Leitsatz (amtlich)
Das FA konnte bei der Ablehnung der Anpassung der Vorauszahlungen für 1976 davon ausgehen, daß es sowohl dem Sinn und Zweck als auch dem Wortlaut des § 161 AO widersprechen würde, bei zusammenveranlagten Landwirtsehegatten wegen der unentgeltlichen Übertragung des Hofeigentums zwlschen den Ehegatten, durch die sich wirtschaftlich nichts geändert hat, erneut das Vorliegen der Voraussetzungen der Buchführungspflicht in einem neuen Bescheid für diesen selben Steuerpflichtigen (§ 26 b EStG) zu fordern.
Normenkette
EStG §§ 26b, 37 Abs. 3 S. 3; AO § 161
Verfahrensgang
Gründe
Die Revision ist begründet.
II.
1. a) Durch Vorauszahlungsbescheid vom 4. August 1976 hat das FA die Einkommensteuer-Vorauszahlungen des Klägers und seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau für das dritte und vierte Vierteljahr 1976 auf je 1 537 DM und für die vier Quartale 1977 auf je 768 DM festgesetzt. Es ging dabei davon aus, daß das steuerpflichtige Einkommen der Eheleute 1976 und 1977 der Höhe entsprechen werde, die sich entsprechend der Schätzung bei der Einkommensteuerveranlagung 1974 unter Berücksichtigung des bei der Einkommensteuerveranlagung 1975 zugrunde gelegten höheren Hektarertrages ergeben wird. Gegen diesen Vorauszahlungsbescheid bestehen keine rechtlichen Bedenken. Der Kläger hat dagegen auch keinen Einspruch eingelegt. Erst nachdem der landwirtschaftliche Hof am 1. Oktober 1976 in das Alleineigentum der Ehefrau übergegangen war, hat der Kläger wegen der veränderten Eigentumsverhältnisse die Herabsetzung der festgesetzten Vorauszahlungen auf null DM beantragt.
Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß die Voraussetzungen für die beantragte Herabsetzung der Vorauszahlungen im Streitfall vorlegen haben.
Nach § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG 1975 kann das FA bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahres die Vorauszahlungen an die Einkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird. Bei einer beantragten Herabsetzung der Vorauszahlungen sind dabei alle rechtlichen Gesichtspunkte und alle tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die zur Begründung der Herabsetzung glaubhaft gemacht worden sind (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Oktober 1978 I B 3/78, BFHE 126, 37 BStBl II 1979, 46). Die Entscheidung über einen solchen Antrag beschränkt sich also - wie im Aussetzungsverfahren - auf einen nur vorläufig ermittelten Sachverhalt (vgl. BFH-Beschluß vom 27. September 1976 VIII B 69/75, BFHE 120, 217, BStBl II 1977, 33); sie kann die endgültige Entscheidung im Veranlagungsverfahren nicht vorwegnehmen. § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG ist eine Kannvorschrift, die dem vorläufigen Charakter der Vorauszahlungsfestsetzung Rechnung trägt. Ob von ihr im Einzelfall Gebrauch zu machen ist, entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen, d.h. nach Recht und Billigkeit; maßgebend ist dabei also die voraussichtliche Steuerschuld. Einem Antrag auf Herabsetzung hat danach das FA zu entsprechen, wenn ihm die Herabsetzung der Steuer bei Berücksichtigung aller rechtlichen Gesichtspunkte und der bekannten tatsächlichen Umstände zumindest aus beachtlichen Gründen als rechtlich vertretbar erscheinen mußte. Konnte hingegen das FA ernstliche Zweifel haben, ob der vorläufig ermittelte Sachverhalt zu einer Herabsetzung der Steuerschuld führt, so kann in der Ablehnung der beantragten Herabsetzung der Vorauszahlungen keine Ermessensverletzung (§ 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1976 I R 21/74, BFHE 118, 169, BStBl II 1976, 389).
Das FG hatte also bei seiner Entscheidung im Rahmen des § 102 FGO zu prüfen, ob das FA nach der Rechtslage nach pflichtgemäßem Ermessen die Ansicht vertreten konnte, daß gegen die Herabsetzung der Vorauszahlungen allein aufgrund der vorgenommenen Übertragung des landwirtschaftlichen Hofes auf die Ehefrau ernstliche Zweifel bestehen. Geht man von diesen rechtlichen Erwägungen aus, so hat das FG im Streitfall zu Unrecht - entsprechend dem Antrage des Klägers - die Vorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 1976 und für die vier Quartale 1977 auf null DM herabgesetzt.
1. b) Der Kläger und seine Ehefrau wurden antragsgemäß seit vielen Jahren zusammenveranlagt. Sie haben auch in der Einkommensteuererklärung für 1975 vom 11. Oktober 1976 und in der Einkommensteuererklärung für 1976 vom 9. August 1977 die Zusammenveranlagung beantragt. Nach § 26 b EStG werden bei zusammenveranlagten Ehegatten "die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt". Demgemäß richteten sich die Einkommensteuerbescheide und der Vorauszahlungsbescheid vom 4. August 1976 an "Herrn und Frau A.B.". Danach kommt es in der Regel für die Höhe der Vorauszahlungen nach § 37 EStG bei zusammenveranlagten Ehegatten nicht darauf an, welcher der Ehegatten die Einkünfte erzielt hat. Die Frage, ob für die Streitjahre 1976 und 1977 der Kläger oder seine Ehefrau als Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes anzusehen ist, wäre danach an sich für die Höhe der Vorauszahlungen ohne Bedeutung.
Bedeutung gewinnt die Frage erst dadurch, daß der Kläger und das FG meinen, durch den aufgrund der Übertragung des Hofeigentums eingetretenen Unternehmerwechsel seien die Buchführungspflicht untergegangen und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft deshalb nach § 13 a EStG a. F. zu ermitteln, wodurch sich eine Einkommensteuer von null DM ergebe. Gegen die Richtigkeit dieser Meinung konnte das FA aus folgendem Grunde erhebliche Zweifel haben:
Gemäß dem im Jahre 1976 noch geltenden § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c oder e AO waren für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen, dem Ertrag und dem Vermögen Land- und Forstwirte, die nach den bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellungen einen Gesamtumsatz von mehr als 250 000 DM oder ein land- und forstwirtschaftliches Vermögen von mehr als 100 000 DM oder einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 12 000 DM gehabt haben, verpflichtet, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen. Eine entsprechende, aber hinsichtlich des Zeitpunktes genauere Regelung für den Beginn der Buchführungspflicht für Land- und Forstwirte enthielt § 1 Abs. 1 und 4 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (RStBl 1935, 955), deren Weitergeltung durch § 16 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen vom 15. September 1965 - GDL - (BGBl I, 1350, BStBl I, 552) ausdrücklich bestätigt worden war. Danach begann die Buchführungspflicht nach § 161 AO für Land- und Forstwirte mit dem Anfang des für die Gewinnermittlung bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer maßgebenden Wirtschaftsjahres, das auf den Zeitpunkt folgt, an dem erstmalig bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer oder Umsatzsteuer oder bei einer Einheitswertfeststellung oder bei einem Rechtsmittelverfahren, das eine derartige Veranlagung oder Feststellung betrifft, festgestellt worden ist, daß eine der in § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c oder e AO bezeichneten Voraussetzungen vorliegt und diese Feststellung dem Landwirt durch einen Bescheid bekanntgegeben worden ist. Ein solcher Bescheid ging dem Kläger und seiner Ehefrau mit dem Einkommensteuerbescheid für 1972 vom 6. Mai 1974 zu. Dem Bescheid war auch der von der Rechtsprechung nach Treu und Glauben geforderte Hinweis an den Kläger auf den Beginn seiner Buchführungspflicht ab 1. Juli 1974 beigefügt. § 161 AO enthielt - im Gegensatz zu § 141 Abs. 3 AO 1977 - noch keine Bestimmung, daß bei einer Übertragung eines Betriebes im ganzen die Buchführungspflicht auf den Erwerber übergeht.
Wie der erkennende Senat im Urteil in BFHE 125, 1, BStBl II 1978, 477 ausgeführt hat, hatte § 161 AO den Sinn und Zweck, einerseits Unternehmer ab einer bestimmten Betriebsgröße, die nach drei Größenmerkmalen bestimmbar war, zur Buchführung zu verpflichten, andererseits aber zum Schutze des Steuerpflichtigen die Buchführungspflicht erst eintreten zu lassen, wenn das Überschreiten eines solchen Grenzwertes in einem an ihn gerichteten und gegen ihn wirksamen Verwaltungsakt in nachprüfbarer Weise festgestellt worden war. Unter Berufung auf diesen Sinn und Zweck der formellen Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht in § 161 AO ging der Senat in dieser Entscheidung davon aus, daß grundsätzlich beim Übergang eines Betriebes im ganzen von einem Unternehmer auf einen anderen, z. B. im Wege der Betriebsveräußerung oder auch im Wege der Schenkung, mangels einer anders lautenden gesetzlichen Regelung bei dem neuen Unternehmer die Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht nach § 161 AO neu erfüllt sein mußten, wenn die entsprechenden Feststellungen des FA und ihre Bekanntgabe, die zur Buchführungspflicht des bisherigen Unternehmers geführt haben, dem neuen Unternehmer gegenüber nicht mehr wirksam waren und deshalb ihre oben dargelegte Schutzfunktion nicht mehr erfüllen konnten. War die Buchführungspflicht des bisherigen Betriebsinhabers auf eine Feststellung und Bekanntgabe seines Betriebsvermögens oder seines land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gestützt, so wirkte diese Feststellung bzw. deren Bekanntgabe nach § 219 Abs. 2 AO unmittelbar auch gegen den Rechtsnachfolger. Daher ging die auf dem Vermögen beruhende Buchführungspflicht auch nach § 161 AO auf den Rechtsnachfolger über, da in seiner Person die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Buchführungspflicht erfüllt waren. Anders war die Rechtslage in den Fällen, in denen die Buchführungspflicht des bisherigen Betriebsinhabers auf den festgestellten Gewinn oder den festgestellten Umsatz gegründet war. Wenn also die betreffenden Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheide nur gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber Rechtswirkungen hatten, konnten daran für den Betriebsübernehmer keine Rechtsfolgen, auch nicht in Form einer weiterbestehenden Buchführungspflicht, geknüpft werden. Für den Urteilsfall, in dem der buchführungspflichtige Vater seinen landwirtschaftlichen Betrieb in eine zwischen Vater und Sohn gegründete Personengesellschaft eingebracht hatte, kam danach der erkennende Senat zu dem Ergebnis, daß die Wirkung der Verwaltungsakte des FA, die bisher die Buchführungspflicht des Vaters nach dem Gewinn unstreitig begründet haben, nicht außer Kraft gesetzt wurde und daher zum Schutze des neuen Unternehmers die erneute Erfüllung der formellen Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht nicht erforderlich war.
Nach ähnlichen rechtlichen Gesichtspunkten kann auch im Streitfall das Fortbestehen der Wirkung der Verwaltungsakte, die bis zum 1. Oktober 1976 die Buchführungspflicht des Klägers begründet haben, auch nach dem Unternehmerwechsel bejaht werden, ohne daß entschieden zu werden braucht, ob die Ehefrau schon aufgrund einer bis 1. Oktober 1976 bestehenden Mitunternehmerschaft buchführungspflichtig geblieben ist. Da durch den Unternehmerwechsel innerhalb der zusammenveranlagten Ehegatten weder der Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuerrechts, demgegenüber der die Buchführung begründende Einkommensteuerbescheid für 1972 rechtswirksam war, noch die gemeinsame Zurechnung des Gewinns desselben land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und seine Versteuerung durch diesen Steuerpflichtigen eine Änderung erfahren hat, kann man mit guten Gründen die Auffassung vertreten, daß es sowohl dem im Urteil in BFHE 125, 1, BStBl II 1978, 477 dargelegten Sinn und Zweck des § 161 AO als auch seinem Wortlaut widersprechen würde, beim selben Steuerpflichtigen (§ 26 b EStG) wegen der unentgeltlichen Eigentumsübertragung zwischen den Ehegatten, durch die sich unstreitig wirtschaftlich nichts geändert hat, erneut das Vorliegen der Voraussetzungen des § 161 AO in einem Bescheid für diesen Steuerpflichtigen zu fordern. Die gegenteilige Meinung des FG übersieht, daß es nicht der Sinn und Zweck der formellen Voraussetzungen der Buchführungspflicht nach § 161 AO i. V. m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung sein konnte, durch unentgeltliche, die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ändernde Eigentumsübertragungen zwischen zusammenveranlagten Ehegatten, die von der Ertragskraft des Betriebes ausgehende Buchführungspflicht unterbrechen zu können. Wäre es anders, so wäre zu prüfen, ob in einer solchen Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen der Buchführungspflicht nicht ein Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts zu erblicken wäre (§ 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, § 42 AO 1977) mit der Folge, daß die Buchführungspflicht in einem solchen Falle bestehenbliebe.
2. Da die Entscheidung des Rechtsstreits materiellrechtlich davon abhängt, ob die Ehefrau des Klägers als Unternehmerin ab 1. Oktober 1976 als buchführungspflichtig angesehen werden kann und nach Auffassung des FG und des FA auch davon abhängt, ob die Ehefrau vor dem 1. Oktober 1976 als Mitunternehmerin des landwirtschaftlichen Betriebes gelten konnte, stellt sich verfahrensrechtlich die Frage der notwendigen Beiladung der Ehefrau nach § 60 Abs. 3 FGO, die das FG offenbar nicht für erforderlich gehalten hat. Auch der erkennende Senat hält die Beiladung der Ehefrau im vorliegenden Verfahren über die Anpassung der Vorauszahlungen nicht für erforderlich.
Im Anschluß an die Entscheidung des erkennenden Senats vom 10. August 1978 IV B 41/77 (BFHE 125, 356, BStBl II 1978, 584) hat der I. Senat im Beschluß vom 22. Oktober 1980 I S 1/80 (BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99) die Auffassung vertreten, die für die notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO gesetzliche Voraussetzung, daß an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derartig beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, sei nach ihrem Sinn nur auf den endgültigen Rechtsschutz zugeschnitten. Sie gelte nur für Entscheidungen, die einen Rechtsstreit zum Abschluß bringen und damit in materielle Rechtskraft erwachsen können (vgl. § 110 Abs. 1 FGO). Demgegenüber können Beschlüsse über Anträge nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Ein Antrag, der schon einmal vom Gericht abgelehnt wurde, könne - jedenfalls mit veränderter Begründung - noch einmal gestellt werden. In einem so ausgestatteten vorläufigen Verfahren bestehe nicht das Bedürfnis, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.
Diese Ausführungen gelten in gleicher Weise auch für das Verfahren über den Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen; denn auch dabei handelt es sich um ein vorläufiges Verfahren, dessen Entscheidung nicht in materieller Rechtskraft erwächst; vielmehr können derartige Entscheidungen durch erneute Anträge mit anderer Begründung jederzeit geändert oder aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 74155 |
BStBl II 1982, 123 |
BFHE 1981, 319 |