Leitsatz (amtlich)
Ist der Nutzungswert einer Wohnung dem unentgeltlich Nutzenden nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen, so kann dieser von dem anzusetzenden Rohmietwert die Aufwendungen abziehen, die mit der Nutzung objektiv in Zusammenhang stehen und die er subjektiv zur Förderung der Selbstnutzung macht. Das trifft auch für den vom Nutzenden getragenen Modernisierungsaufwand zu, für den die erhöhten Absetzungen nach § 82 a EStDV geltend gemacht werden können.
Normenkette
EStG 1975 § 7 Abs. 1, § 12 Nr. 2, § 21 Abs. 2 Alt. 2, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q; EStDV 1975 § 82a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Die Klägerin ist Nacherbin nach ihrer Tante, der ein Mietwohngrundstück gehört. Die Kläger bewohnen im Erdgeschoß dieses Mietshauses eine Wohnung, die ihnen von der Tante im Hinblick auf die Nacherbschaft der Klägerin unentgeltlich zur dauernden Nutzung überlassen wurde. Die Eigentümerin bewohnt eine andere Wohnung in demselben Haus. Im Streitjahr 1975 ließen die Kläger mit Zustimmung der Tante an dem von ihnen bewohnten Teil des vor dem Jahre 1800 errichteten Gebäudes Baumaßnahmen mit einem Gesamtaufwand von 45 213,62 DM durchführen. Es wurden ein Wohnungsabschluß mit Vorraum, Kochraum mit Entlüftung, neuzeitliche sanitäre Anlagen, ein Bad, elektrische Brennstellenanschlüsse und eine Heizung mit Warmwasseranlage eingerichtet sowie Fenster und Türen umgebaut.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1975 erklärten die Kläger eine Miete der selbstgenutzten Wohnung in Höhe von 143 DM und machten als Werbungskosten außer Schuldzinsen (86 DM) und Geldbeschaffungskosten (302 DM) erhöhte Absetzungen nach § 82 a-der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von 4 521 DM geltend, so daß sich insoweit ein Werbungskostenüberschuß ergab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Ansatz von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab, weil die Kläger nicht wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 178 veröffentlichten Urteil im wesentlichen statt.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der § 7 Abs. 1, § 12 Nr. 2 und § 21 Abs. 2 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die letztgenannte Vorschrift komme schon wegen des Vorrangs von § 12 Nr. 2 EStG nicht zur Anwendung. Hilfsweise macht das FA geltend, daß nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG dem Nutzenden nur der Nutzungswert der ihm unentgeltlich überlassenen Wohnung zuzurechnen sei. Die unentgeltliche Überlassung könne sich nur auf den Zustand der Wohnung beziehen, in dem sie überlassen worden sei. Aufwendige Schönheitsreparaturen, geschmackvolle Einrichtung der Nebenräume, wertvoller Fußbodenbelag und ähnliches, was ein Wohnungsmieter in einer gemieteten Wohnung aus privatem Grund anbringen lasse, sei auch dann, wenn es mit Zustimmung des Vermieters erfolge und objektiv geeignet sei, den Mietwert zu erhöhen, kein Anlaß, für die Wohnung eine höhere Miete zu begehren als mietvertraglich vereinbart. Deshalb könnten auch Werbungskosten, die mit einem solchen werterhöhenden Ausbau zusammenhingen, nicht abgezogen werden. Mit dieser Auffassung stimme das urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Oktober 1976 VIII R 65/73 (BFHE 120, 234, BStBl II 1977, 72 ), wonach der Nießbraucher größeren Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand nicht als Werbungskosten absetzen könne, jedenfalls im Ergebnis überein. Außerdem habe der BFH in seinen Grundsatzurteilen über Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf Nutzungsrechte im Bereich der Gewinneinkünfte dies wesentlich mit dem Bilanzzusammenhang begründet, der nur für Gewinneinkünfte Grundlage der Einkunftsermittlung sei. Im übrigen fehle eine Ermittlung des Werts der unentgeltlich überlassenen Wohnung in dem Urteil des FG.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene FG-Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der Senat tritt der Rechtsauffassung des FG im wesentlichen bei. Nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung. Von einer unentgeltlichen Überlassung ist hier auszugehen, da sich weder aus dem FG-Urteil noch aus dem Revisionsvorbringen Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß die Kläger den Modernisierungsaufwand als Entgelt für die Wohnungsüberlassung erbracht haben könnten. Eine "Überlassung" i. S. des § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG liegt nach den Urteilen des BFH vom 29. November 1983 VIII R 215/79 (BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366) und VIII R 184/83 (BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371 ), denen sich der Senat angeschlossen hat, vor, wenn der Nutzende eine gesicherte Rechtsposition innehat; hierfür genügt ein schuldrechtliches Nutzungsrecht. Das FG hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unangefochten eine gesicherte Rechtsposition der Kläger angenommen, weil ihnen die Wohnung im Hinblick auf die Nacherbschaft der Klägerin von der Vorerbin auf Dauer überlassen wurde.
Als Nutzungswert sind von den Klägern nicht nur gedachte Mieteinnahmen anzusetzen, sondern auch die Werbungskosten. Daß sich der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG aus dem Vergleich der fiktiven Miete (Bruttonutzungswert) mit den hierdurch veranlaßten Werbungskosten ergibt, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1977 VIII R 20/75, BFHE 123, 347, BStBl II 1977, 860 , 861, m. w. N.) und - soweit ersichtlich - einhellige Meinung. Bei unentgeltlicher Überlassung der Wohnung i. S. der Alternative 2 des § 21 Abs. 2 EStG ist der Begriff des Nutzungswerts nicht anders zu verstehen. Dies bedeutet, daß der Nutzungswert so zu ermitteln ist, wie dies beim Eigentümer zu geschehen hätte, falls dieser die Wohnung selbst nutzte. Von dieser Auffassung ist der BFH bereits in dem Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 141/77 (BFHE 134, 409, 411, letzter Absatz, BStBl II 1982, 454 , 455, rechte Spalte, vorletzter Absatz) ausgegangen. Der gleichen Ansicht ist die herrschende Meinung im Schrifttum (vgl. Giloy, Der Nutzungswert der eigenen Wohnung, Schriftenreihe des Instituts für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen e. V., Bd. 33, 1980, 31; Jakob, Steuern vom Einkommen I, 1980, 261; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 21 Rdnr. 52; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 21 Anm. 5 d, und Tiedtke, Einkommensteuerund Bilanzsteuerrecht 1983, 94). Der abweichenden Auffassung von Stadie (Die persönliche Zurechnung von Einkünften, 1983, 66) sowie der Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (HFR) 1984, 275, 276 zum Urteil in BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371 , die damit begründet wird, daß nach der Alternative 2 des § 21 Abs. 2 EStG nur ersparte Mietaufwendungen besteuert würden, kann nicht gefolgt werden. Denn weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten oder legen es nahe, den Begriff des Nutzungswerts unterschiedlich auszulegen, je nachdem, welche der beiden Alternativen des § 21 Abs. 2 EStG gegeben ist.
Hiernach ist den Klägern einerseits der Mietwert der durch sie genutzten Wohnung zuzurechnen, sie können aber auch andererseits Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Nutzung als Werbungskosten geltend machen. Mit der neueren Rechtsprechung des BFH sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlaßten Aufwendungen (vgl. die Urteile vom 25. Juli 1972 VIII R 56/68, BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880 , und vom 22. April 1980 VIII R 149/75, BFHE 130, 391, 397, BStBl II 1980, 441 , 444). Durch die Einkunftsart der Vermietung und Verpachtung veranlaßt sind - in Anlehnung an die Urteile des BFH vom 19. März 1982. VI R 25/80 (BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442 ) und vom 1. Oktober 1982 VI R 192/79 (BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17 ) zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sowie vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76 (BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37 ) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen - die Aufwendungen, bei denen objektiv ein Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 EStG oder Selbstnutzung gemäß § 21 Abs. 2 EStG besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung oder Selbstnutzung gemacht werden.
Zu den Werbungskosten zählen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch AfA. Nach der neueren BFH-Rechtsprechung kann grundsätzlich AfA geltend machen, wer den Tatbestand der Vermietung gemäß § 21 Abs. 1 EStG oder der Wohnungsnutzung i. S. des § 21 Abs. 2 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts getragen hat. Die AfA-Befugnis hängt nicht vom bürgerlich-rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum am Gebäude ab (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380 ).
Den Klägern stehen entgegen der Auffassung des FA auch die erhöhten Absetzungen gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG 1975 i. V. m. § 82 a EStDV zu. Herstellungskosten i. S. des § 82 a EStDV können auch dann anfallen, wenn sie von einem Nießbraucher oder - wie hier - obligatorisch Nutzungsberechtigten getragen werden.
Allerdings geht § 82 a EStDV davon aus, daß "der Steuerpflichtige" die erhöhten Absetzungen "neben den Absetzungen für Abnutzung für das Gebäude" in Anspruch nehmen kann und nach Ablauf des zehnjährigen Begünstigungszeitraums ein noch vorhandener Restwert den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes oder dem an deren Stelle tretenden Wert hinzuzurechnen ist. Die Anknüpfung der AfA-Befugnis an das wirtschaftliche Eigentum am Gebäude ist indessen durch die neuere Rechtsprechung - wie bereits oben ausgesprochen - überholt. Außerdem wird von der herrschenden Meinung mit Recht die Absetzungsbefugnis des Nießbrauchers gemäß § 82 a EStDV nach dessen Sinn und Zweck sowie deshalb anerkannt, weil er nach § 95 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Eigentümer der Einbauten werde (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 23. November 1983 IV B 1 - S 2253 - 90/83, sog. Nießbrauchserlaß, BStBl I 1983, 508, 510 Tz. 19; Urteil des Niedersächsischen FG vom 7. Oktober 1980 IV 310/79, EFG 1981, 295, und - zum Teil im Ergebnis - Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 21 Tz. 28; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 21 EStG Anm. 29 o - E 104 -; Littmann, a. a. O., § 21 Rdnr. 210 a, und Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 21 Anm. 14 g).
Beim unentgeltlich obligatorisch Nutzenden ist die Rechtslage ebenso zu beurteilen. Auch wer aufgrund bloßer Gebrauchsgestattung Gegenstände in die überlassene Sache einfügt, hat eine tatsächliche Vermutung für sich, daß das Einfügen nur zu vorübergehendem Zweck i. S. des § 95 Abs. 2 BGB erfolgt (Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl., § 95 Anm. 3, m. w. N.). Es handelt sich mithin bei den Ein- und Umbauten der Kläger um ihnen zuzurechnende Wirtschaftsgüter (vgl. auch Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, 252, BStBl II 1974, 132 , 136, Abschn. C II 3 c).
Daß die Voraussetzungen des § 82 a EStDV i. V. m. Anlage 7 im einzelnen vorliegen, hat das FG von der Revision unangegriffen rechtsfehlerfrei festgestellt.
Die Berufung des FA auf das Urteil in BFHE 120, 234, BStBl II 1977, 72 geht jedenfalls deshalb fehl, weil diese Entscheidung nicht Modernisierungsaufwand i. S. des § 82 a EStDV betrifft.
Soweit das FA rügt, daß die Vorinstanz den Wert der unentgeltlich überlassenen Wohnung zu ermitteln unterlassen habe, ist die Revision nicht schlüssig begründet. Das FG hat den Nutzungswert der Wohnung anhand der Wohnungsgröße und des Mietpreises - beides unstreitig - geschätzt und dabei rechtsfehlerfrei die Zeit während des Umbaus und ab Bezugsfertigkeit der Wohnung unterschieden. Der Senat vermag nicht zu erkennen, welche weiteren Wertfeststellungen hätten getroffen werden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 426146 |
BStBl II 1985, 453 |
BFHE 1985, 313 |