Entscheidungsstichwort (Thema)
(Einheitsbewertung eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebs: Anspruch auf Lieferung stehender und umlaufender Betriebsmittel, Bewertungsgegenstand, Anspruch auf Übereignung eines landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich zu nutzenden Grundstücks, Sachleistungsverpflichtung bei Verkauf stehender und umlaufender Betriebsmittel, totes Inventar als stehende Betriebsmittel - gemeiner Wert eines Sachleistungsanspruchs)
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch eines Land- und Forstwirts auf Lieferung stehender oder umlaufender Betriebsmittel ist nicht im Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs abgegolten, sondern gehört zum sonstigen Vermögen. Geht ein derartiger Anspruch auf den Erben über, ist er bei der Ermittlung der Bereicherung mit dem gemeinen Wert gesondert zu erfassen.
Orientierungssatz
1. Der Begriff des schwebenden Geschäfts als ein einheitliches Wirtschaftsgut, wie es sich aus dem zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens eines gewerblichen Betriebs ergangenen BFH-Urteil vom 10.4.1991 II R 118/86 ergibt, ist auf die bewertungsrechtliche Behandlung nicht erfüllter gegenseitiger Verträge außerhalb des Betriebsvermögens nicht übertragbar (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.1991 II R 117/87).
2. Während der Einheitswert eines gewerblichen Betriebs gemäß § 98a BewG aufgrund einer Einzelbewertung ermittelt wird (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.1968 III 181/64), sind bei der Einheitsbewertung des landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebs nicht die einzelnen Wirtschaftsgüter, sondern der Betrieb der Landwirtschaft und Forstwirtschaft als solcher Gegenstand der Bewertung (vgl. Literatur).
3. Der gemeine Wert eines Sachleistungsanspruchs entspricht regelmäßig dem Betrag, der für den Erwerb des Gegenstands im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aufgewendet werden muß (vgl. BFH-Rechtsprechung).
4. Das tote Inventar (Maschinen und andere Geräte) eines Landwirts und Forstwirts gehört zu den stehenden Betriebsmitteln i.S. des § 33 Abs. 2, BewG, die dazu bestimmt sind, dauernd bei der Hervorbringung landwirtschaftlicher Erzeugnisse mitzuwirken (vgl. Literatur).
5. Ein Anspruch auf Übereignung eines landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich zu nutzenden Grundstücks kann, soweit er nicht Betriebsvermögen darstellt, stets nur zum sonstigen Vermögen gerechnet, nicht aber als landwirtschaftliches und forstwirtschaftliches Vermögen oder Grundvermögen bewertet werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.10.1958 III 98/58 S).
6. Bei einem Verkauf stehender oder umlaufender Betriebsmittel in die Sachleistungsverpflichtung des Landwirts und Forstwirts nicht im Einheitswert des landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebs abgegolten. So wie die durch den Verkauf begründete Geldforderung zum sonstigen Vermögen des Landwirts und Forstwirts gehört, ist auch die entsprechende Sachleistungsverpflichtung gesondert anzusetzen.
Normenkette
BewG 1974 § 33 Abs. 2, § 110 Abs. 1 Nr. 1, § 9; ErbStG 1974 § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1; BewG 1974 §§ 95, 98a, 33 Abs. 3 Nr. 1, § 118 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Streitig ist die Berücksichtigung einer Kaufpreisverpflichtung als Nachlaßverbindlichkeit.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe des am 4.Juni 1985 verstorbenen Landwirts J (Erblasser). Dieser hatte noch zu Lebzeiten zum Kaufpreis von 165 859 DM einen Mähdrescher bestellt, der jedoch erst nach dem Tod des Erblassers geliefert wurde. In seiner Erbschaftsteuererklärung gab der Kläger die von ihm übernommene Kaufpreisverpflichtung als Nachlaßverbindlichkeit an. Bezüglich des Anspruchs auf Lieferung des Mähdreschers machte er geltend, daß dieser Sachleistungsanspruch mit dem Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs abgegolten sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, sondern erfaßte bei der Nachlaßwertermittlung sowohl den Anspruch auf Lieferung des Mähdreschers als auch die Kaufpreisverpflichtung jeweils mit 165 859 DM und setzte die Erbschaftsteuer --nach Maßgabe der übrigen (unstreitigen) Nachlaßgegenstände und -verbindlichkeiten-- in Höhe von 109 050 DM fest.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß Anspruch und Verbindlichkeit aus dem noch vom Erblasser abgeschlossenen Kaufvertrag über den Mähdrescher zum Nachlaß gehörten. Da noch von keiner Vertragspartei mit der Erfüllung begonnen worden sei, liege ein schwebendes Geschäft vor, das steuerlich so behandelt werde, als wenn sich Anspruch und Verbindlichkeit ausglichen. Dieser Grundsatz gelte auch für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Im übrigen gehöre der Anspruch auf Lieferung des Mähdreschers nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, da dieser Anspruch nicht dazu bestimmt sei, einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung des § 33 des Bewertungsgesetzes (BewG) und des § 10 Abs.5 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) und macht geltend, daß die für das Betriebsvermögen gewerblicher Betriebe entwickelten Grundsätze des schwebenden Geschäfts nicht auf das land- und forstwirtschaftliche Vermögen übertragbar seien. Während die Lieferung des Mähdreschers im Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs abgegolten sei, müsse die gemäß § 33 Abs.3 BewG nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zählende Kaufpreisverpflichtung nach § 10 Abs.5 ErbStG gesondert abgezogen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Erbschaftsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung wegen der Kaufpreisverpflichtung von 165 859 DM die Erbschaftsteuer auf 49 341 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Erbschaftsteuerfestsetzung des FA bestätigt. Diese beruht auf dem zum Bewertungsstichtag (§ 11 i.V.m. § 9 Abs.1 Nr.1 ErbStG) nach Maßgabe der §§ 10 und 12 ErbStG zutreffend ermittelten steuerpflichtigen Erwerb des Klägers, auf den im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das Vermögen des Erblassers als Ganzes einschließlich aller noch vom Erblasser begründeten vermögensrechtlichen Beziehungen (Ansprüche und Verpflichtungen) übergegangen ist.
Zwar folgt der Senat nicht der von der Vorinstanz unter Hinweis auf Abschn.34 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) vertretenen Auffassung, am Todestag als dem maßgebenden Bewertungsstichtag liege ein schwebendes Geschäft vor, das steuerlich so zu behandeln sei, als wenn sich Anspruch und Verbindlichkeit ausglichen, so daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten bewertungsrechtlich nicht zu berücksichtigen seien. Denn der Begriff des schwebenden Geschäfts als ein einheitliches Wirtschaftsgut, wie es sich aus dem zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens eines gewerblichen Betriebs ergangenen Senatsurteil vom 10.April 1991 II R 118/86 (BFHE 164, 448, BStBl II 1991, 620) ergibt, ist auf die bewertungsrechtliche Behandlung nicht erfüllter gegenseitiger Verträge außerhalb des Betriebsvermögens nicht übertragbar (vgl. Senatsurteil vom 26.Juni 1991 II R 117/87, BFHE 164, 464, BStBl II 1991, 749).
Für die Einheitsbewertung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft folgt dies bereits aus den für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einerseits und die Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens andererseits geltenden unterschiedlichen Bewertungsverfahren. Während der Einheitswert eines gewerblichen Betriebs gemäß § 98a BewG aufgrund einer Einzelbewertung ermittelt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.Juli 1968 III 181/64, BFHE 93, 323, BStBl II 1968, 794), sind bei der Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, wie § 33 BewG erkennen läßt, nicht die einzelnen Wirtschaftsgüter, sondern der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft als solcher Gegenstand der Bewertung (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8.Aufl., § 33 BewG Anm.1).
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Vorschrift des § 33 Abs.3 Nrn.1 und 2 BewG, wonach die bei gegenseitigen Verträgen in aller Regel vorliegenden Geldforderungen oder Geldschulden ausdrücklich nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören. Daraus folgt, daß Forderungen (Ansprüche) und Verbindlichkeiten aus dem von einem Land- und Forstwirt in seinem Betrieb abgeschlossenen gegenseitigen Vertrag getrennt zu erfassen und nach Maßgabe des § 33 BewG der zutreffenden Vermögensart zuzuordnen sind.
Insoweit haben die Beteiligten bei der Nachlaßwertermittlung im Einklang mit § 33 Abs.3 Nr.2 BewG übereinstimmend die noch offene Zahlungsverpflichtung aus dem vom Erblasser geschlossenen Kaufvertrag über den Mähdrescher in voller Höhe als Nachlaßverbindlichkeit angesetzt. Zu Recht hat das FA jedoch gleichzeitig auch den auf den Kläger als Erben übergegangenen Sachleistungsanspruch auf Lieferung des Mähdreschers mit dem gemeinen Wert in gleicher Höhe erfaßt (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 448, BStBl II 1991, 620). Denn der gemeine Wert des Sachleistungsanspruchs entspricht regelmäßig dem Betrag, der für den Erwerb des Gegenstands im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aufgewendet werden muß (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 464, BStBl II 1991, 749 sowie BFH-Urteil vom 22.November 1968 III R 49/68, BFHE 94, 498, BStBl II 1969, 226), im Streitfall dem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 165 859 DM.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung gehörte dieser Anspruch nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, sondern gemäß § 110 BewG zum sonstigen Vermögen des Erblassers; der Anspruch ist deshalb auch nicht in dem der Erbschaftsteuerfestsetzung zugrunde gelegten Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs abgegolten. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist der Anspruch auf Lieferung des Mähdreschers nicht dazu bestimmt, dauernd dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen (§ 33 Abs.1 BewG). Zwar gehört ein Mähdrescher wie das übrige (tote) Inventar (Maschinen und andere Geräte) zu den stehenden Betriebsmitteln i.S. des § 33 Abs.2 BewG, die dazu bestimmt sind, dauernd bei der Hervorbringung landwirtschaftlicher Erzeugnisse mitzuwirken (vgl. Gürsching/Stenger, a.a.O., § 33 BewG Anm.28; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 15.Aufl., § 33 BewG Anm.86); doch gilt dies nicht für den auf den Mähdrescher gerichteten Sachleistungsanspruch, der ebensowenig wie die ihm gegenüberstehende Geldforderung geeignet ist, die Ertragsfähigkeit eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu beeinflussen. Für den Anspruch auf Lieferung stehender oder umlaufender Betriebsmittel kann insoweit nichts anderes gelten als für den Anspruch auf Übereignung eines land- und forstwirtschaftlich zu nutzenden Grundstücks; ein derartiger Anspruch kann, soweit er nicht Betriebsvermögen darstellt, stets nur zum sonstigen Vermögen gerechnet, nicht aber als land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder Grundvermögen bewertet werden (BFH-Urteil vom 10.Oktober 1958 III 98/58 S, BFHE 68, 59, BStBl III 1959, 22). Auch umgekehrt würde bei einem Verkauf stehender oder umlaufender Betriebsmittel die Sachleistungsverpflichtung des Land- und Forstwirts ebenfalls nicht im Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs abgegolten sein. So wie die durch den Verkauf begründete Geldforderung zum sonstigen Vermögen des Land- und Forstwirts gehört (§ 33 Abs.3 Nr.1, § 110 Abs.1 Nr.1 BewG), ist auch die entsprechende Sachleistungsverpflichtung nach § 118 Abs.1 Nr.1 BewG gesondert anzusetzen; denn derartige Verpflichtungen berühren die objektive Ertragsfähigkeit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nicht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 21.September 1933 III A 704/31, RStBl 1933, 1353). Geht --wie im Streitfall-- neben dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auch ein auf die Lieferung eines stehenden Betriebsmittels gerichteter Sachleistungsanspruch auf den Erben über, ist dieser Anspruch folglich bei der Ermittlung der Bereicherung des Erben nach § 10 Abs.1 und § 12 Abs.1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG mit dem gemeinen Wert gesondert anzusetzen.
Da der Kläger im übrigen keine Einwendungen gegen die Nachlaßwertermittlung und die Erbschaftsteuerfestsetzung erhoben hat und Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung nicht erkennbar sind, verbleibt es bei der vom FG mit dem angegriffenen Urteil bestätigten Erbschaftsteuerfestsetzung. Die Revision des Klägers erweist sich damit als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 63813 |
BFH/NV 1992, 21 |
BStBl II 1992, 248 |
BFHE 166, 376 |
BFHE 1992, 376 |
BB 1992, 762 |
BB 1992, 762-763 (LT) |
DB 1992, 615 (L) |
DStR 1992, 749 (KT) |
DStZ 1992, 214 (KT) |
HFR 1992, 245 (LT) |
StE 1992, 103 (K) |