Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum zolltariflichen Begriff ,,Arbeits- und Berufskleidung"

 

Leitsatz (NV)

Zur Arbeits- und Berufskleidung i. S. der Tarifst. 61.01 B I GZT zählen nur solche Kleidungsstücke, die spezielle Eigenschaften aufweisen, die bei allgemein verwendbarer Oberkleidung fehlen. Die Zugehörigkeit zur Arbeits- und Berufskleidung muß eindeutig erkennbar sein. Zweifel im Bereich der tatsächlichen Feststellungen, die gegen die Zugehörigkeit einer Ware zu dieser Art der Kleidung sprechen, stehen einer Zuordnung zur Tarifst. 61.01 B I entgegen.

 

Normenkette

GZT Tarifst. 61.01 B I und 61.01 B V e

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte am 27. August 1986 die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über eine als ,,Arbeits-Cordhose" bezeichnete Ware. Es handelt sich um eine in der Taille abschließende und bis zu den Knöcheln reichende (lange) Hose, die durch Zusammennähen zugeschnittener Teile von einfarbigen Rippensamtgeweben aus 100 % Baumwolle konfektioniert worden ist. Der Vorderverschluß reicht von links nach rechts. Die Hose ist mit zwei eingesetzten Vordertaschen und einer eingesetzten Gesäßtasche mit Knopfverschluß ausgestattet. Die Beinabschlüsse sind durch Umschlagen und Festnähen gesäumt. An den Bund sind Gürtelschlaufen angenäht. Die Taschenöffnungen sind durch zusätzliche Nähte gegen Ausreißen gesichert.

Mit vZTA vom 8. September 1986 Nr. 989/86 wies die Beklagte (Oberfinanzdirektion - OFD -) die Ware der Tarifst. 61.01 B V e 3 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu (,,Oberkleidung für Männer . . . B. andere . . . V. andere . . . e) lange Hosen . . . 3. aus Baumwolle . . ."). Den Einspruch der Klägerin, mit dem diese die zolltarifliche Behandlung der Ware als Arbeitshose begehrte, wies die OFD mit folgender Begründung zurück:

Die Aufgabe von Arbeits- und Berufskleidung liege im wesentlichen in der Gewährung eines (körperlichen und hygienischen) Schutzes der Kleidung und der Person bei einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit (Erläuterungen zum Zolltarif - ErlZT - zur Tarifnr. 61.01 Teil IV Rdnr. 3). Dieser Aufgabe werde die vorliegende Hose nicht gerecht. Auch der Schnitt der zu tarifierenden Ware lasse nicht erkennen, daß sie ausschließlich oder im wesentlichen dazu bestimmt sei, bei der Ausübung von gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten getragen zu werden (vgl. ErlZT zur Tarifnr. 61.01 Teil IV Rdnrn. 7 und 8). Die zolltarifliche Behandlung eines Kleidungsstückes als Arbeits- und Berufskleidung setze eine diesbezügliche eindeutige Erkennbarkeit voraus (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Oktober 1984 VII K 18/84, BFHE 142, 194). Es sei nicht erkennbar, daß die zu tarifierende Ware ausschließlich oder zumindest im wesentlichen dazu bestimmt sei, bei der Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit getragen zu werden. Form, Ausstattung und Verarbeitung der Hose entsprächen den für ,,normale" Hosen üblichen Bedingungen. Der Hinweis der Klägerin auf die einfache Verarbeitung der Hose sei nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu stützen. Auch die Einwände der Klägerin seien nicht stichhaltig, daß die Ware in einer Fabrik konfektioniert worden sei, die nur Arbeitskleidung herstelle, daß sie nicht gebügelt werde, daß sie in Kartons verpackt und nicht hängend transportiert werde und daß sie als Arbeitshose verkauft werde.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin u. a. folgendes geltend:

Die hier zu tarifierenden Waren wiesen eine besondere Schutzfunktion im Gegensatz zu einem Arbeitskittel zwar nicht auf. Das hätten Cordhosen jedoch mit einer Unzahl von Arbeitsbekleidungsstücken gemeinsam, z. B. Zimmermannshosen, Bekleidungsstücke für Kellner, Dienstuniformen. Es handle sich bei den Waren um ausgesprochene Billigartikel. Üblicherweise würden solche Hosen bei Arbeiten getragen, bei denen es zu Verschmutzung oder Beschädigung kommen könne. Für eine solche Tätigkeit sei eine normal gearbeitete Hose zu schade. Außerhalb solcher Arbeiten würden die Hosen üblicherweise nicht getragen, da sie zu grob und zu billig verarbeitet aussähen. Die modischen Cordhosen seien feiner gearbeitet und sähen besser aus. Arbeitskleidung sei nicht lediglich ausgesprochene Schutzbekleidung. Ein Textilfachmann betrachte die Ware schon deshalb als Arbeitskleidung, weil eine solche Ware sich nicht als normale Alltagsbekleidung verkaufen lasse.

An die Erkennbarkeit des eigentlichen Verwendungszwecks dürften keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Für den Textilfachmann sei die Einstufung nicht schwierig, da Material, Schnitt und äußeres Erscheinungsbild der eingeführten Ware nicht geeignet seien, die heutigen modischen Ansprüche des Verbrauchers an seine private Bekleidung zu befriedigen. Es sei auch nicht einzusehen, warum zusätzliche Elemente, z. B. Zollstocktaschen, erforderlich seien, um ein Kleidungsstück als Arbeitsbekleidung einstufen zu können. Denn solche zusätzlichen Merkmale würden nur unnötige Kosten verursachen. Das Motiv für den Käufer einer solchen Ware solle sein, daß eine solche Cordhose zwar zu billig aussehe, als daß man sie privat tragen könne, aber so preiswert sei, daß es nicht schade sei, wenn diese bei der Arbeit verschmutzt oder beschädigt werde. Die zu tarifierende Ware werde in einer Fabrik hergestellt, die nur Arbeitskleidung produziere. Die Ware werde nicht gebügelt im Unterschied zu ,,normalen Hosen". Sie werde auch nicht - wie üblich - hängend transportiert, sondern in Kartons verpackt. Die Ware werde nur als Arbeitshose verkauft.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der vZTA und der Einspruchsentscheidung die OFD zu verurteilen, die in diesen Bescheiden genannte Ware in die ,,Tarifstelle 61.01 B V g/3 Kategorie 76 (Berufskleidung, Arbeitshosen)" einzustufen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die OFD beantragt, die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Wie nach der Art des Vorderverschlusses der zu tarifierenden Cordhose nicht zweifelhaft ist, fällt die Ware als Oberkleidung für Männer in die Tarifnr. 61.01 GZT. Streitig ist nur, ob sie ,,Arbeits- und Berufskleidung" i. S. von Absatz B I ist oder zu den ,,langen Hosen" i. S. von Absatz B V e zählt. Die Auslegung des tariflichen Begriffs ,,Arbeits- und Berufskleidung" führt zum Ergebnis, daß die angefochtenen Bescheide der OFD rechtlich nicht zu beanstanden sind.

Die Systematik der Tarifstellen innerhalb der Tarifnr. 61.01 GZT macht deutlich, daß es sich bei der Regelung in Absatz B I um eine Ausnahmevorschrift handelt. Hier wird eine bestimmte Art von Oberkleidung für Männer im Hinblick auf ihre spezielle Verwendbarkeit herausgehoben aus den übrigen Positionen, in denen die Kleidungsstücke im wesentlichen nach ihrer äußeren Beschaffenheit bezeichnet werden (z. B. ,,Mäntel und Umhänge", ,,lange Hosen", ,,andere Oberkleidung"). Erfüllt eine Ware also den Begriff der ,,Arbeits- und Berufskleidung", so kommt nur die Tarifst. 61.01 B I in Betracht.

Aus diesem Charakter der Regelung der Tarifnr. 61.01 GZT ist zu entnehmen, daß dem Absatz B I nur Waren zuzuweisen sind, deren Zugehörigkeit zur Arbeits- und Berufskleidung eindeutig erkennbar ist, und daß Zweifel im Bereich der tatsächlichen Feststellungen, die gegen die Zugehörigkeit einer Ware zu dieser Art von Kleidung sprechen, einer Zuordnung zur Tarifst. 61.01 B I entgegenstehen (vgl. BFHE 142, 194, 196).

Maßgebend für die Tarifierung einer Ware ist deren objektive Beschaffenheit, nicht aber etwa ihr vorwiegender oder ausschließlicher Verwendungszweck. Eine Ware i. S. der Tarifst. 61.01 B I GZT ist daher nur dann gegeben, wenn sie Beschaffenheitsmerkmale besitzt, wie sie Arbeits- und Berufskleidung aufweist. Dabei müssen, wie im Vorabsatz näher begründet worden ist, diese Merkmale so deutlich auf diesen ausschließlichen oder wenigstens fast ausschließlichen Verwendungszweck hinweisen, daß Zweifel daran nicht entstehen können. Ist eine Ware nach ihren Beschaffenheitsmerkmalen in einem nicht nur ganz geringen Umfang auch zu einer anderen (allgemeinen) Verwendung geeignet, so scheidet eine Tarifierung nach Absatz B I aus.

Danach können nur solche Waren zur Arbeits- und Berufskleidung zählen, die spezielle Eigenschaften aufweisen, die bei allgemein verwendbarer Oberkleidung fehlen, z. B. weil sie mit besonderen Schutzvorrichtungen versehen sind (z. B. Schutzkleidung für Röntgenärzte oder Beschäftigte in Atomkraftwerken) oder einen Schnitt aufweisen, der bei allgemein verwendbarer Kleidung unüblich ist (z. B. Kombinationen, Schutzmäntel), oder im Aussehen Besonderheiten aufweisen (z. B. Kleidung für Schülerlotsen). Solche Beschaffenheitsmerkmale sind bei der zu tarifierenden Ware nicht zu erkennen. Sie gleicht vielmehr einer auch allgemein als lange Hose verwendbaren Cordhose.

Die Einwendungen der Klägerin sind nicht stichhaltig. Die grobe und billige Verarbeitung der Hose und ihr im Vergleich zu modischen Cordhosen schlechteres Aussehen sowie der Umstand, daß die Ware nicht gebügelt ist, vermag für sich allein der Hose nicht die Eigenschaft als Arbeits- oder Berufskleidung zu verleihen. Bei den heutigen Bekleidungsgewohnheiten werden auch ,,billig" aussehende Kleidungsstücke allgemein getragen, d. h. nicht ausschließlich oder auch nur vorwiegend zur Arbeit oder im Beruf. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nicht allein auf die Gewohnheiten in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) abzustellen ist. Der GZT gilt im gesamten Bereich der Europäischen Gemeinschaften (EG) und kann nur einheitlich ausgelegt werden. Es genügt also, wenn auch nur in einem Teil der EG Cordhosen von der Beschaffenheit der zu tarifierenden Ware allgemein getragen werden, um diese Hosen von einer Tarifierung nach der Tarifst. 61.01 B I GZT auszuschließen. Da nur die objektive Beschaffenheit der Ware für die Tarifierung maßgebend ist, ist auch ohne Bedeutung, in welcher Art von Fabrik die Ware hergestellt worden ist und ob sie hängend transportiert wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423950

BFH/NV 1988, 541

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