Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernstliche Zweifel und Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (NV)
1. Zum Unbedingtwerden der bedingten Steuer für Mineralöl (Heizöl) durch Verdieselung.
2. Zu den Anforderungen an die ernstlichen Zweifel als Voraussetzung für eine Aussetzung der Vollziehung.
3. Zur Beschränkung der Beweiserhebung auf präsente Beweismittel.
Normenkette
AO 1977 § 361; MinöStDV § 23 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) nahm den Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit Haftungsbescheid . . . als Haftenden in Anspruch. Den mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das HZA ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) im Ergebnis mit folgender Begründung ab: Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung seien nicht erfüllt. Der Kläger hafte als Geschäftsführer einer KG für die Mineralölsteuer, weil er bei Ausübung seiner Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung begangen habe. Er habe das HZA über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel, daß in den Jahren . . . auf Anweisung des Klägers steuerbegünstigtes leichtes Heizöl als Dieselkraftstoff verwendet worden sei. Durch die Verwendung des Heizöls zu einem anderen als dem begünstigten Zweck sei die bedingte Steuer für das Mineralöl unbedingt und sofort fällig geworden. Auch gegen die Richtigkeit der Schätzung der Gesamtmenge des in den Jahren . . . zweckwidrig verwendeten Mineralöls mit . . . Litern bestünden keine ernstlichen Zweifel. Am . . . seien weitere . . . Liter steuerbegünstigtes Mineralöl mit Dieselkraftstoff vermischt und in Fahrzeugen der KG als Kraftstoff verbraucht worden.
Die Gesamtmenge von . . . Litern sei auf Veranlassung des Klägers in den Dieselkraftstofftank abgelassen und zum Betanken der Kfz verwendet worden. Der Kläger habe die steuerlichen Folgen gekannt und gewußt, daß die Verwendung verboten gewesen sei. Die mißbräuchliche Verwendung des Mineralöls sei dem HZA nicht angezeigt und die Mineralölsteuer sei nicht gezahlt worden. Die Inanspruchnahme des Klägers sei nicht ermessensfehlerhaft.
Der Kläger begründet seine Revision wie folgt: Es sei nicht bewiesen, daß er sich vorsätzlich oder grob fahrlässig verhalten habe. Er sei Geschäftsführer der GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der KG sei. Er habe niemanden angewiesen, steuerbegünstigtes Heizöl als Dieselkraftstoff zu verwenden. Aussagen der Angestellten der KG oder des Fahrers der Lieferfirma gebe es in diesem Verfahren nicht. Die Vollziehung des Haftungsbescheids sei unbillig, weil er, der Kläger, nicht zu haften habe. Zu Unrecht gehe das Urteil davon aus, der Kläger sei persönlich haftender Gesellschafter. Falsch sei auch, daß die KG nicht mehr bestehe.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und entsprechend seinem Antrag in der Vorinstanz zu erkennen.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG ist bei der im Streitfall gebotenen summarischen Betrachtung ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung des streitbefangenen Haftungsbescheids nach § 361 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht vorliegen.
1. Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen die Entscheidung, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids nicht bestehen.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß bei einer Steuerhinterziehung durch den Kläger eine Haftung sowohl nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung (AO) als auch nach denen der AO 1977 in Betracht kommt. Maßgebend dafür, welche Vorschriften anzuwenden sind, ist der Zeitpunkt, in dem der haftungsbegründende Tatbestand verwirklicht worden ist, ob dieser Zeitpunkt in dem Zeitraum bis zum 31. Dezember 1976 oder in dem folgenden liegt (Art. 97 § 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung).
Für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung kommt es nicht darauf an, inwieweit die Vorschriften der AO und inwieweit die der AO 1977 anzuwenden sind und ob die Haftung sich aus den §§ 109 oder 112 AO oder aus den §§ 69 oder 71 AO 1977 ergibt. Denn nach allen Vorschriften kommt eine Haftung in Betracht, wenn der Kläger durch Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten vorsätzlich bewirkt hat, daß Steuern verkürzt worden sind. Das FG hat Feststellungen getroffen, denen es ohne Rechtsfehler entnommen hat, daß gegen das Vorliegen dieser Voraussetzungen keine ernstlichen Zweifel bestehen.
Es ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, daß durch die Verwendung von steuerbegünstigtem Mineralöl (Heizöl) zur Verdieselung die bedingte Steuer für das Mineralöl nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) unbedingt und nach § 23 Abs. 7 Nr. 1 MinöStDV sofort fällig geworden ist und daß das Unbedingtwerden der Steuer dem HZA unverzüglich anzuzeigen und die dabei berechnete Steuer ohne Aufforderung zu zahlen war (§ 23 Abs. 8 MinöStDV).
Der Einwand des Klägers, es sei nicht bewiesen, daß er vorsätzlich gehandelt habe, ist schon deshalb nicht geeignet, eine Aussetzung der Vollziehung zu begründen, weil es darauf nicht ankommt. Ernstliche Zweifel sind nicht erst dann ausgeschlossen, wenn die Richtigkeit einer steuerbegründenden Tatsache aufgrund einer Beweiserhebung als feststehend anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reicht es vielmehr aus, daß Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen nicht bestehen. Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß das zutrifft. Das FG hat eingehend dargelegt, auf welche Tatsachen es seine Auffassung stützt, der Kläger habe vorsätzlich gehandelt. Es ist nicht ersichtlich, daß sich dabei Unklarheiten ergeben haben, die eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen könnten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das FG seiner Entscheidung die festgestellten und glaubhaftgemachten Sachverhalte zugrunde legen durfte und daß es zu einer ergänzenden Aufklärung grundsätzlich nicht verpflichtet war (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 1985 VIII R 43/84, BFHE 144, 533, 538, BStBl II 1986, 136 m. w. N.).
Ohne Bedeutung ist insoweit auch, ob Angestellte oder andere Personen gehört worden sind. Das FG hat darauf hingewiesen, daß es die Tatsachen, die den Vorsatz des Klägers begründen, den Akten entnommen hat, die ihm vorgelegen haben. Dazu war es nach § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) befugt. Im übrigen ist insoweit zu beachten, daß die Sach- und Rechtslage im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung nur summarisch geprüft zu werden braucht und die Beweiserhebung deshalb auf präsente Beweismittel beschränkt werden darf, die Erhebung eines Zeugenbeweises deshalb nicht verlangt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1976 I R 138/74, BFHE 119, 373, BStBl II 1976, 682).
2. Zur Begründung einer Unbilligkeit der Vollziehung des Haftungsbescheids ist der Einwand, der Kläger habe nicht zu haften, nicht geeignet. Dieser Einwand betrifft die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids bestehen, was, wie dargelegt, nicht zutrifft.
3. Die Einwände, der Kläger sei nicht persönlich haftender Gesellschafter der KG und die KG bestehe noch fort, greifen schon deshalb nicht durch, weil sie tatsächliche Feststellungen des FG betreffen, an die der Senat gebunden ist, und weil der Kläger in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 FGO). Der Senat braucht deshalb nicht zu prüfen, ob es bei der Entscheidung über die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids auf die Einwendungen überhaupt ankommt.
4. Der Haftung des Klägers steht auch nicht entgegen, daß er, wie er einwendet, Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der KG war (vgl. Urteil des Senats vom 29. September 1987 VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176).
Fundstellen
Haufe-Index 415694 |
BFH/NV 1990, 133 |