kraftfahrzeugsteuergesetzes (BStBl I 1972, 551) verwendete Terminologie dahingehend ausgelegt, daß Pkw solche Fahrzeuge sind, die objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt sind, auch bei Privatfahrten Personen zu befördern (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. März 1989 III R 97/85, BFH/NV 1990, 731 und vom 1. Juli 1977 III R 98/75, BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864 m. w. N.). Ein Fahrzeug, das ursprünglich zur privaten Personenbeförderung geeignet war, diese Eignung jedoch durch Um- und Einbauten verloren hat, hat damit aber nur dann zugleich auch die Eigenschaft eines Pkw verloren, wenn die Umgestaltung auf Dauer angelegt ist und nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden kann (BFH in BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864). Nur wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand an Arbeit und Kosten verbunden ist, kann nach der Lebenserfahrung die Möglichkeit einer privaten Nutzung wieder zur Personenbeförderung praktisch ausgeschlossen werden (BFH in BFH/NV 1990, 731). Bei der Prüfung, ob eine Umgestaltung auf Dauer angelegt ist und nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden kann, sind nach Auffassung des Senats nur Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die technische Rückrüstung am Fahrzeug selbst beziehen. Dabei sind an die Umgestaltung eines Pkw zu einem Lkw strenge Maßstäbe anzulegen. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Pkw grundsätzlich von der Investitionszulagenbegünstigung ausgenommen werden. Nur in den drei in § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG abschließend aufgezählten Ausnahmefällen kommt für die Anschaffung oder Herstellung eines Pkw eine Investitionszulage in Betracht.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich, daß der von der Klägerin angeschaffte und umgebaute Mercedes-Benz 300 TE ein Pkw i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG geblieben ist. Die allein unter den Beteiligten strittige Frage, ob die Umgestaltung des Fahrzeugs auf Dauer angelegt sei und nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden könne, ist in der Vorentscheidung unzutreffend bejaht worden.
a) Es ist zwar dem FA zuzugeben, daß der Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob die umgeklappte Rückbank lediglich verplombt oder verschraubt und verplombt oder aber verschweißt ist. Jedoch kann hierin - entgegen der Ansicht des FA - kein Widerspruch in den tatsächlichen Feststellungen des FG gesehen werden, der zu einem materiellen Fehler führt (s. BFH-Urteile vom 7. März 1973 II R 34/66, BFHE 109, 472, BStBl II 1973, 707; vom 21. September 1988 V R 188/83, BFH/NV 1989, 203). Alle Beteiligten und auch die Vorentscheidung sind übereinstimmend davon ausgegangen, daß die umgeklappte Rückbank verplombt ist. Ob darüber hinaus die Rückbank auch verschweißt ist, wie das FG im Tatbestand seines Urteils geschrieben hat, steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß sie verplombt ist; denn eine umgeklappte, verplombte Rückbank kann auch (zusätzlich) verschweißt sein.
b) Aus der unstreitig gegebenen Tatsache, daß die umgeklappte Rückbank jedenfalls verplombt ist, und aus dem weiteren nicht angegriffenen und den erkennenden Senat damit bindenden Sachverhalt kann aber entgegen der Auffassung des FG nicht geschlossen werden, daß der von der Klägerin angeschaffte und umgestaltete Mercedes-Benz ein Lkw und kein Pkw i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG ist.
Vom Grundtyp her handelt es sich bei dem Fahrzeug der Klägerin um einen Pkw. Nach der Verkehrsanschauung, die in § 23 Abs. 1 Satz 6 der Straßenverkehrszulassung-Verordnung ihren Niederschlag gefunden hat, sind sog. Kombis (Kombinationsfahrzeuge) - zu denen zweifelsfrei auch das Fahrzeug der Klägerin gehört - den Pkw zugeordnet (s. hierzu Schneider, Der Betriebs-Berater 1970, 427 unter II.). Sowohl vom äußeren Erscheinungsbild als auch von der Motorleistung ähnelt ein Mercedes-Benz 300 TE mehr einem typischen Pkw als einem Lkw, wie z. B. einem Kasten- oder Pritschenwagen.
Durch die Herausnahme der Rücksitzbank und das Umklappen der Rücklehne und anschließender Verplombung und eventueller Verschweißung wird ein solches Fahrzeug nicht auf Dauer zum Transport von Gütern umgestaltet. Die Wiederherstellung des früheren Zustandes kann mit lediglich geringem Aufwand an Arbeit und Kosten erreicht werden. Bereits der sich auf 300 DM belaufende Kostenaufwand einer Rückrüstung ist im Verhältnis zu den Anschaffungskosten eines Mercedes-Benz 300 TE nur gering. Ferner ist das Lösen der Verplombung und einer etwaigen Verschweißung, das Aufrichten der Rücklehne und der Einbau der Rücksitzbank kein technisch schwieriger Vorgang. Darüber hinaus war für den erkennenden Senat entscheidend, daß an dem Fahrzeug lediglich eine vom Herstellerwerk bereits serienmäßig vorgesehene Veränderung vorgenommen worden ist. Die Klägerin hat keine zusätzlichen Einrichtungsänderungen an dem Fahrzeug durchgeführt, sondern im wesentlichen allein die einem jeden Kombi innewohnende Verwandlungsfähigkeit ausgenutzt.
Fundstellen
Haufe-Index 422834 |
BFH/NV 1991, 838 |