Leitsatz (amtlich)
Ein Tauschvertrag mit einer Stadtgemeinde dient bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen dann der Vermeidung der Umlegung, wenn bereits ein verbindlicher Bebauungsplan vorliegt, aus dem sich die Notwendigkeit einer Grundstücksumlegung ergibt. Offen bleibt, ob und unter welchen Umständen von dem Vorliegen eines verbindlichen Bebauungsplanes abgesehen werden kann.
Normenkette
GrEStBauG Niedersachsen § 1 Abs. 1 Nr. 5; Niedersächsische Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 5. April 1963 § 1; Niedersächsische Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 5. April 1963 § 5
Tatbestand
Der Kläger und die Stadt A schlossen 1968 einen Vertrag, ausweislich dessen sich der Kläger verpflichtete, ein ihm gehörendes Grundstück an die Stadt A zu übertragen, und die Stadt A sich verpflichtete, dem Kläger ihr gehörende Grundstücke zu übereignen. Die Differenz war von der Stadt A in bar zu entrichten.
Das beklagte FA setzte wegen des Grundstückserwerbes durch den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Der Kläger hat mit seinem erfolglosen Einspruch und seiner im wesentlichen erfolglosen Klage Steuerfreiheit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 11 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 29. Oktober 1962 (GVBl 1962, 217) - GrEStBauG - geltend gemacht.
Entscheidungsgründe
Seine Revision ist unbegründet.
Nach dem festgestellten Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 FGO) ist weder aufgrund der Nr. 5 noch der Nr. 11 des § 1 Abs. 1 GrEStBauG Steuerfreiheit gegeben.
§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStBauG setzt nach der hier allein einschlägigen zweiten Alternative voraus, daß der Erwerb des Grundstücks durch den Kläger "zur Vermeidung einer Umlegung" erfolgt ist. Diese Voraussetzung wäre nur dann erfüllt, wenn durch den Vertrag vom 1. August 1968 die Umlegung des vom Kläger an die Stadt A hingegebenen Grundstücks vermieden worden wäre und der Erwerb des eingetauschten Grundstücks als Teil des die Umlegung vermeidenden Geschäftes hätte angesehen werden können. Dies ist nicht der Fall.
Das Niedersächsische Gesetz über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 29. Oktober 1962 enthält zwar keine ausdrückliche Definition des Begriffes "zur Vermeidung einer Umlegung". Daraus aber, daß dieser Begriff in § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStBauG im engen Zusammenhang mit dem Begriff "in Durchführung einer Umlegung" verwendet wird, ist für den vorliegenden Fall zu folgern, daß ein Erwerb nur dann der Vermeidung der Umlegung dient, wenn der Austauschvorgang, zu dem der fragliche Erwerb gehört, Gegenstand eines Umlegungsverfahrens hätte sein können (vgl. das Urteil vom 17. Juli 1974 II R 18/67, BFHE 113, 389, BStBl II 1975, 19) und wenn ohne den freiwilligen Austausch ein Umlegungsverfahren durchgeführt worden wäre. Mag im vorliegenden Fall die erstgenannte Voraussetzung gegeben sein (vgl. § 59 Abs. 3 des Bundesbaugesetzes - BBauG -), so fehlt es jedenfalls an der Erfüllung der zweitgenannten Voraussetzung.
Es besteht keinerlei Anhalt, daß eine Umlegung erfolgt wäre, wenn der Kläger sich nicht bereit gefunden hätte, sein Grundstück zu tauschen. Ein verbindlicher Bebauungsplan, aus dem sich die Notwendigkeit der Durchführung eines Umlegungsverfahrens hätte ergeben können (vgl. § 45 Abs. 1 BBauG) lag nicht vor. Ohne einen verbindlichen Bebauungsplan läßt sich nicht beurteilen, ob zur Durchführung dieses Planes zwecks Erschließung oder Neugestaltung bestimmter Gebiete eine Umlegung erforderlich wird, damit nach Lage, Form und Größe zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen. Unter diesen Umständen konnte der Tauschvertrag nicht der Vermeidung einer sonst erforderlichen Umlegung dienen.
Diese Auffassung des Senats stimmt mit § 1 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 5. April 1963 (GVBl 227, BStBl II 75) überein; sie bestimmt, der Grundstückserwerber habe zum Nachweis, daß ein Rechtsgeschäft der Vermeidung der Umlegung gedient habe, eine Bestätigung der Gemeinde vorzulegen, aus der sich ergeben müsse, daß das Rechtsgeschäft einem Bebauungsplan entspreche und der notwendigen Neuordnung von Grundstücken im Geltungsbereich dieses Bebauungsplanes diene.
Ob ggf. von dem Erfordernis eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes abgesehen werden könnte, mag hier dahinstehen. Der Niedersächsische Minister der Finanzen hat es zur Aussetzung der Steuerfestsetzung genügen lassen, daß bereits ein einschlägiger Bebauungsplanentwurf öffentlich ausgelegt worden ist, der erst später verbindlich wird (§ 5 der genannten Verordnung). Jedenfalls kann ein Tauschvertrag dann nicht der Vermeidung der Umlegung dienen, wenn überhaupt keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, daß ein Umlegungsverfahren erforderlich werden könnte. Im vorliegenden Fall ergibt weder der vom Finanzgericht wiedergegebene Vortrag des Klägers noch das vom Finanzgericht in Bezug genommene Schreiben der Stadt A vom 19. April 1973, daß für das Gebiet, in dem das Grundstück des Klägers belegen war, ein Umlegungsverfahren hätte erforderlich werden können, um nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen zu lassen.
Auch die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBauG entfällt. Eine Entschädigung des Klägers in Land im Sinne dieser Vorschrift kann nur dann vorliegen, wenn der Entschädigte gemäß § 40 Abs. 2 BBauG die Übernahme von Flächen verlangen konnte und verlangt hat (vgl. das Urteil des Senats vom 28. April 1970 II 121 - 122/65, BFHE 99, 406, BStBl II 1970, 671). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Die Übernahme von Flächen gemäß § 40 Abs. 2 BBauG kann nur dann verlangt werden, wenn es dem Betroffenen mit Rücksicht auf die Festsetzung oder Durchführung des Bebauungsplanes nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder zu nutzen, oder ihm wegen des in einem Bebauungsplan enthaltenen Verbots, bestimmte wertsteigernde Änderungen vorzunehmen, die bisherige Nutzung bestehender baulicher Anlagen nicht mehr möglich ist. Der Beschluß der Stadt A, einen Bebauungsplan aufzustellen, erfüllt jedoch noch nicht die in § 40 Abs. 2 BBauG geforderten Voraussetzungen.
Wenn die Stadt A in ihrem Schreiben vom 19. April 1973 an das Niedersächsische Finanzgericht ausgeführt hat, daß die Stadt zur Durchsetzung ihrer Planungsziele ein Enteignungsverfahren hätte einleiten müssen, falls der Kläger nicht freiwillig zu dem Tausch bereit gewesen wäre, so betrifft die Äußerung nicht den § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBauG, sondern dessen Nr. 10. Für die entsprechende bayerische Vorschrift hat der erkennende Senat jedoch bereits mit Urteil vom 1. Juli 1975 II R 21/66 (BFHE 116, 410, BStBl II 1975, 835), ausgesprochen, daß ein zur Vermeidung einer Enteignung geschlossener Grundstückstauschvertrag nicht unter diese Vorschrift fällt. Das Bundesverfassungsgericht hat eine gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976 S. 217). Auch für die Fälle des § 1 Abs. 1 Nr. 10 des Niedersächsischen GrESt-BauG kommt eine Ausdehnung der Vorschrift auf Fälle einer später möglichen Enteignung nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 72310 |
BStBl II 1977, 487 |
BFHE 1977, 547 |