Leitsatz (amtlich)
1. Die Konjunkturzulage setzt eine Identität von bestelltem und geliefertem Wirtschaftsgut voraus (vgl. bereits BFH-Urteil vom 14. März 1980 III R 78/78, BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476).
2. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme denkbar, wenn eine Umbestellung aus Gründen notwendig wird, die außerhalb des Einflußbereichs des Investors liegen und von ihm nicht zu vertreten sind.
2. Unter der vorgenannten Voraussetzung kann auch ein Lieferantenwechsel unschädlich sein (abweichend von Tz. 122 des BMF-Schreibens vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246).
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bestellte am 25. Juni 1975 bei der Firma A eine Rechenanlage zum Preis von 358 171,47 DM. Als Liefertermin waren die Monate April bis Juni 1976 vorgesehen.
Als die Rechenanlage am 16. Juni 1976 nicht geliefert war, forderte die Klägerin die Firma A auf, ihr bis zum 26. Juni 1976 verbindlich die Lieferung bis zum 15. September 1976 zuzusichern. Andernfalls stellte die Klägerin in Aussicht, von ihrem vorbehaltenen Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen. Die Firma A war mit dem Rücktritt der Klägerin einverstanden.
Daraufhin bestellte die Klägerin am 29. Juni 1976 eine gleichartige Rechenanlage zum Preis von 397 823,67 DM bei der Firma B. Am 30. Juni 1976 erteilte die Klägerin der Bank einen Überweisungsauftrag mit einem Sperrvermerk über einen Betrag von 350 000 DM als Anzahlung. Die Rechenanlage wurde am 15. September 1976 geliefert.
Den Antrag der Klägerin, ihr für die Rechenanlage eine Konjunkturzulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes 1975 (InvZulG) zu zahlen, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ab. Das FA begründete seine Entscheidung damit, daß die gelieferte Anlage nicht nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 bestellt worden sei, und daß die Klägerin den Lieferanten gewechselt habe. (Tz. 122 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246). Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, sie habe mit der Umbestellung keine neue Investitionsentscheidung getroffen, sondern nur ihre frühere Investitionsentscheidung "fortgesetzt". Es könne nicht im Sinne des InvZulG liegen, die Investitionszulage auf eine Umbestellung zu versagen, an der den Investor kein Verschulden treffe.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß der in § 4b InvZulG verwandte Begriff "bestellt" personenbezogen sei und deshalb einen bestimmten Vertragspartner voraussetze. Der Wechsel des Lieferanten sei somit eine neue Bestellung.
In der Revision beantragt die Klägerin, das FG-Urteil vom 22. August 1978 aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagebescheids vom 2. August 1977 eine weitere Konjunkturzulage in Höhe von 29 836 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet.
1. Soweit die Klägerin für den die Anzahlung von 350 000 DM übersteigenden Betrag von 47 823,67 DM eine Investitionszulage begehrt, ist ihre Revision unbegründet. Denn bei Wirtschaftsgütern, die erst nach dem 30. Juni 1976 geliefert werden, sieht § 4b Abs. 4 Satz 1 InvZulG eine Investitionszulage nur auf der Grundlage von Anzahlungen vor. Daran fehlt es insoweit. Denn obwohl die Rechenanlage erst am 15. September 1976 geliefert worden ist, hat die Klägerin eine Anzahlung in Höhe von 47 823,67 DM nicht geleistet.
Soweit die Klägerin eine Investitionszulage auf der Grundlage eines Betrages von 350 000 DM begehrt, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden.
2. Der Senat hat in seinem Urteil vom 14. März 1980 III R 78/78 (BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476) entschieden, daß zwischen dem bestellten und dem gelieferten Wirtschaftsgut eine Identität bestehen muß. Der Senat hat an dieser Auffassung in der Folgezeit festgehalten (vgl. insbesondere Urteil vom 22. April 1982 III R 37/81, BStBl 1982, 570). Wegen der Gründe, die den Senat zu dieser Auslegung veranlaßt haben, wird auf die vorgenannten Urteile verwiesen.
3. Diese sich vornehmlich am Gesetzeswortlaut orientierende Rechtsprechung beruht allerdings auf der Prämisse, daß das Geschehen zwischen Bestellung und Lieferung "normal" (störungsfrei) abläuft. Ist das nicht der Fall, dann hält der Senat Ausnahmen von dem Grundsatz der strikten Identität zwischen Bestellung und Lieferung für möglich. Es kann sich dabei allerdings nur um Ausnahmen in eng begrenztem Umfang handeln, für die der Investor die Darlegungs- und Beweislast hat. Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn eine Umbestellung aus Gründen notwendig wird, die ausschließlich außerhalb des Einflußbereichs des Investors liegen und von ihm nicht zu vertreten sind. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Nach den Feststellungen des FG hat sich bei der Vertragsabwicklung ergeben, daß die Firma A zur fristgemäßen Lieferung (15. September 1976) nicht imstande war. Die Klägerin war deshalb gezwungen, sich nach einem anderen Lieferanten umzusehen, der die Rechenanlage bis zu diesem Zeitpunkt liefern konnte. Das wurde für die Klägerin erst offenbar, nachdem die gesetzliche Bestellfrist (1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975) längst verstrichen war. Gesichtspunkte dafür, daß die Klägerin die notwendig gewordene Änderung der Bestellung in irgendeiner Weise mitzuverantworten hätte, liegen nicht vor. Die gelieferte Rechenanlage erfüllt im Betrieb der Klägerin die gleiche Aufgabe wie die ursprünglich bestellte Anlage. Der Mehrpreis von rd. 39 650 DM ist relativ gering.
Daß die Klägerin gezwungen war, auch den Lieferanten zu wechseln, hält der Senat bei den gegebenen Umständen für unschädlich (entgegen Tz. 12 des BMF-Schreibens vom 5. Mai 1977). Denn § 4b InvZulG verlangt als Verpflichtungsgeschäft keinen Vertrag (Kaufvertrag oder Werklieferungsvertrag), sondern begnügt sich mit einer "Bestellung". Damit stellt das Gesetz auf die einseitige Verpflichtung des Investors ab, in der Regel auf sein Angebot zum Abschluß eines Lieferungsvertrages, in Ausnahmefällen auf die Annahme eines ihm vom Lieferanten gemachten Angebots. Das einseitige Abstellen auf das Verpflichtungsgeschäft des Investors erlaubt es, in Ausnahmefällen einen Lieferantenwechsel als unschädlich anzusehen.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Nach dem Inhalt der Investitionszulageakte hat die Klägerin ihre Anzahlung am 30. Juni 1976 nicht bar geleistet, sondern der Bank einen entsprechenden Überweisungsauftrag erteilt. Dieser Überweisungsauftrag ist mit einem Sperrvermerk versehen, wonach der Betrag bis zur endgültigen Aufstellung der Rechenanlage und dem Nachweis ihrer Funktionsfähigkeit gesperrt ist. Das FG brauchte bisher nicht zu entscheiden, ob die Klägerin mit diesem Überweisungsauftrag eine Anzahlung rechtzeitig geleistet hat. Das FG muß diese Entscheidung nunmehr nachholen. Zu diesem Zweck wird die Vorentscheidung aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
BStBl II 1982, 571 |
BFHE 1983, 166 |