Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis bei Ausgleich von Gesellschaftsverlusten mit Gesellschaftereinkünften
Leitsatz (NV)
Die Rechtsverletzung, die in einem vorrangigen Ausgleich von Gesellschaftsverlusten mit Sonderbetriebsgewinnen statt mit nichttarifbegünstigten Einkünften des Gesellschafters einer KG liegen könnte, kann nach Vollbeendigung der KG nur der betroffene Gesellschafter geltend machen.
Normenkette
EStG §§ 15a, 16, 34; FGO § 48
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH i.L., ist die ehemalige persönlich haftende Gesellschafterin (ohne Einlage) einer 1992 im Handelsregister gelöschten GmbH & Co. KG. Der Beigeladene S war der einzige Kommanditist. Der Betrieb der KG war bereits 1991 ―dem Streitjahr― eingestellt und abgewickelt, das Anlagevermögen mit einem Verlust von 15 103 DM veräußert worden.
Im Zuge der Abwicklung der KG wurde auch ein Grundstück im Sonderbetriebsvermögen des S veräußert. Der Kaufpreis betrug 836 464 DM, der (Gesamt-)Veräußerungsgewinn der Mitunternehmerschaft (836 464 DM ./. 15 103 DM =) 821 361 DM. Diesen Betrag minderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) um den zum 31. Dezember 1990 festgestellten verrechenbaren Verlust in Höhe von 386 526 DM. Den Saldo von 434 835 DM stellte es als tarifbegünstigten Gewinn des Streitjahres fest.
Der Gewinnfeststellungsbescheid wies darüber hinaus für 1991 einen laufenden Verlust in Höhe von 147 529 DM aus. In der Anlage zu diesem Bescheid stellte das FA den Verlust als ausgleichsfähig, den verrechenbaren Verlust zum 31. Dezember 1991 mit 0 DM fest. Dabei ging es davon aus, dass der laufende Verlust des Streitjahres und der verrechenbare Verlust aus dem Vorjahr deshalb ausgleichsfähig seien, weil S im Streitjahr aus seinem Veräußerungserlös insgesamt 551 970 DM in das Gesellschaftsvermögen eingelegt hatte.
Der Einspruch gegen "die im Feststellungsbescheid 1991 getroffenen Feststellungen" blieb erfolglos. Die Klage "wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen", mit der die Klägerin geltend machte, dass der gesamte Veräußerungsgewinn in Höhe von 821 361 DM nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem ermäßigten Steuersatz unterläge, wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Mit der ―vom FG zugelassenen― Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§§ 15a, 16, 34 EStG).
Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1991 vom 29. September 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 1996 mit der Maßgabe abzuändern, dass der vom Kommanditisten S erzielte Gewinn aus der Veräußerung seines Sonderbetriebsvermögens in vollem Umfang dem ermäßigten Steuersatz nach §§ 16, 34 EStG unterliegt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hätte die Klage als unzulässig verwerfen müssen.
1. a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Feststellung des FA, dass der im Streitjahr 1991 von S erzielte Gewinn aus der Veräußerung des zu seinem Sonderbetriebsvermögen gehörenden Grundstücks nur insoweit mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern sei, als er nicht mit dem verrechenbaren Verlust aus dem Vorjahr ausgeglichen werden könne. Das Verfahren betrifft insoweit einen selbständigen Streitgegenstand im Bereich des Sonderbetriebsvermögens des S (vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544; vom 26. Oktober 1972 I R 229/70, BFHE 107, 265, BStBl II 1973, 121, und ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 40 Rz. 99). Die Rechtsverletzung, die möglicherweise im vorrangigen Ausgleich der Verluste mit dem Sonderbetriebsgewinn und in der Ablehnung des Ausgleichs der Verluste mit nichttarifbegünstigten Einkünften liegen könnte, kann nach Vollbeendigung der KG nur S selbst, nicht aber die hiervon nicht betroffene Klägerin geltend machen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558, unter 2. der Gründe, m.w.N., und ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/ von Groll, a.a.O., § 40 Rz. 102). Von der Vollbeendigung der KG ist nach deren Abwicklung und Löschung im Handelsregister auszugehen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, unter 3. der Gründe und ebenfalls ständige Rechtsprechung).
b) An diesem Ergebnis ändert sich durch die Neufassung des § 48 FGO nichts. Die Vorschrift gilt für den Streitfall noch nicht (zum zeitlichen Geltungsbereich vgl. BFH-Beschluss vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426). Der angefochtene Feststellungsbescheid ist noch vor dem 31. Dezember 1995 wirksam geworden.
2. Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den in der Anlage ESt 1, 2, 3 B (V) zum Gewinnfeststellungsbescheid getroffenen zusätzlichen Feststellungen.
a) Die Klägerin hat zwar nur "gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen" Klage erhoben, und das FG hat entsprechend dem Wortlaut seines Rubrums auch nur in diesem Verfahren entschieden. Die vorrangige Frage, ob und in welcher Höhe ausgleichsfähige oder verrechenbare Verluste vorliegen, ist aber im Verfahren zur Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG zu klären. Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens könnte deshalb bei der gebotenen Auslegung des Klageantrags auch diese Feststellung sein (zum sachlichen Geltungsbereich dieses Feststellungsverfahrens vgl. u.a. BFH-Urteile vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, unter I. der Gründe; vom 11. November 1997 VIII R 39/94, BFH/NV 1998, 1078, unter II. der Gründe). Im Streitfall ist davon jedoch nicht auszugehen. Die Frage, ob sich der verrechenbare Verlust zum 31. Dezember 1990 und der ―das negative Kapitalkonto des S erhöhende― laufende Verlust 1991 durch die Einlagen des S während des Streitjahres in ausgleichsfähige Verluste gewandelt haben (vgl. dazu u.a. BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 1078 a.E.), ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
b) Die in der Ablehnung der Ausgleichsfähigkeit der Verluste mit nichttarifbegünstigten Einkünften liegende Beschwer konnte zudem nur S geltend machen. Im Verfahren der Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG geht es nur um die Interessen der betroffenen beschränkt haftenden Gesellschafter (BFH-Urteile in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, unter II. der Gründe, und vom 28. Mai 1997 VIII R 1/97, BFH/NV 1997, 874).
Das Urteil des Senats vom 3. Juni 1993 VIII R 15/92 (BFH/NV 1994, 183) ändert an diesem Ergebnis nichts. Anders als in dem dort entschiedenen Fall ist hier die Auflösung des negativen Kapitalkontos des S und ein daraus resultierender "Wegfallgewinn" nicht streitig. Die Entscheidung im Streitfall hat keine Auswirkung auf das steuerrechtliche Ergebnis der Klägerin.
Fundstellen
Haufe-Index 425182 |
BFH/NV 2000, 977 |