Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschüsse einer Stadt an einen Verkehrsverein
Leitsatz (NV)
"Zuschüsse" der öffentlichen Hand können Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus dessen Kompetenzbereich um der versprochenen Geldleistung willen übernimmt. Kein Entgelt liegt aber vor, wenn der Zuschuß lediglich der Förderung des Zuschußnehmers im allgemeinen Interesse dienen soll und nicht der Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zuschußnehmers an den Zuschußgeber sein soll. So ist es auch, wenn ein Verkehrsverein, der die Aufgaben eines städtischen Verkehrsamts übernimmt, von der Stadt Zuschüsse erhält (kein Leistungsaustausch im Streitfall).
Normenkette
UStG 1991 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 1999, 98) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein Verkehrsverein. Er verfolgt den Zweck, allgemeine Interessen der Stadt A und ihrer Einwohnerschaft wahrzunehmen; insbesondere obliegt ihm, den Fremdenverkehr und Naherholungsverkehr und sonstige dem Wohle der Bürgerschaft dienende Bestrebungen zu fördern.
Zu diesem Zweck erbringt er in eigener (Rechts-)Person und in der Person einer Organgesellschaft (der Fremdenverkehrsgesellschaft mbH --F-GmbH--) an Mitglieder und Dritte zahlreiche steuerpflichtige Umsätze. Ein Teil der Mitgliedsbeiträge entfällt aber unstreitig auf nichtsteuerbare Aktivitäten. Zu den ca. 650 Mitgliedern des Vereins zählt auch der Landkreis (Landratsamt), nicht aber die Stadt A.
Da der Kläger defizitär arbeitet, ist er auf Zuschüsse der Stadt A angewiesen.
Hierüber wurde am 20. Dezember 1979 zwischen dem Kläger und der Stadt eine Vereinbarung abgeschlossen, in der es u.a. heißt:
1.
Aufgabenübertragung
Der Verein nimmt für die Stadt folgende Aufgaben wahr:
1.1 Die Förderung des Fremdenverkehrs anstelle eines städt. Verkehrsamtes
1.1.1 Die Aufgaben umfassen im wesentlichen folgendes:
Werbung für Tagungen, Kongresse und Veranstaltungen ähnlicher Art
Stadtwerbung
Herausgabe von Werbedruckschriften
Stadtführungen
Rundfahrten
Organisation des Sommerfestes
2.
Entschädigung
2.1 Für die Durchführung der Aufgaben nach 1.1. gewährt die Stadt entsprechend der Finanzlage von Stadt und Verein einen jährlichen Zuschuß. Er soll anstelle der Aufwendungen für ein städtisches Verkehrsamt den Unterhalt des Büros sicherstellen.
Ähnlich wird bereits seit 1952 verfahren. Der Kläger wendet sich jährlich an die Stadt und bittet um den Zuschuß "zur Erfüllung seiner" (des Klägers) "Aufgaben und zur allgemeinen Lebenserhaltung". Die Stadtverwaltung macht daraufhin dem Gemeinderat einen Vorschlag, der durchweg ohne große Widerstände im Rahmen des Haushalts beschlossen wird. Seit dem Jahr 1989 sollten die Zuschüsse entsprechend den Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst angepaßt werden; wegen der finanziellen Situation der Stadt wurde der Zuschuß im Jahre 1998 aber nicht mehr gegenüber dem Vorjahr erhöht. Die Zuschüsse für die Streitjahre betrugen 345 360 DM und 368 470 DM.
Außerdem hat die Stadt an den Kläger den städtischen Campingplatz, Büro- und Geschäftsräume sowie eine Fachkraft entgeltlich überlassen. Schließlich überprüft das Rechnungsprüfungsamt der Stadt A den Kläger jährlich gegen Entgelt. Dieses betrug in den Streitjahren 2 280 DM und 2 400 DM und wurde mit den oben bezeichneten Zuschüssen verrechnet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, die Zuschüsse seien Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung des Klägers an die Stadt, und unterwarf sie dem allgemeinen Steuersatz (geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1991 und 1992 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1994).
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam zum Ergebnis, daß die Zuschüsse gezahlt worden seien, um dem Kläger seine Tätigkeit zu ermöglichen; sie seien deshalb kein Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung des Klägers an die Stadt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 89).
Gegen das Urteil wendet sich das FA mit der Revision. Es meint, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) seien erfüllt; der Vertrag vom 20. Dezember 1979 spreche eindeutig für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG durfte die Vereinbarung vom 20. Dezember 1979 in Verbindung mit dem sonst festgestellten Sachverhalt ohne Rechtsverstoß dahin würdigen, daß der Kläger an die Stadt A keine Leistung gegen Entgelt erbrachte, sondern daß die Stadt A mit den Zuschüssen dem Kläger lediglich ermöglichte, seinen satzungsgemäßen Aufgaben nachzugehen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt einen Leistungsaustausch voraus. Der Leistende muß seine Leistung erkennbar um der Gegenleistung willen erbringen; die Leistung muß auf die Erlangung der Gegenleistung gerichtet sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 V R 11/97, BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169). Zahlungen, durch die lediglich eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll, sind kein Entgelt für eine steuerbare Leistung (BFH in BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169). Wird einem Unternehmer für seine Tätigkeit (Leistung) ein Geldbetrag gezahlt, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung derart mit der Zahlung verknüpft ist, daß sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden abzustellen. Ist ein Leistungsaustausch zu verneinen, spricht man herkömmlicherweise von einem echten Zuschuß (vgl. Abschn. 150 Abs. 7 der Umsatzsteuer-Richtlinien), ansonsten von einem unechten Zuschuß. Als Indiz für die Beurteilung der Frage, ob der Leistende seine Aktivitäten um des Entgelts willen durchführt, dient u.a. der Zweck, den der Zahlende mit der Zahlung verfolgt. Soll der Zahlungsempfänger mit dem Zuschuß nur unterstützt werden, damit er seine Tätigkeit ausüben kann, fehlt es an der erforderlichen Verknüpfung von Leistung und Zuschußzahlung zu einem steuerbaren Umsatz (BFH-Urteil vom 25. Januar 1996 V R 61/94, BFH/NV 1996, 715).
Diese Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG stimmt mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Art. 2 Nr. 1, Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) überein. Nach ihr setzt der Begriff der Dienstleistungen gegen Entgelt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert voraus (EuGH-Urteil vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95 - Fillibeck -, Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1997, 430); es muß ein Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts vorliegen (EuGH-Urteil vom 29. Februar 1996 Rs. C-215/94 - Mohr -, Slg. 1996, I-959).
Dementsprechend ist auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften der Auffassung, daß Globalzuschüsse für lokale Entwicklungsmaßnahmen grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer unterliegen, falls nicht eine Dienstleistung gegen Entgelt vorliegt (Antwort des Kommissars Monti vom 23. September 1997 auf eine parlamentarische Anfrage, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1998 Nr. C 102, 42).
Demnach können "Zuschüsse" der öffentlichen Hand Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus dessen Kompetenzbereich um der versprochenen Zahlung willen übernimmt. Kein Entgelt liegt aber vor, wenn der Zuschuß lediglich der Förderung des Zuschußnehmers im allgemeinen Interesse dienen soll und nicht der Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zuschußnehmers an den Zuschußgeber sein soll. In derartigen Fällen, in denen eine Person des privaten Rechts Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein Leistungsaustausch zu bejahen oder zu verneinen sein (vgl. BFH in BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169 - Errichtung und Betreiben einer Tiefgarage aufgrund einer Entgeltsvereinbarung mit der Stadtgemeinde; BFH-Urteil vom 25. März 1993 V R 84/89, BFH/NV 1994, 59 - Pauschale für die Übernahme der Luftaufsicht kein echter Zuschuß; BFH-Urteil vom 6. Oktober 1988 V R 101/85, BFH/NV 1989, 327 - Zahlungen der Träger der überörtlichen Sozialhilfe für verschiedene Leistungen einer GmbH, die eine Werkstatt für Behinderte betreibt; BFH in BFH/NV 1996, 715; Urteile vom 9. Dezember 1987 X R 39/81, BFHE 152, 280, BStBl II 1988, 471, und vom 28. Juli 1994 V R 19/92, BFHE 176, 66, BStBl II 1995, 86 - Forschung mit öffentlichen Mitteln).
Demnach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG auch im vorliegenden Fall einen Leistungsaustausch aufgrund eines gegenseitigen Vertrags verneint und einen echten Zuschuß bejaht hat. Eine derartige Gesamtwürdigung der Verhältnisse erscheint unter anderem deshalb möglich, weil sich die Vertragsparteien nicht auf ein festes Entgelt für die vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben geeinigt haben, der Zuschuß vielmehr grundsätzlich jährlich unter Berücksichtigung der Haushaltssituation der Stadt und der Einnahmen und Ausgaben des Klägers festgesetzt werden sollte. Hinzu kommt, daß der Kläger seiner Zweckbestimmung nicht nur im Interesse und im Auftrag der Stadt, sondern auch im Interesse der zahlreichen Mitglieder und des von ihnen verfolgten Gemeinwohls nachkam, so daß es zweifelhaft erscheint, ob die Aktivitäten des Klägers insgesamt oder zum Teil als individuelle Leistungen an die Stadt A qualifiziert werden können. Ob die Sachverhaltswürdigung des FG zwingend oder auch nur naheliegend ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden; es reicht aus, daß sie weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 17).
Fundstellen
BFH/NV 2000, 240 |
HFR 2000, 120 |
GK/BW 2000, 140 |