Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Minderung von Stundungszinsen
Leitsatz (NV)
Das FA ist zur rückwirkenden Minderung von Stundungszinsen auf einen Betrag von 0,00 DM verpflichtet, wenn sich aufgrund einer nachträglichen Herabsetzung der gestundeten Steuer keine Abschlußzahlung mehr ergibt.
Normenkette
AO 1977 §§ 175, 222, 234
Tatbestand
Nach dem Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1980 und der dazu erteilten Abrechnung hatte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) eine Abschlußzahlung von . . . DM, fällig am 25. April 1983, an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) zu zahlen. Auf Antrag der Klägerin stundete das FA diesen Betrag bis 30. Mai 1983 und setzte mit Bescheid vom 31. Mai 1983 Stundungszinsen in Höhe von zunächst . . . DM fest. Inzwischen war die Körperschaftsteuerabschlußzahlung 1980 mit Bescheid vom 24. Mai 1983 auf . . . DM herabgesetzt worden. Aufgrund einer weiteren Änderung vom 4. Juli 1983 setzte das FA eine Körperschaftsteuererstattung von . . . DM fest.
Gegen den Zinsbescheid vom 31. Mai 1983 legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens setzte das FA mit Bescheid vom 15. August 1983 die Stundungszinsen auf . . . DM herab und wies im übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Nach Erhebung der Klage ergab sich aufgrund einer weiteren Änderung der Körperschaftsteuerfestsetzung am 23. Januar 1984 eine endgültige Körperschaftsteuererstattung von . . . DM. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, mit der die Klägerin die Aufhebung der Festsetzung von Stundungszinsen begehrte.
Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 234 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zutreffend hat das FG im Ergebnis eine Verpflichtung des FA zur rückwirkenden Minderung der Stundungszinsen auf einen Betrag von null DM bejaht, nachdem sich auf Grund einer Herabsetzung der gestundeten Steuer keine Abschlußzahlung mehr ergab.
1. Nach § 234 Abs. 1 AO 1977 werden für die Dauer einer gewährten Stundung (§ 222 AO 1977) eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO 1977) Zinsen erhoben (Stundungszinsen).
2. Die Stundungszinsen sind als steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 3 AO 1977) abhängig vom Bestehen des gestundeten ,,Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis", d. h., von der Verwirklichung des steuerlichen Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO 1977). Die Zinsen sind - wie im Zivilrecht (vgl. § 246 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) laufzeitabhängiges Entgelt für die Nutzung eines auf Zeit überlassenen oder vorenthaltenen Geldkapitals (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Mai 1987 II R 44/84, BFHE 150, 4, BStBl II 1988, 229). ,,Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis" i. S. des § 234 Abs. 1 AO 1977 ist deshalb im Streitfall die sich nach Anrechnung der Vorauszahlungen, der Abzugsteuern und der Körperschaftsteuer gemäß § 36 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebende Körperschaftsteuer-Abschlußzahlung für 1980. Nur insoweit wurde dem FA Geldkapital vorenthalten.
3. Die Akzessorietät der Stundungszinsen erfordert - anders als bei den Säumniszuschlägen (§ 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977) - im Fall einer Minderung der gestundeten Steuerschuld eine Herabsetzung der Zinsen. Eine spätere Herabsetzung der Steuerschuld wirkt zurück und führt insoweit auch für die Vergangenheit zu einer Reduzierung der Zinsfestsetzung, wobei der Senat offenlassen kann, ob die Änderung der Steuerfestsetzung und die damit rechtlich verbundene Änderung der Anrechnungsverfügung gemäß § 36 EStG ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 darstellt oder als Grundlagenbescheid i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 mit Bindungswirkung für den Zinsbescheid anzusehen ist. Beide Rechtsgrundlagen führen im Streitfall zur Aufhebung des Zinsbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung, da die Klägerin im Endergebnis keine Abschlußzahlung mehr zu leisten hatte. Aufgrund der Änderungsbescheide vom 4. Juli 1983 und 23. Januar 1984 ergaben sich vielmehr Überzahlungen der Körperschaftsteuer 1980 zugunsten der Klägerin.
Im übrigen verweist der Senat - um Wiederholungen zu vermeiden - auf sein Urteil vom 18. Juli 1990 I R 165/86 (BFH/NV 1991, 212).
Fundstellen
Haufe-Index 417815 |
BFH/NV 1992, 150 |