Leitsatz (amtlich)
1. Was unter den zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehörenden besonderen Entgelten i.S. des § 20 Abs.2 Nr.1 und des § 43 Abs.3 EStG zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung der Einnahmen in § 8 Abs.1 EStG.
2. Bei zinsloser oder zinsgünstiger Darlehensgewährung zwischen Schwesterunternehmen (Schwestergesellschaften) drückt sich die objektive Bereicherung des übergeordneten Unternehmens (Muttergesellschaft) in der durch die ersparten Zinsen eintretenden Erhöhung seines Gewinns aus. Es kommt nicht darauf an, ob dieser Nutzungsvorteil als Wirtschaftsgut bei dem Tochterunternehmen (Tochtergesellschaft) eingelegt werden könnte (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
3. Zur Ausübung des Ermessens bei Auswahl unter den in verschiedenen Staaten ansässigen Gesamtschuldnern für Zwecke der Inanspruchnahme im Haftungswege; zur Begründung eines Haftungsbescheids.
Orientierungssatz
1. Die steuerabzugspflichtigen Kapitalerträge im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Gewinnanteile aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und des § 43 Abs. 3 EStG (besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den bezeichneten Kapitalerträgen oder an deren Stelle gewährt werden) decken sich mit den in § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG aufgeführten Einkünften aus Kapitalvermögen. Die genannten Vorschriften sind daher einheitlich auszulegen. Durch die Erwähnung besonderer Entgelte und Vorteile in § 20 Abs. 2 Nr. 1 und § 43 Abs. 3 EStG wird kein selbständiger Besteuerungstatbestand begründet. Das Gesetz stellt lediglich klar, daß es auf die Bezeichnung der Erträge aus dem Anteil an den in § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Gesellschaften nicht ankommt (BFH, RFH). Der Vorteil oder das besondere Entgelt muß zufließen und in diesem Sinn beim Empfänger eine Vermögensmehrung auslösen. Der Vorteil oder das besondere Entgelt ist ungeschmälert --als Bruttobetrag (Roheinnahme)-- anzusetzen. Der Ansatz der Vermögensmehrung hängt nicht davon ab, ob der zugeflossene Vorteil seinem Wert nach die Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Rückgewähransprüche übersteigt, die durch den Zufluß ausgelöst werden (vgl. BFH-Urteil vom 4.7.1984 I R 195/81).
2. Verdeckte Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter einer GmbH gehören zu den besonderen Entgelten oder Vorteilen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1, § 43 Abs. 3 EStG), die der Kapitalertragsteuer unterliegen. Verdeckte Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft an die ausländische Muttergesellschaft gehören zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Dies gilt auch dann, wenn in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung dieser Vorschrift, die erst durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18.7.1974 eine Änderung erfahren hat, ausdrücklich noch nicht auf § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG, der die besonderen Entgelte und Vorteile näher qualifiziert, verwiesen worden war (vgl. BFH-Urteil vom 21.12.1972 I R 70/70).
3. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Vermögensvorteil (ersparte Aufwendungen) i.S. des § 8 Abs. 1 EStG zugeflossen ist, kommt es nicht auf die Rechtsform der Person an, der der Vermögensvorteil zufließt. Desgleichen entfällt eine Unterscheidung danach, ob der Vorteilsempfänger bilanziert oder nur eine Überschußrechnung erstellt oder ob er aus Gründen der beschränkten Steuerpflicht nur der Kapitalertragsteuer unterliegt.
4. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FA anstelle der Gläubigerin der Kapitalerträge (hier: ein Staatsunternehmen eines Staatshandelslandes), die im Inland keine Betriebstätte hat und damit im Inland auch nicht zur Körperschaftsteuer veranlagt wird, die im Inland ansässige Schuldnerin der Kapitalerträge als Haftende für nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuern in Anspruch nimmt. Ein als Gesamtschuldner in Anspruch genommener Haftender hatte (auch schon vor Inkrafttreten der AO 1977) ein Recht darauf, in vollem Umfang zu erfahren, welche Erwägungen die Behörde hinsichtlich der Auswahl unter mehreren Gesamtschuldnern gerade hinsichtlich seiner Person angestellt hatte. Von der Begründung des Haftungsbescheids konnte aber abgesehen werden, soweit dem Betroffenen die Auffassung der Behörde über die Sachlage und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (vgl. BFH-Urteil vom 3.2.1981 VII R 86/78).
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 44 Abs. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 5; StAnpG § 7 Abs. 1; AO 1977 § 44 Abs. 1; EStG § 44 Abs. 5 S. 2
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 12.08.1981; Aktenzeichen Xb 41/76) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische GmbH, an deren Stammkapital mit je 50 v.H. eine weitere inländische GmbH (A) und ein (ausländisches) Staatsunternehmen eines Staatshandelslandes --die B-- beteiligt sind. Zweck des Unternehmens der Klägerin ist die Übernahme der Vertretung und die Ausführung von Kommissionsgeschäften für die B. Die Provisionen der Klägerin waren in einem Vertretungsvertrag festgelegt worden. Aufgrund einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bei folgenden Sachverhalten den Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung der Klägerin an die B (§ 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- a.F.) als verwirklicht an:
1. Rückwirkende Anwendung einer neuen Provisionsformel zu Lasten der Klägerin im Geschäftsverkehr mit der B.
2. Rückwirkende Anwendung der neuen Provisionsformel zu Lasten der Klägerin auch zu zwei weiteren, aus der B hervorgegangenen (ausländischen) Staatshandelsunternehmen (C und D).
3. Nachträgliche Herabsetzung des bisher angewandten Provisionssatzes --von 3 auf 2 v.H.-- für die von der Klägerin vertriebenen .......mittel der C.
4. Nichterhebung von Zinsen für Provisionen, mit denen die C etwa 1 1/2 Jahre lang im Rückstand war.
Wegen näherer Einzelheiten der unter 1. bis 4. erwähnten Sachverhalte wird auf die in der Körperschaftsteuersache 1971 und 1972 ergangene Entscheidung des erkennenden Senats vom heutigen Tage I R 247/81 (BFHE 145, 165) verwiesen.
Das FA hat die verdeckten Gewinnausschüttungen der Klägerin an die B für die Jahre 1971 und 1972 mit insgesamt ......DM ermittelt. Mit Haftungsbescheid vom 28.November 1975 forderte es Kapitalertragsteuer und Ergänzungsabgabe von der Klägerin. Ihr Einspruch gegen diesen Bescheid wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage wurde abgewiesen. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 201 veröffentlicht.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin ist zu Recht als Haftende wegen der nichteinbehaltenen Kapitalertragsteuer auf die ausgeschütteten Gewinnanteile in Anspruch genommen worden.
1. Bei Gewinnanteilen aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist die Einkommensteuer durch Abzug von Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) zu erheben (§ 43 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1971). Steuerabzugspflichtige Kapitalerträge sind auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den bezeichneten Kapitalerträgen oder an deren Stelle gewährt werden (§ 43 Abs.3 EStG). Insoweit decken sich diese steuerabzugspflichtigen Kapitalerträge mit den in § 20 Abs.1 Nr.1, Abs.2 Nr.1 EStG aufgeführten Einkünften aus Kapitalvermögen. Die genannten Vorschriften sind daher einheitlich auszulegen. Durch die Erwähnung besonderer Entgelte und Vorteile in § 20 Abs.2 Nr.1 und § 43 Abs.3 EStG wird kein selbständiger Besteuerungstatbestand begründet. Das Gesetz stellt lediglich klar, daß es auf die Bezeichnung der Erträge aus dem Anteil an den in § 20 Abs.1 Nr.1, § 43 Abs.1 Nr.1 EStG genannten Gesellschaften nicht ankommt (Gutachten des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 14.Dezember 1920 I D 4/20, RFHE 4, 222; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.Juli 1984 I R 195/81, BFHE 142, 38, BStBl II 1984, 842).
Was unter besonderen Entgelten und Vorteilen zu verstehen ist, läßt sich der Begriffsbestimmung der Einnahmen in § 8 Abs.1 EStG entnehmen. Danach ist eine Einnahme jeder Zufluß von Gütern in Geld oder Geldeswert im Rahmen der Überschußeinkünfte des § 2 Abs.3 Nr.4 bis 7 EStG 1971, zu denen auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen gehören. Auf den Vermögensvorteil oder das besondere Entgelt im Sinn des § 20 Abs.2 Nr.1 und des § 43 Abs.3 EStG übertragen bedeutet dies, daß der Vorteil in Geld oder in einem geldeswerten Gut bestehen muß. Er muß außerdem zufließen und in diesem Sinn beim Empfänger eine Vermögensmehrung auslösen. Der Vorteil oder das besondere Entgelt ist ungeschmälert --als Bruttobetrag (Roheinnahme)-- anzusetzen. Der Ansatz der Vermögensmehrung hängt nicht davon ab, ob der zugeflossene Vorteil seinem Wert nach die Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Rückgewähransprüche übersteigt, die durch den Zufluß ausgelöst werden (vgl. BFHE 142, 38, BStBl II 1984, 842).
Wie sich aus der Entscheidung des Senats in der Sache I R 247/81 vom heutigen Tage (BFHE 145, 165), ergibt, hat die Klägerin in den erwähnten vier Fällen Gewinne an ihre beherrschende Gesellschafterin, die B, in verdeckter Form ausgeschüttet (§ 6 Abs.1 Satz 2 KStG a.F.). Diese Ausschüttungen gehören zu den besonderen Entgelten oder Vorteilen, die ebenso wie die Gewinnanteile der Kapitalertragsteuer unterliegen.
Die B ist als Staatsunternehmen eines Staatshandelslandes eine Körperschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat. Sie ist daher nach § 2 Abs.1 Nr.1 KStG a.F. mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Was inländische Einkünfte sind, beurteilt sich nach § 6 Abs.1 KStG a.F. i.V.m. § 49 EStG. Im Streitfall geht es um Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinn des § 20 Abs.1 Nr.1 EStG, wenn der Schuldner der Kapitalerträge --hier die Klägerin-- seine Geschäftsleitung im Inland hat (§ 49 Abs.1 Nr.5 EStG). Die Verhältnisse der B, die im Inland über keine Betriebstätte verfügt, sind bei der Qualifizierung der streitigen, von der Klägerin bezogenen Einkünfte nicht zu berücksichtigen. Ausländische Verhältnisse dürfen nicht dazu führen, Einkünfte, die nach ihrem objektiven Wesen zu einer bestimmten Einkunftsart gehören, in Anwendung einer Subsidiaritätsklausel (hier insbesondere des § 20 Abs.3 EStG) den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen, nur weil sie einem im Ausland befindlichen Gewerbebetrieb zugeflossen sind (BFH-Urteil vom 4.März 1970 I R 140/66, BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428).
Verdeckte Gewinnausschüttungen gehören zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinn des § 49 Abs.1 Nr.5 EStG, auch wenn in der auf diesen Streitfall anzuwendenden Fassung dieser Vorschrift, die erst durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18.Juli 1974 (BGBl I 1974, 1489, BStBl I 1974, 521) eine Ergänzung erfahren hat, ausdrücklich noch nicht auf § 20 Abs.2 Nr.1 EStG, der die besonderen Entgelte und Vorteile näher qualifiziert, verwiesen worden war (BFH-Urteil vom 21.Dezember 1972 I R 70/70, BFHE 108, 175, BStBl II 1973, 449).
Maßgebender Zeitpunkt für den Steuerabzug ist der Zufluß der Kapitalerträge beim Gläubiger (§ 44 Abs.3 EStG). Ob der B von der Klägerin aufgrund der erwähnten Sachverhalte als Kapitalertrag anzusehende Gewinne in verdeckter Form zugeflossen sind, ist nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den Streitfall folgendes:
a) Infolge der rückwirkenden Anwendung einer neuen Provisionsformel im Leistungsverkehr mit der B (Sachverhalt 1.) hat die Klägerin rückwirkend auf schon entstandene Provisionsforderungen oder schon vereinnahmte Provisionen zugunsten der sie beherrschenden Gesellschafterin B verzichtet. Der B wurden von der Klägerin bei Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.Dezember 1972 Gutschriften von insgesamt 19 000 DM (für 1971 10 000 DM, für 1972 9 000 DM) erteilt. Mit der Gutschrift waren der B als der beherrschenden Gesellschafterin der Klägerin verdeckte Gewinnausschüttungen in dieser Höhe zugeflossen.
b) Gegenüber den aus der B hervorgegangenen Staatsunternehmen C und D hatte die Klägerin ebenfalls die neue Provisionsformel rückwirkend angewandt; weiterhin hatte sie gegenüber der C für den Vertrieb von ...........mitteln rückwirkend den Provisionssatz von 3 auf 2 v.H. herabgesetzt (Sachverhalte 2. und 3.). Durch die rückwirkende Anwendung der neuen Provisionsformel wurden C .....DM und der D .....DM, durch die Herabsetzung des Provisionssatzes für den Vertrieb von ...........mitteln der C nochmals ......DM gutgebracht. Wie in der Sache I R 247/81 näher ausgeführt ist, handelt es sich hier um verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin durch mittelbare Zuwendungen an ihre Gesellschafterin B, die dadurch instandgesetzt wurde, die ihr vom Staat gestellte Aufgabe zu erfüllen, ihre (ausländischen) Schwesterunternehmen mitzufinanzieren. Damit sind die Beträge mit den der C und der D erteilten Gutschriften auch der B zugeflossen. Die B hat diese Vorteile zwar nicht behalten, sondern über den Staat sogleich an ihre Schwesterunternehmen C und D weitergegeben, so daß dem Zufluß ein gleichhoher Abfluß gegenübersteht. Die abfließenden Beträge sind bei der B nach deutschem Steuerrecht jedoch nicht als sofort absetzbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu behandeln. Sie sind offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen an den Eigentümer oder Inhaber der Unternehmen (Staat), die nach § 6 Abs.1, § 7 KStG a.F. für die Besteuerung maßgebliche Einkommen der jeweils ausschüttenden Körperschaft nicht mindern dürfen (vgl. zum Zufluß verdeckter Gewinnausschüttungen, wenn damit zusammenhängende Aufwendungen steuerrechtlich nicht abzugsfähig sind, das BFH-Urteil vom 19.März 1975 I R 137/73, BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722). Die genannten Beträge sind daher der B mit der Gutschrift zugeflossen.
c) Die zinslose, über 1 1/2 Jahre dauernde Kreditierung der Provisionsansprüche gegenüber der C (Sachverhalt 4.) ist ebenfalls als Vorteilszufluß zu behandeln. Da die Klägerin Zinsen nicht verlangte, waren, wie in der Entscheidung I R 247/81 (BFHE 145, 165) ausgeführt ist, entsprechende Zinsbeträge als verdeckte Gewinnausschüttungen ihrem steuerpflichtigen Einkommen nach § 6 Abs.1 Satz 2 KStG a.F. hinzuzurechnen. Es handelte sich hier ebenfalls um mittelbare Zuwendungen der Klägerin an ihre beherrschende Gesellschafterin B, die dadurch gekennzeichnet waren, daß Zinsen für diesen Kredit nicht gezahlt zu werden brauchten, somit die B, der ihr übergeordnete Staat und die Letztempfängerin C die entsprechenden Aufwendungen erspart hatten.
Ersparte Aufwendungen gehören --sofern sie beim Steuerpflichtigen zu einer objektiven Bereicherung führen-- ebenfalls zu den Einnahmen im Sinn des § 8 Abs.1 EStG. Die Rechtsprechung hat den Einnahmebegriff sehr weit gefaßt. So sind z.B. die unentgeltliche Überlassung eines Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer, die Überlassung einer Wohnung an Arbeitnehmer gegen eine unangemessen niedrige Miete, die Gewährung von Freiflügen an Arbeitnehmer, die Unentgeltlichkeit eines Arbeitgeberdarlehens, die kostenlose Telefonnutzung durch den Arbeitnehmer als Einnahmen (lohnsteuerpflichtiger Sachbezug) behandelt worden (BFH-Urteile vom 14.Juli 1961 VI 218/58 U, BFHE 73, 380, BStBl III 1961, 405; vom 20.August 1965 VI 54/64 U, BFHE 84, 279, BStBl III 1966, 101; vom 3.März 1972 VI R 242/68, BFHE 105, 124, BStBl II 1972, 490; vom 15.Juni 1973 VI R 85/71, BFHE 109, 526, BStBl II 1973, 781; vom 22.Oktober 1976 VI R 26/74, BFHE 120, 379, BStBl II 1977, 99). Der Gesichtspunkt der Ersparung von Aufwendungen spielt auch im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttungen eine Rolle, wenn z.B. eine Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft ein zinsloses oder ein zinsgünstiges Darlehen gewährt (vgl. BFH-Urteil vom 28.Januar 1981 I R 10/77, BFHE 133, 172, BStBl II 1981, 612). Die objektive Bereicherung der Muttergesellschaft drückt sich in diesem Fall in der durch die ersparten Zinsen eintretenden Erhöhung ihres Gewinns aus, die ihrerseits über die Gewinn- und Verlustrechnung Eingang in das Kapitalkonto findet und in diesem Sinn bilanzrechtlich und damit vermögensmäßig bei der Muttergesellschaft erfaßt wird. Ist der das zinslose Darlehen empfangende Gesellschafter kein bilanzierender Kaufmann, kommt es allein darauf an, wann ihm die objektive Bereicherung in Gestalt der ersparten Zinsen zugeflossen ist (§ 11 Abs.1 EStG).
Hieraus folgt, daß es auf eine etwaige bilanzrechtliche Erfassung des Vermögensvorteils --der ersparten Zinsen-- beim Empfänger nicht ankommt. Für die Beurteilung, ob ein Vorteilszufluß (objektive Bereicherung) vorliegt, müssen einheitliche Grundsätze gelten. Es kann nicht auf die Rechtsform der Person, der der Vermögensvorteil zufließt, ankommen. Desgleichen entfällt eine Unterscheidung danach, ob der Vorteilsempfänger bilanziert oder nur eine Überschußrechnung erstellt oder ob er aus Gründen der beschränkten Steuerpflicht nur der Kapitalertragsteuer unterliegt. Die bilanzrechtliche Erfassung des Vermögensvorteils kann allenfalls ein Indiz dafür sein, ob ein Vermögensvorteil im Sinn des § 8 Abs.1 EStG zugeflossen ist.
Keinen Zufluß einer verdeckten Gewinnausschüttung --eines Vermögensvorteils-- bei der Muttergesellschaft hat die bisherige Rechtsprechung angenommen, wenn die zinslose oder zinsgünstige Darlehensgewährung sich zwischen Schwestergesellschaften abspielt (vgl. insbesondere die Urteile des erkennenden Senats in BFHE 133, 172, BStBl II 1981, 612, und vom 19.Mai 1982 I R 102/79, BFHE 136, 105, BStBl II 1982, 631). In diesen Fällen soll es an einer objektiven Bereicherung der Muttergesellschaft fehlen, weil diese den eigenen Nutzungsvorteil, den sie mittelbar durch Zuwendung an eine ihr nahestehende Person (Tochtergesellschaft) erlangt hat, bei der Tochtergesellschaft (Darlehensnehmerin) nicht einlegen könne. Diese Auffassung ist im Schrifttum kritisiert worden (vgl. Gocke, Finanz-Rundschau --FR-- 1984, 606, sowie die Zusammenstellung der Literatur bei Lang, FR 1984, 629 f.). Der erkennende Senat gelangt nunmehr ebenfalls zu der Auffassung, daß die Einlagefähigkeit des Nutzungsvorteils nicht als Merkmal des oben näher umschriebenen Begriffs der Einnahme im Sinn des § 8 Abs.1 EStG angesehen werden kann. Wird eine Einnahme (Zufluß eines Vermögensvorteils) festgestellt, so stellt sich erst in einem zweiten Schritt die Frage, ob die dadurch gegebene Vermögensmehrung als Einlage zu qualifizieren ist.
3. Die Kapitalertragsteuer beträgt im Streitfall 25 v.H. der Kapitalerträge (§ 44 Abs.1 EStG). Der Schuldner der Kapitalerträge ist verpflichtet, die Kapitalertragsteuer für den Gläubiger einzubehalten. Er hat den Steuerabzug in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (§ 44 Abs.3 EStG). Der Kapitalertragsteuer unterliegen die bei der Klägerin nach § 6 Abs.1 Satz 2 KStG a.F. hinzugesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen im Gesamtbetrag von ......DM. Bei beschränkt Steuerpflichtigen gilt die Einkommensteuer mit dem Abzug der Kapitalertragsteuer als abgegolten, wenn die Kapitalerträge nicht Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind (§ 50 Abs.4 EStG).
Die Besteuerung der Kapitalerträge wird --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- weder dem Grunde noch der Höhe nach nach dem hier maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen geändert. (Wird näher ausgeführt)
5. Das FG hat rechtsfehlerfrei die Inanspruchnahme der Klägerin als Haftende bestätigt. Als Schuldnerin der Kapitalerträge haftet sie für die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs.5 Satz 2 EStG). Der Gläubiger der Kapitalerträge --der Steuerschuldner-- wird nur unter den in Abs.5 Satz 3 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen in Anspruch genommen. Nach dem im Streitfall noch anzuwendenden § 7 Abs.1 des Steueranpassungsgesetzes --StAnpG-- (jetzt § 44 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) waren die Klägerin und die B Gesamtschuldner der Steuerabzugsbeträge. Jeder Gesamtschuldner schuldet die ganze Leistung; die Behörde muß sich entscheiden, von welchem Gesamtschuldner sie die geschuldete Leistung fordert (§ 7 Abs.3 Sätze 1 bis 3 StAnpG). Ob die Klägerin als Haftende durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden konnte, lag im Ermessen der Finanzbehörde (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 24.Oktober 1974 VII R 7/77, BFHE 129, 13, BStBl II 1980, 58 mit Rechtsprechungsnachweis).
Im Streitfall hat das FA von dem ihm obliegenden pflichtgemäßen Ermessen keinen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Die Gläubigerin der Kapitalerträge --das Staatsunternehmen B-- hat nach den Feststellungen des FG im Inland keine Betriebstätte und wird damit im Inland auch nicht zur Körperschaftsteuer veranlagt. Die Verwirklichung des Steueranspruchs gegen den Steuerschuldner war daher wesentlich erschwert. Das FG hat zu Recht ausgeführt, allein sinnvoll sei es gewesen, die im Inland ansässige Klägerin als Haftende in Anspruch zu nehmen und nicht etwa das Staatsunternehmen eines Staatshandelslandes.
6. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Haftungsbescheid nicht allein deshalb fehlerhaft, weil die Ermessenserwägungen des FA sich nicht vollständig aus dem Haftungsbescheid selbst ergeben. Ein als Gesamtschuldner in Anspruch genommener Haftender hat ein Recht darauf, in vollem Umfang zu erfahren, welche Erwägungen die Behörde hinsichtlich der Auswahl unter mehreren Gesamtschuldnern gerade hinsichtlich seiner Person angestellt hat. Auch schon vor Inkrafttreten der AO 1977 mußten die bei Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen, die Abwägung des Für und Wider der sich gegenüberstehenden Belange, aus der Entscheidung erkennbar sein (BFH-Urteil vom 3.Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493). Nach dieser Entscheidung konnte aber von der Begründung abgesehen werden, soweit dem Betroffenen die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war.
Das FG hat zutreffend einen solchen Ausnahmefall angenommen. Der Haftungsbescheid enthält die Hinweise auf die maßgeblichen Textziffern des Betriebsprüfungsberichts, die im einzelnen die Sachverhalte darstellen, die zu verdeckten Gewinnausschüttungen der Klägerin an ihre sie beherrschende Gesellschafterin geführt haben. Der Haftungsbescheid enthält ferner den Hinweis darauf, daß die Klägerin für die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer haftet. Die Angabe im Haftungsbescheid, daß die Klägerin die Kapitalertragsteuer "schuldet", ist nur eine unrichtige Begründung für die an sich zutreffende Inanspruchnahme im Haftungswege. Das FG hat aber festgestellt, daß die Klägerin schon in Tz. 36 des Betriebsprüfungsberichts auf ihre Haftungsschuld hingewiesen worden ist und daß sie ferner mit Schreiben vom 22.Oktober 1975 vom FA eine Aufforderung zur Anmeldung der Kapitalertragsteuer erhalten hat. Die Klägerin hat sich in ihrem Schreiben vom 31.Oktober 1975 ausdrücklich geweigert, diese Anmeldung abzugeben und das FA an die Steuerschuldnerin verwiesen. Aus alledem hat das FG zutreffend gefolgert, daß der Klägerin bei Kenntnis der Rechtslage auch die Erwägungen des FA bekannt waren, warum es sie und nicht ein im Ausland ansässiges Staatsunternehmen zur Zahlung der Steuer aufgefordert hat.
Fundstellen
Haufe-Index 60765 |
BStBl II 1986, 178 |
BFHE 145, 175 |
BFHE 1986, 175 |
DStR 1986, 196-197 (ST) |
HFR 1986, 199-201 (ST) |