Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfte aus der Tätigkeit eines Zwangsverwalters
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einkünfte aus der Tätigkeit als Zwangsverwalter i.S. der §§ 146 ff. ZVG fallen nicht unter § 18 Abs.1
Nr.1 EStG, sondern in der Regel unter § 18 Abs.1 Nr.3 EStG.
2. Die Tätigkeit des Zwangsverwalters ist eine einheitlich gewerbliche, wenn er zur Erfüllung seiner Aufgaben gewerblich tätige Verwaltungsgesellschaften als Erfüllungsgehilfen einschaltet.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3; ZVG §§ 146, § 146
Verfahrensgang
Tatbestand
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übte seit 1962 die Tätigkeit eines hauptberuflichen Zwangsverwalters aus. Er verwaltete Grundstücke im Wege der Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der §§ 146 ff. des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG), soweit die zuständigen Amtsgerichte entsprechende Beschlagnahmebeschlüsse erlassen und ihn zum Zwangsverwalter bestellt hatten. In den Streitjahren 1974 bis 1976 wurde der Kläger zum Zwangsverwalter verschiedener Großobjekte bestellt. Bei seiner Arbeit half ihm seine Ehefrau. Außerdem beschäftigte er nach eigenen Angaben in 1974 vorübergehend eine Buchhalterin. Schließlich übertrug er seinem heutigen Prozeßbevollmächtigten Aufgaben im Rahmen der Zwangsverwaltungen, die dieser als Erfüllungsgehilfe des Klägers von der eigenen Praxis aus erledigte.
Am 15.September bzw. am 1.Dezember 1975 schloß der Kläger Verträge mit zwei Verwaltungsgesellschaften, denen zufolge die Verwaltungsgesellschaften alle mit der Hausverwaltung der Großobjekte in Zusammenhang stehende Aufgaben als Erfüllungsgehilfen des Klägers zu übernehmen versprachen. Die Verwaltungsgesellschaften erhielten dafür vom Kläger eine im einzelnen vereinbarte Vergütung.
Als Folge einer Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Einkünfte des Klägers aus Zwangsverwaltertätigkeit als gewerbliche und erließ Gewerbesteuermeßbescheide 1974 bis 1976. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 146 abgedruckt.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, die Vorentscheidung und die Gewerbesteuerbescheide 1974 bis 1976 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat ist aufgrund der Revisionsbegründung davon ausgegangen, daß die Revision sich gegen das Urteil des FG insoweit richtet, als dieses die Klage betreffend die Gewerbesteuermeßbescheide 1974 bis 1976 abweist.
Die Revision ist nur teilweise begründet. Das FG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen, als diese den Gewerbesteuermeßbescheid 1976 betrifft. Dagegen tragen die in tatsächlicher Hinsicht vom FG getroffenen
Feststellungen dessen Entscheidung nicht, soweit sie sich auf die Gewerbesteuermeßbescheide 1974 und 1975 bezieht.
1. Dem FG ist darin beizupflichten, daß die Einkünfte aus der Tätigkeit als Zwangsverwalter i.S. der §§ 146 ff. ZVG nicht unter § 18 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fallen. Der Zwangsverwalter ist als Beruf in dem Katalog des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG nicht erwähnt. Die Tätigkeit ist auch nicht der eines Katalogberufes ähnlich. Dazu nimmt der Senat auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12.Mai 1960 IV 156/58 U, BFHE 71, 213,BStBl III 1960, 329; vom 29.März 1961 IV 404/60 U, BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306; vom 5.Juli 1973 IV R 127/69, BFHE 110, 40, BStBl II 1973, 730; vom 7.Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; vom 18.Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118; vom 18.Juni 1980 I R 113/78, BFHE 132, 20, BStBl II 1981, 121, und vom 31.Juli 1980 I R 66/78, BFHE 132, 22, BStBl II 1981, 121). Diese hat den Begriff des ähnlichen Berufes stets eng ausgelegt und seine Vergleichbarkeit mit einem der in § 18 Abs.1 Nr.1 EStG ausdrücklich aufgezählten Berufe in den wesentlichen Merkmalen verlangt. Zu den wesentlichen Merkmalen hat sie auch eine ggf. zwingend vorgeschriebene Berufsausbildung gezählt. Die Rechtsprechung hat es andererseits abgelehnt, aus dem Katalog der in § 18 Abs.1 Nr.1 EStG aufgezählten freien Berufe gemeinsame Tatbestandsvoraussetzungen abzuleiten und an diesen die ähnlichen Berufe zu messen. Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Danach scheidet eine Vergleichbarkeit des Zwangsverwalters mit den Katalogberufen des Rechtsanwalts, Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers schon wegen der unterschiedlichen Ausbildungsgänge aus. Die Tätigkeit als Zwangsverwalter erfordert weder eine wissenschaftliche Vorbildung noch ist sie in ihrem Inhalt eine wissenschaftliche. Der Zwangsverwalter wird auch nicht nach Art eines beratenden Volks- oder Betriebswirts tätig. Seine Tätigkeit mag Kenntnisse in allgemeinen Fragen des Liegenschaftsrechts, des Mietrechts, des Zwangsvollstreckungsrechts und des Steuerrechts voraussetzen.
Sie ist jedoch ihrem Schwerpunkt nach vermögensverwaltender und nicht beratender Art. Das Steuerrecht ordnet die vermögensverwaltende Tätigkeit in § 18 Abs.1 Nr.3 EStG der sonstigen selbständigen Arbeit zu (vgl. für den ähnlich gelagerten Fall des Konkurs- und Vergleichsverwalters BFHE 110, 40, BStBl II 1973, 730).
2. Abweichend von § 18 Abs.1 Nr.3 EStG ist allerdings die Tätigkeit eines berufsmäßigen Zwangsverwalters als eine gewerbliche zu behandeln, wenn sie den Rahmen einer selbständigen Arbeit überschreitet und die Voraussetzungen der §§ 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) erfüllt. Die Abgrenzung zwischen der sonstigen selbständigen Arbeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.3 EStG und einer gewerblichen Tätigkeit ist von der Zielsetzung des § 18 Abs.1 EStG her vorzunehmen. Die Bestimmung will die selbständige Arbeit steuerrechtlich begünstigen (vgl. BFH-Urteil vom 25.November 1975 VIII R 116/74, BFHE 117, 247, BStBl II 1976, 155).
Deshalb ist als gewerbliche Tätigkeit eine solche zu behandeln, die nicht mehr die Wesensmerkmale des § 18 Abs.1 EStG erfüllt. Zu den Wesensmerkmalen der selbständigen Arbeit gehört, daß sie in ihrem Kernbereich auf der eigenen persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs ―RFH― vom 8.März 1939 VI 568/38, RFHE 46, 258, RStBl 1939, 577). Nimmt die Tätigkeit einen Umfang an, der die ständige Beschäftigung mehrerer Angestellter oder aber die Einschaltung von Subunternehmern erforderlich macht, und werden den genannten Personen nicht nur untergeordnete, insbesondere vorbereitende oder mechanische Aufgaben übertragen, so beruht sie nicht mehr im wesentlichen auf der persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers und ist deshalb steuerrechtlich als eine gewerbliche zu qualifizieren. Aber auch dann, wenn nur Hilfskräfte beschäftigt werden, die ausschließlich untergeordnete Arbeiten erledigen, kann deren Umfang im Einzelfall den gewerblichen Charakter der Tätigkeit begründen (vgl. BFH-Urteil vom 25.November 1970 I R 123/69, BFHE 101, 215, BStBl II 1971, 239).
Wann diese Voraussetzungen vorliegen, kann nur im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse entschieden werden.
3. Das FG hat diese Grundsätze zwar nicht verkannt. Es hat aber für die Zeit bis zur erstmaligen Einschaltung einer Verwaltungsgesellschaft in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die eine abschließende steuerrechtliche Beurteilung der klägerischen Tätigkeit erlauben würden. (Wird ausgeführt.)
Soweit die angefochtene Entscheidung die Zeit ab der in 1975 erstmalig erfolgten Einschaltung einer Verwaltungsgesellschaft betrifft, ist das FG ohne Rechtsverstoß von einer gewerblichen Zwangsverwaltertätigkeit des Klägers ausgegangen. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des FG nahmen die Verwaltungsgesellschaften mit dem Abschluß und der Kündigung von Miet- und Pachtverträgen, mit der Überwachung des Eingangs der Miet- und Pachtzinsen sowie mit der Besorgung sämtlicher Instandhaltungsarbeiten keine untergeordneten, mechanischen, sondern wesentliche Aufgaben aus dem Bereich der Zwangsverwaltung wahr. Gemäß § 152 ZVG besteht das Wesen der Zwangsverwaltung in der Übertragung der Verwaltungs- und Nutzungsbefugnisse über das zwangsverwaltete Grundstück auf den Zwangsverwalter. Die Ausübung dieser Befugnisse gehört deshalb zu den wesentlichen Aufgaben eines Zwangsverwalters. Sie umfassen gemäß §§ 5 bis 7 der Verordnung über die Geschäftsführung des Zwangsverwalters vom 16.Februar 1970 ―VO vom 16.Februar 1970― (BGBl I 1970, 185) das Recht des Zwangsverwalters, Miet- und Pachtverträge abzuschließen und zu kündigen.
Die Übertragung der Hausverwaltung auf die Verwaltungsgesellschaften schließt es aus, die Zwangsverwaltungstätigkeit insgesamt noch als eine solche anzusehen, die auf der persönlichen Arbeitskraft des Klägers beruhte. Die beauftragten Verwaltungsgesellschaften setzten nach den vom FG zu den Verträgen vom 15.September und 1.Dezember 1975 getroffenen Feststellungen in bezug auf die Häuserverwaltungen ihre eigenen Fachkenntnisse anstelle der des Klägers ein. Sie arbeiteten nicht dem Kläger zu, sondern wurden im Innenverhältnis eigen- und alleinverantwortlich tätig. Zwischen dem Kläger und den Verwaltungsgesellschaften bestand keine für die Tätigkeit einer Hilfskraft typische Weisungsgebundenheit, sondern nur ein allgemeines Auftragsverhältnis, aufgrund dessen die Verwaltungsgesellschaften als Subunternehmer des Klägers auftraten. Vor allem wurden dieVerwaltungsgesellschaften ihrerseits als Kapital- bzw. als Personenhandelsgesellschaft tätig. Ihre Tätigkeit war deshalb kraft Rechtsform eine gewerbliche (§ 2 Abs.2 Nr.2 GewStG) bzw. es ist die Gewerblichkeit aufgrund des Auftretens als Handelsgesellschaft zu vermuten (§ 2 Abs.2 Nr.1 GewStG). Gerade deshalb kann sie in bezug auf die Person des Klägers steuerrechtlich gesehen keine andere sein. Die Tätigkeit derVerwaltungsgesellschaften bedeutete unmittelbar die Erfüllung von Verpflichtungen des Klägers als Zwangsverwalter. Entsprechend muß der Kläger sich die Tätigkeiten so zurechnen lassen, wie sie steuerrechtlich bei den Verwaltungsgesellschaften anzusetzen sind.
Zu Unrecht verweist der Kläger auf § 1 der VO vom 16.Februar 1970. Dessen Abs.2 Satz 4 wird von den zuständigen Amtsgerichten offenbar dahin ausgelegt, daß einem Zwangsverwalter die Einschaltung von Erfüllungsgehilfen grundsätzlich erlaubt ist, wenn der Umfang der Zwangsverwaltung dies zweckmäßig erscheinen läßt. Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob diese weite Auslegung von ihm geteilt wird. Im Streitfall sind nur die sich aus dieser weiten Auslegung ergebenden steuerlichen Konsequenzen zu beurteilen. Insoweit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß das Heranziehen von Hilfskräften zu unselbständigen Tätigkeiten i.S. von § 1 Abs.2 Satz 4 der VO vom 16.Februar 1970 steuerlich gesehen als selbständige Arbeit verstanden werden müsse. Dies ist schon unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht möglich, weil § 18 Abs.1 Nr.3 EStG einheitlich für alle Vermögensverwaltungstätigkeiten gilt und kein Sonderrecht für Zwangsverwalter schafft. Das Steuerrecht hat deshalb nach seinen eigenen, aus der Auslegung des § 18 Abs.1 Nr.3 EStG sich ergebenden Kriterien zu bestimmen, wann eine Tätigkeit noch auf der persönlichen Arbeitskraft des Zwangsverwalters beruht. Wenn es dabei ―wie ausgeführt― zu dem Ergebnis kommt, daß der allein- und eigenverantwortliche Einsatz von Erfüllungsgehilfen Einkünfte aus Gewerbebetrieb begründet, so steht diese Beurteilung nicht notwendigerweise in Widerspruch zu der Auslegung des § 1 Abs.2 der VO vom 16.Februar 1970 durch die zuständigen Amtsgerichte.
Das FG hat auch zutreffend die Zwangsverwaltertätigkeit des Klägers steuerlich als eine einheitliche beurteilt. Eine einheitliche Beurteilung ist dann geboten, wenn eine Trennung nach der Verkehrsauffassung nicht ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 15.Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291, und vom 16.November 1978 IV R 191/74, BFHE 126, 220, BStBl II 1979, 246). Zwischen den auf die Verwaltungsgesellschaften übertragenen Hausverwaltungen und den übrigen Zwangsverwaltungstätigkeiten des Klägers bestehen aber schon aufgrund der §§ 146 ff. ZVG enge sachliche und wirtschaftliche Verbindungen. Die Tätigkeiten bedingen sich gegenseitig, weil gemäß § 1 Abs.2 Satz 1 der VO vom 16.Februar 1970 der Zwangsverwalter die Zwangsverwaltung nicht mit Wirkung im Außenverhältnis auf einen anderen übertragen darf. Der Kläger konnte deshalb die mit der Zwangsverwaltung verbundenen Aufgaben nur entweder einheitlich übernehmen oder seine Bestellung zum Zwangsverwalter ablehnen. Für die genannten Tätigkeiten erhielt er auch eine einheitlich festzusetzende Vergütung. So gesehen waren auch die Hausverwaltungen Ausfluß aus der Zwangsverwaltertätigkeit.
Fundstellen
Haufe-Index 75116 |
BStBl II 1984, 823 |
BFHE 1985, 505 |