Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Beurteilung von zinsfreien Darlehen und von Nießbrauchsrechten im Rahmen des § 12 Ziff. 1 KStG, die eine Familienstiftung auf Grund ihrer Satzung Familienangehörigen gewährt bzw. einräumt, die durch die Stiftung begünstigt werden sollen.
Normenkette
KStG § 12 Ziff. 1; EStG § 2
Tatbestand
Die im Jahre 1918 gegründete Stiftung ist nach ihrer im Streitjahr gültigen Satzung eine reine Familienstiftung. Sie wird von einem Vorsteher verwaltet. Ihr Zweck ist die Gewährung von einmaligen oder laufenden Bezügen an Nachkommen des Stifters. Der Vorsteher bestimmt die Stiftungsbezüge. Laufende Bezüge können auch durch die Einräumung eines Wohnrechts, eines Nießbrauchs oder eines Anspruchs auf wiederkehrende Nutzungen gegeben werden.
Bei der Körperschaftsteuer-Veranlagung für 1956 behandelte das Finanzamt Zuwendungen an Stiftungsberechtigte als steuerpflichtig, und zwar den Nießbrauch von Stiftungsberechtigten an einem Grundstück, einer Grundschuld und einer Hypothek der Stiftung und den Vorteil, den Stiftungsberechtigte durch die Zinslosigkeit der ihnen von der Stiftung gegebenen Darlehen hatten. Die Höhe der üblichen Zinsen wurde dabei mit 6 v. H. angenommen. Die Versteuerung wurde mit § 12 Ziff. 1 KStG (nicht abzugsfähige Ausgaben) und § 19 KStDV (verdeckte Gewinnausschüttung) begründet. Es handelte sich um die folgenden Posten:
a) Nießbrauch des A (Grundschuld) - - - - - - - - - - - - 420 DM des B (Grundstück) - - - - - - - - - - - - - 2.063 DM des B (Hypothek) - - - - - - - - - - - - - - 1.000 DM b) nicht berechnete Zinsen (zinsfreie Darlehen) C (Darlehen) - - - - - - - - - - - - - - - - 120 DM D (Darlehen) - - - - - - - - - - - - - - - - 120 DM D (Grundschuld) - - - - - - - - - - - - - - - 33 DM E (Darlehen) - - - - - - - - - - - - - - - - 450 DM.Die Körperschaftsteuer wurde von einem Einkommen von 4.350 DM mit 1.957 DM festgesetzt.
In der Sprungberufung griff die Bfin. die Heranziehung der Erträge aus den Nießbräuchen und den Zinsverzichten an. Die Heranziehung der Nießbrauchserträge zur Körperschaftsteuer sei unrichtig, weil die Stiftung nicht die jährlichen Erträge, sondern die Ertragsquellen einmalig übertragen habe. Die Erträge der mit dem Nießbrauch behafteten Vermögenswerte seien jetzt Einnahmen des Nießbrauchers. Die Bfin. habe auf diese Erträge keinen Einfluß mehr und könne aus ihnen auch keine Steuer mehr zahlen. Ebensowenig könnten die Zinserträge, auf die sie verzichtet habe, als Einkünfte der Stiftung angesehen werden, da nach der Rechtsprechung Darlehnszinsen, die dem Schuldner erlassen sind, dem Darlehnsgeber nicht zugerechnet werden dürften. Die von D genutzte Grundschuld sei im übrigen von Anfang an zinsfrei gewesen, wie sich aus dem notariellen übertragungsvertrag ergebe.
Das Finanzgericht gab der Berufung hinsichtlich der Zinsen für die von D genutzte Grundschuld der Stiftung statt, wies die Berufung in den übrigen Punkten zurück, ermittelte das Einkommen der Bfin. mit 4.327 DM und setzte die Körperschaftsteuer auf 1.944 DM fest. Die Erträge aus Vermögenswerten der Stiftung (Grundstück, Hypothek, Grundschuld) gehörten zum Einkommen der Stiftung und ihre überlassung an Stiftungsberechtigte in der Form des Nießbrauchs sei steuerpflichtige Einkommensverwendung. Auch in dem Verzicht auf die üblichen Darlehnszinsen zugunsten von Stiftungsberechtigten liege eine steuerpflichtige Verwendung von Einkommen.
In der Rb. wendet sich die Bfin. gegen die Versteuerung der Nießbrauchserträge und der nicht berechneten Zinsen. Zur Frage der Nießbrauchserträge führt sie aus, sie gehörten zum Einkommen der Nießbraucher, nicht des Eigentümers. Das Steuerrecht kenne nicht die Versteuerung des gleichen Ertrags bei mehreren Personen. Die Voraussetzungen des § 2 EStG und des § 12 KStG seien insofern nicht erfüllt, als die Stiftung die Nießbrauchserträge nicht bezogen und weder die Nießbrauchserträge noch das Nießbrauchsrecht als Aufwendung vom Einkommen abgezogen habe. Hinsichtlich der zinslosen Darlehen trug die Bfin. vor, daß durch sie Kapitalhilfe, aber nicht Mehreinkommen gewährt werden sollte. Der Steuerpflichtige sei weder nach bürgerlichem noch nach Steuerrecht verpflichtet, Darlehnszinsen zu vereinbaren. Die Bestimmungen über verdeckte Gewinnausschüttungen seien Sonderregelungen für Unternehmer der Wirtschaft, die keine Verallgemeinerung vertrügen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Bei der Stiftung sind alle Aufwendungen nicht abzugsfähig, die sich als Verwendung des Einkommens darstellen. Der Hinweis des Finanzgerichts, daß dazu alle offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen gehören, ist nur im Rahmen dieser Würdigung möglich. Die Frage der Gewinnausschüttung in Verbindung mit der Doppelbesteuerung nach § 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG, wie sie insbesondere bei Kapitalgesellschaften auftritt, scheidet bei den Stiftungen aus. Siehe auch § 22 Ziff. 1 Satz 2 EStG 1955. Es muß deshalb entschieden werden, ob die Beträge auf Grund der Satzung oder einer bürgerlich-rechtlichen Verpflichtung geleistet werden (siehe Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I A 266/30 vom 23. September 1930, RStBl 1930 S. 758; I A 38/32 vom 8. November 1933, RStBl 1934 S. 152).
Die Vorentscheidung hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die zinsfreie Gewährung von Darlehen an die Stiftungsberechtigten zwar im Belieben der Stiftung stehe, steuerlich aber nicht anerkannt werden könne. Wenn die Stiftung Einkünfte, die ihr zustünden und auf die sie Fremden gegenüber nicht verzichten würde, von vornherein den Stiftungsberechtigten überlasse, so liege darin eine steuerpflichtige Verwendung von Einkommen. Die Vorentscheidung berief sich für diese Auffassung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs I 4/43 vom 9. Februar 1943 (RStBl 1943 S. 261, Slg. Bd. 53 S. 32).
Der Senat gibt im Gegensatz hierzu der Auffassung den Vorzug, die in erlassenen oder von vornherein nicht ausbedungenen Zinsen keine Einkünfte sieht, weil der Begriff der Einkünfte bei den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Ziff. 4-7 EStG den Zufluß (ß 11 Abs. 1 EStG) voraussetzt, der in den genannten Fällen fehlt (siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 58/43 vom 27. Mai 1943, RStBl 1943 S. 594). Wie in dieser Entscheidung im einzelnen dargestellt wird, kennt das Einkommensteuerrecht im Gegensatz zum Nutzwert der Wohnung keine Versteuerung des Nutzwertes des Geldkapitals. Im übrigen war in dem Fall I 4/43 insofern eine besondere Sachlage gegeben, als die Nutzungsberechtigten zugleich Kuratoren der Stiftung waren und nach ausdrücklicher Satzungsbestimmung das Kapitalvermögen der Stiftung nach den für Mündelvermögen geltenden Vorschriften anzulegen war. Die Ermäßigung der Zinsen stand also nicht in Einklang mit der Satzung. Im Streitfall ist ein anderer Tatbestand gegeben.
In der Frage der steuerlichen Behandlung der den Stiftungsberechtigten überlassenen Nießbrauchsrechte an einer Grundschuld, einem Grundstück und einer Hypothek ist die Vorentscheidung davon ausgegangen, die Erträge aus den genannten Vermögenswerten gehörten zum Einkommen der Stiftung; die überlassung der Erträge an die Stiftungsberechtigten, vorübergehend oder für immer, sei eine steuerpflichtige Einkommensverwendung. Die Vorentscheidung könnte in diesem Punkt auf das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 27/56 U vom 8. Februar 1957 (BStBl 1957 III S. 207, Slg. Bd. 64 S. 550) verweisen. Dieses Urteil ist zwar zu § 12 Ziff. 2 EStG ergangen, nach dem freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen, auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen, nicht abzugsfähig sind. Es hat im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und unter Ablehnung gegenteiliger Meinungen im Schrifttum angenommen, daß die bürgerlich-rechtlich wirksame unentgeltliche Begründung eines Nießbrauchs zwischen solchen Personen die Anwendung des § 12 Ziff. 2 EStG nicht ausschließe. Es hat ausgeführt, daß zwar nach bürgerlichem Recht der Nießbraucher eigene Einkünfte aus dem Stammrecht ziehe und ihm nicht etwa die einzelnen Nutzungen jeweils vom Besteller des Nießbrauchs übertragen würden. Nach der für das Steuerrecht geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise müßten aber die Einkünfte dem Besteller des Nießbrauchs zugerechnet werden, weil er mit der Bestellung des Nießbrauchs wirtschaftlich im voraus über seine späteren Einkünfte verfüge und es mit § 12 Ziff. 2 EStG nicht vereinbar sei, Zuwendungen an die dort genannten Personen durch die Bestellung eines Nießbrauchs abzugsfähig zu machen.
Der Senat verkennt nicht, daß zwischen dem Fall einer Zuwendung an eine unterhaltsberechtigte Person (ß 12 Ziff. 2 EStG) und dem Fall einer Aufwendung für die Erfüllung eines durch die Satzung einer Stiftung vorgeschriebenen Zwecks (ß 12 Ziff. 1 KStG) ähnlichkeiten bestehen. Er schließt sich aber der Beurteilung der Nießbrauchsübertragung, wie sie dem Urteil VI 27/56 U zugrunde liegt, für die körperschaftsteuerliche Behandlung bei einer Stiftung nicht an. Nach der Satzung der Stiftung und dem darin ausgesprochenen Zweck der Stiftung kann man eine mißbräuchliche Gestaltung in der Einräumung des Nießbrauchs nicht erblicken. Es müssen deshalb die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts, das die Früchte des Nießbrauchs dem Nutzungsberechtigten zuweist, angewendet werden. Die Lage ist hier derjenigen in den Fällen des § 12 Ziff. 2 EStG nicht völlig gleich. Für das Verhältnis der Stiftungen zu den durch die Satzung der Stiftung Begünstigten gilt § 12 Ziff. 2 EStG nicht. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung entscheidende Bedeutung zugemessen (so z. B. Urteile I 141/57 U vom 4. November 1958, BStBl 1959 III S. 50, Slg. Bd. 68 S. 130; I 44/57 U vom 13. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 197, Slg. Bd. 68 S. 515, insbesondere I 32/58 S vom 26. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 322). Es erscheint nicht gerechtfertigt, diese Grundsätze im Rahmen des § 12 Ziff. 1 KStG nicht in gleicher Weise anzuwenden. § 12 Ziff. 1 KStG enthält auch nicht die Einschränkung des § 12 Ziff. 2 EStG "auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen". Es muß deshalb im Streitfall geprüft werden, ob es sich bei den umstrittenen Beträgen um Verwendung von Einkommen der Stiftung handelt. Dies ist zu verneinen, weil der Stiftung selbst aus der Grundschuld, dem Grundstück und der Hypothek nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts (ß 2 Abs. 3 Ziff. 4 bis 7 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 EStG) Einkünfte nicht zugeflossen sind. Aus dem Gesetz ist nicht zu ersehen, daß diese grundlegenden Vorschriften gegenüber der Bestimmung des § 12 Ziff. 1 KStG zurückzutreten hätten. Sieht man die übertragung des Stammrechts als Verwendung künftiger Einkünfte an, so setzt man sich nicht nur mit den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern auch mit den bezeichneten grundlegenden Vorschriften des Einkommensteuerrechts in Widerspruch. Im übrigen wird auf das Urteil VI 64/57 U vom 2. Oktober 1959 (BStBl 1960 III S. 36) hingewiesen, das die einkommensteuerliche Beurteilung von Bezügen aus einer Stiftung auf Grund eines Rechtsanspruchs zum Gegenstand hat.
Hiernach sind die streitigen Nießbrauchserträge und die nicht berechneten Zinsen der Stiftung nicht zuzurechnen. Die Nießbrauchserträge sind bei den Stiftungsberechtigten zu erfassen.
Die Vorentscheidung ist wegen unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts aufzuheben (§§ 296, 288 AO) und die Sache an das Finanzamt zurückzuverweisen, das nach den Rechtsgrundsätzen des Urteils erneut zu entscheiden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 409503 |
BStBl III 1960, 37 |
BFHE 1960, 98 |
BFHE 70, 98 |
BB 1960, 163 |
DB 1960, 225 |