Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen von Ehegatten sind bei der Einkommensteuer stets einheitlich zu behandeln in dem Sinne, daß die Ausgaben eines Ehegatten ohne weiteres auch als solche des anderen Ehegatten anzusehen sind. Es kommt bei dem Abzug dieser Ausgaben daher nicht darauf an, welcher Ehegatte die Kosten gezahlt hat.
Aufwendungen für das eigene Studium sind in der Regel keine zwangsläufige außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG (§ 25 LStDV).
Bezahlt ein Ehegatte das Studium und die Kosten der auswärtigen Unterbringung während des Studiums des anderen Ehegatten, so sind die Aufwendungen nur dann nach § 33 EStG (§ 25 LStDV) zu berücksichtigen, wenn sie in der Person des studierenden Ehegatten eine zwangsläufige außergewöhnliche Belastung darstellen.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a; LStDV §§ 25, 25a
Tatbestand
Die Stpfl. haben im Mai 1963 geheiratet. Der Ehemann studierte ab Sommersemester 1962 Betriebswirtschaft. Sein Vater ist bereits im Jahre 1943 gestorben; seine Mutter bezieht eine monatliche Rente von etwa 200 DM; sein Bruder ist ebenfalls in der Berufsausbildung. Der Ehemann finanzierte sein Studium zunächst aus ersparten Mitteln; im Streitjahr 1964 bestritt die Ehefrau die Kosten aus ihrem Gehalt.
Die Stpfl. begehrten im Lohnsteuerjahresausgleich 1964 einen Freibetrag von 1.200 DM wegen auswärtiger Unterbringung des Ehemannes. Sie bringen vor, die Ehefrau habe sich zur Unterstützung ihres Mannes sittlich verpflichtet gefühlt, da die Ersparnisse sich durch steigende Lebenshaltungskosten, erhöhte Studienaufwendungen und durch Beiträge zum Unterhalt der Mutter schneller verbraucht hätten, als vorgesehen war.
Das FA versagte den Abzug des Freibetrages. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. Es führte in dem in EFG 1967, 127, veröffentlichten Urteil aus, die durch die Berufsausbildung bedingten Kosten der auswärtigen Unterbringung könnten nach § 33 a Abs. 2 EStG zusätzlich mit einem Freibetrag von 1.200 DM geltend gemacht werden. Diese Vorschrift sei im Interesse einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung auf die auswärtige Unterbringung eines Ehegatten im Rahmen der Berufsausbildung entsprechend anzuwenden. Die Kosten seien im Streitfall zwangsläufig gewesen, da der Ehemann das Studium nicht an seinem Wohnsitz habe durchführen können.
Das FA rügt mit der Revision Verletzung von Bundesrecht. Es meint, Studienkosten eines Ehegatten seien nach der Rechtsprechung des BFH nur in Ausnahmefällen als zwangsläufige außergewöhnliche Belastung anzuerkennen; ein solcher Grenzfall liege hier jedoch nicht vor. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Wie der Senat im Urteil VI R 196, 197/66 vom 9. Dezember 1966 (BFH 88, 119, BStBl III 1967, 308) ausgeführt hat, sind Aufwendungen eines Verlobten für das Studium des anderen Verlobten in der Regel keine zwangsläufige außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 a EStG, da die Verlobung im Normalfall keine sittliche Pflicht begründet, dem zukünftigen Ehegatten das Studium zu finanzieren. Trägt, wie hier, ein Ehegatte die Studienkosten des anderen Ehegatten, so können diese Aufwendungen in der Regel ebenfalls nicht nach §§ 33, 33 a EStG vom Einkommen abgezogen werden. Dazu gehören auch die Kosten einer auswärtigen Unterbringung während des Studiums.
Studienkosten der Ehegatten sind ohne Rücksicht auf die Person des Leistenden nur unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob der Abzug als außergewöhnliche Belastung auch beim studierenden Ehegatten rechtlich möglich gewesen wäre. Auszugehen ist hierbei von der Grundsatzentscheidung des Senats VI 9/56 S vom 24. Januar 1958 (BFH 66, 197, BStBl III 1958, 77), nach der Ehegatten beim Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen stets als Einheit zu behandeln sind. Diese einheitliche Betrachtungsweise ergibt sich bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten aus § 26 b EStG, nach dem das Einkommen beider Ehegatten - und damit auch diese einkommensmindernden Aufwendungen - als Ganzes zu erfassen sind. Bei der getrennten Veranlagung ist zwar das Einkommen jedes Ehegatten gesondert zu ermitteln. Die dabei berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sind jedoch nach § 26 a Abs. 2 und 3 EStG für beide gemeinsam festzustellen und erst dann auf die Ehegatten aufzuteilen. Aus dieser gesetzlichen Regelung hat der Senat den Schluß gezogen, daß es nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl bei der Zusammenveranlagung wie auch bei der getrennten Veranlagung von Eheleuten nicht darauf ankommen kann, welcher Ehegatte die Aufwendungen tatsächlich getragen hat. Wie der BdF damals in seiner Stellungnahme ausgeführt hat, ist der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung im Jahre 1957 bewußt von der Ehe als einer intakten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgegangen, in der es üblich ist, daß jeder Ehegatte entsprechend seinen Einkünften und Vermögensverhältnissen zu den Lebenshaltungskosten beisteuert. Bei den vielen Gegebenheiten und Möglichkeiten, wie sie die Verpflichtungen in der Ehe mit sich bringen, hielt der Gesetzgeber es nicht für vertretbar, die zu den Lebenshaltungskosten zählenden Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen dem Ehegatten zuzurechnen, der sie aus seinen Mitteln geleistet hat. Ausgaben des einen Ehegatten sind daher ohne weiteres auch als solche des anderen Ehegatten anzusehen. Sie können, wie der Senat damals ausführte, ohne Rücksicht auf die Person des Leistenden mithin steuerlich nicht berücksichtigt werden, wenn der Abzug als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung bei einem der Ehegatten ausgeschlossen ist. In dem obengenannten Urteil hat der Senat es deshalb abgelehnt, Rentenzahlungen des Schwiegersohns an den Schwiegervater, zu denen sich die Ehegatten gemeinsam verpflichtet hatten, als Sonderausgaben anzuerkennen, weil die Ehefrau auf Grund ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem Vater diese Ausgaben nach § 12 Nr. 2 EStG bei sich nicht als Sonderausgaben hätte absetzen können. Der Senat wies aber zugleich darauf hin, daß die Zahlungen für beide Ehegatten eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 a EStG sein können; denn hier steht die gesetzliche Unterhaltspflicht der Ehefrau dem Abzug nicht entgegen.
Das Urteil VI 9/56 S (a. a. O.) ist zwar zu der übergangsregelung der Ehegattenbesteuerung im EStG 1957 ergangen. Der Senat hat die Grundsätze dieses Urteils aber in ständiger Rechtsprechung auch auf die Besteuerung der Ehegatten nach dem EStG 1958 und das der folgenden Jahre und auf die Lohnsteuer von Arbeitnehmer-Ehegatten angewandt (vgl. z. B. Urteile des Senats VI 132/56 U vom 28. Februar 1958, BFH 66, 510, BStBl III 1958, 196; IV 439/60 vom 20. Juni 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 26 a, Rechtsspruch 83 b; VI 182/63 vom 29. Oktober 1963, StRK, § 22, Lohnsteuer- Durchführungsverordnung, Rechtsspruch 4 = HFR 1964, 166; VI 82/64 U vom 22. Januar 1965, BFH 81, 488, BStBl III 1965, 176; VI 287/65 vom 30. August 1966, BFH 86, 757, BStBl III 1966, 676; VI 352/65 vom 11. November 1966, BFH 87, 301, BStBl III 1967, 114).
Von diesen Grundsätzen ist der Senat auch im Urteil VI 92/58 vom 20. März 1959 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 95) bei Aufwendungen des Ehemannes für das Studium der Ehefrau ausgegangen. Maßgebend war für den Senat damals nicht die Person des Leistenden, sondern allein die Frage, ob die Kosten für das Studium eine zwangsläufige außergewöhnliche Belastung darstellen. Diese Frage hat der Senat verneint, weil die Aufnahme des Studiums in der Regel nicht zwangsläufig ist, sondern auf dem freien Willensentschluß des Studierenden beruht, und weil außerdem die Studienkosten kein verlorener Aufwand sind. Ausnahmen sind allerdings denkbar, wenn z. B. ein Stpfl. etwa durch einen schweren Verkehrsunfall zu einer Umschulung gezwungen wäre.
Nach den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten ist auch der Streitfall zu beurteilen, in dem die Ehefrau das Studium und die hierdurch bedingte auswärtige Unterbringung des Ehemannes bezahlt hat. Auch hier sind bei Anwendung des § 33 EStG die Aufwendungen des Klägerin ohne Rücksicht auf die ihr im Lohnsteuerjahresausgleich gewährte Steuerklasse zugleich als Ausgaben des Ehemannes anzusehen. Die Kosten sind im Streitfall nicht nach § 33 EStG zu berücksichtigen, da sie in der Person des Ehemannes keine zwangsläufige außergewöhnliche Belastung darstellen. Die Kläger haben keine Umstände vorgebracht, die die Zwangsläufigkeit des Studiums ausnahmsweise begründen könnten.
Es ist dem FG zuzugeben, daß die Kläger damit schlechter gestellt werden als die Steuerpflichtigen, die das Studium ihrer Kinder finanzieren. Das muß in Kauf genommen werden, zumal es sich dabei um anders gelagerte Fälle handelt. Aus diesem Grund liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG vor.
Das Urteil des FG war aufzuheben, weil das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Die Klage war abzuweisen, da die Voraussetzungen der §§ 33, 33 a EStG nicht erfüllt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 412538 |
BStBl III 1967, 596 |
BFHE 1967, 69 |
BFHE 89, 69 |