Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
1) Steuerfreie Zahlungen aus öffentlichen Kassen nach § 3 Ziff. 11 EStG sind nur Zahlungen, die für die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit geleistet werden.
2) Die Bayerische Landesärztekammer übt weder ausschließlich noch überwiegend eine hoheitliche Tätigkeit aus.
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 11, § 3/12
Tatbestand
Streitig ist die Einkommensteuerpflicht einer dem Beschwerdeführer (Bf.) im Jahre 1952 von der Bayerischen Landesärztekammer gezahlten Aufwandsentschädigung.
Der Bf. ist Flüchtlingsarzt. Er hat im Jahre 1952 eine eigene ärztliche Praxis nur in ganz geringem Umfange ausgeübt und ist im wesentlichen für die Bayerische Landesärztekammer tätig gewesen. Er ist zunächst gemäß seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1952 veranlagt worden. Im Einspruchsverfahren hat er Steuerfreiheit für die ihm gewährte Aufwandsentschädigung nach § 3 Ziff. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begehrt, da es sich um eine Aufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse handle.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Beide Instanzen gingen davon aus, daß der Bf. nicht Angestellter der Landesärztekammer sei, sondern daß er in einem freiberuflichen Arbeitsverhältnis zu ihr stehe. Zwar könnten steuerfreie Aufwandsentschädigungen auch an nicht in festem Arbeitsverhältnis stehende Personen gezahlt werden, im vorliegenden Fall handle es sich aber, so führte das Finanzgericht aus, nicht um eine Zahlung aus einer öffentlichen Kasse. Die Landesärztekammer sei zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, nehme aber in erster Linie nicht hoheitliche Aufgaben wahr, sondern ärztliche Belange, wie die überwachung der ärztlichen Berufspflichten und des ärztlichen Berufsrechts usw.
Mit der hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde (Rb.) trägt der Bf. vor, das Finanzgericht habe zu Unrecht angenommen, daß es sich bei der an ihn gezahlten Aufwandsentschädigung nicht um eine solche aus einer öffentlichen Kasse handle. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Verwaltungstätigkeit der Kammer als Ausbildung hoheitlicher Gewalt anzusehen sei. Der Gesetzgeber habe das ärztewesen unter staatliche Verwaltung gestellt, da es der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe diene. Mit der überlassung der Selbstverwaltung an die ärztekammer habe der Staat ein der Staatsverwaltung zustehendes Recht delegiert, so daß die ärztekammer eine mittelbare öffentliche Verwaltungstätigkeit ausübe, die mehr sei als öffentliche Dienstleistungen, deren Vorliegen allein schon die Steuerfreiheit der gezahlten Aufwandsentschädigung rechtfertigen würde.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Senat stimmt dem Finanzgericht darin bei, daß der Bf. zur Landesärztekammer nicht in einem Dienstverhältnis, sondern in einem freiberuflichen Arbeitsverhältnis steht. Ein solches schließt die Zahlung einer Aufwandsentschädigung nach § 3 Ziff. 11 EStG nicht aus (siehe dazu auch Begründung zum Einkommensteuergesetz 1934 § 3 Ziff. 14 im Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 36).
Entscheidend ist demnach die Frage, ob es sich bei der Aufwandsentschädigung um die Zahlung aus einer öffentlichen Kasse handelt. Unbedenklich ist die Annahme des Finanzgerichts, daß die Bayerische Landesärztekammer eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist. Durch Art. 14 des Bayerischen ärztegesetzes vom 25. Mai 1946 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1946 S. 193 in den "Verwaltungsgesetzen des Freistaates Bayern") ist ihr die Eigenschaft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ausdrücklich verliehen worden (siehe auch Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 20. Juli 1951, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1951 S. 139 ff., insbesondere S. 147 und S. 151 a. a. O.). Nicht alle aus Kassen der öffentlich-rechtlichen Körperschaften gezahlten Aufwandsentschädigungen sind jedoch steuerfrei. Es muß sich um eine Aufwandsentschädigung handeln, die für öffentliche Dienste gewährt wird. öffentliche Dienste sind nach ständiger Rechtsprechung Dienste, die sich ausschließlich oder doch überwiegend mit hoheitlichen Aufgaben befassen, d. h. Aufgaben, bei denen der Staat im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse Anordnungen treffen und ihre Durchführungen erforderlichenfalls erzwingen kann. Ob und in welchem Umfang ein öffentliches Interesse vorliegt oder ein öffentlicher Zweck verfolgt wird, ist nicht entscheidend. Der Begriff der öffentlichen Kasse ist damit auf die eigentlichen hoheitlichen Verwaltungen beschränkt (siehe das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 609/54 U vom 9. Februar 1956, Slg. Bd. 62 S. 493, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 183, das bei Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl. Anm. 10 zu § 3 erwähnte nichtveröffentlichte Urteil des Senats IV 3/52 vom 30. Oktober 1952 und die umfangreiche Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Blümich-Falk a. a. O., ferner Herrmann-Heuer, Anm. 23 zu § 19 EStG).
Selbst bei ausgesprochenen Hoheitsverwaltungen setzt die Steuerfreiheit einer Aufwandsentschädigung nach § 3 Ziff. 11 EStG voraus, daß die Entschädigung unmittelbar für die Entfaltung hoheitlicher Aufgaben bestimmt ist (siehe Blümich-Falk a. a. O.), das heißt, daß der Empfänger der Entschädigung hoheitliche Aufgaben wahrnehmen muß. Der in der Rb. vertretenen Auffassung über den Begriff der Entschädigung aus einer öffentlichen Kasse vermag der Senat deshalb nicht zuzustimmen. Es bleibt somit zu prüfen, ob die Bayerische Landesärztekammer oder der Bf. ausschließlich oder überwiegend hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. das Finanzgericht hat das mit zutreffender Begründung verneint. Die Bayerische Landesärztekammer ist eine Berufsvertretung mit öffentlich-rechtlichem Charakter (siehe Art. 6, 14 des Bayerischen ärztegesetzes vom 25. Mai 1946, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 193). In Art. 7 sind die Aufgaben dieser Kammer erschöpfend aufgezählt (siehe Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs a. a. O. S. 147). Darnach hat die Berufsvertretung die Aufgabe, im Rahmen des Gesetzes die beruflichen Belange der ärzte wahrzunehmen, die Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten zu überwachen, die ärztliche Fortbildung zu fördern, Wohlfahrtseinrichtungen für ärzte und deren Angehörige zu schaffen, sowie in der öffentlichen Gesundheitspflege mitzuwirken. Nach Abs. 2 des Art. 7 ist die Berufsvertretung berechtigt, innerhalb ihres Aufgabenbereichs Anfragen, Vorstellungen und Anträge an die zuständigen Behörden zu richten. Sie ist verpflichtet, diesen Behörden auf Verlangen Gutachten zu erstatten. Die Behörden sollen die Berufsvertretung vor der Regelung wichtiger einschlägiger Fragen hören und auf Anfragen der Berufsvertretung Auskunft erteilen.
Darnach hat das Finanzamt zutreffend festgestellt, daß im Vordergrund nicht hoheitliche Aufgaben, sondern solche der ärztlichen Selbstverwaltung stehen, wenn auch die am Schluß von Art. 7 Abs. 1 erwähnte Mitwirkung in der öffentlichen Gesundheitspflege die Ausübung hoheitlicher Tätigkeit offenläßt. Nimmt schon die Landesärztekammer im wesentlichen keine Hoheitsaufgaben wahr, so gilt das ebenso für den Bf. Das ergibt sich auch praktisch aus der Stellungnahme des Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer vom 18. März 1955, nach der die Tätigkeit des Bf. im Jahre 1952 im wesentlichen in der Mitwirkung bei Verwendung der in Bayern lebenden Flüchtlingsärzte bestand. Auch darin ist eine hoheitliche Tätigkeit nicht zu erblicken, sondern die Bearbeitung berufsständischer Fragen. Schließlich stellt auch die Abgabe von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen und die Leitung der Pressestelle der Landesärztekammer keine hoheitliche Tätigkeit dar, sondern dient der Wahrung beruflicher Interessen der ärzteschaft, wie sie heute in ähnlicher Form auch von jedem Berufsverband weitgehend durchgeführt wird.
Demnach ist weder die Bayerische ärztekammer selbst noch der Bf. ganz oder überwiegend mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut, so daß seitens der Bayerischen ärztekammer die steuerfreie Zahlung einer Entschädigung aus einer öffentlichen Kasse gemäß § 3 Ziff. 11 EStG nicht vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 408849 |
BStBl III 1957, 395 |
BFHE 1958, 424 |
BFHE 65, 424 |