Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an der im Urteil vom 5. Dezember 1967 III 84/65 (BFHE 91, 473, BStBl II 1968, 387) vertretenen Auffassung fest, daß Einrichtungen eines Wasserbeschaffungsverbandes, die lediglich dazu dienen, Trink- und Brauchwasser dem Boden zu entnehmen, für den Genuß zuzubereiten, zu speichern und zu verteilen, nicht die Wasser- und Bodenverhältnisse im Sinne des § 4 Nr. 9 Buchst. d GrStG verbessern und ordnen.

 

Normenkette

GrStG § 4 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 3 Buchst. b, Nrn. 6, 9 Buchst. d, § 6 Abs. 1; GrStDV § 24; WVG §§ 1-2; 1. WVVO § 40 Abs. 1 Buchst. a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revsionskläger (Kläger) ist ein Wasser- und Bodenverband im Sinne des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandgesetz - WVG -) vom 10. Februar 1937 (RGBl I 1937, 188) und der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände (Erste Wasserverbandsverordnung - 1. WVVO -) vom 3. September 1937 (RGBl I 1937, 933). Seine Mitglieder sind nach der Satzung vier Wasserverteilungsverbände. Er hat nach der Satzung die Aufgabe, das Grundwasser im Gebiet des Landkreises X zu bewirtschaften, sämtliche Wassergewinnungs- und Verteilungsanlagen für die vier Mitgliederverbände zu bauen, die Wasserwerke und die Versorgungsleitungen zu unterhalten und zu betreiben, Trinkwasser zu einem einheitlichen Wasserpreis an die Mitgliederverbände zu liefern und den Verbundbetrieb der Wasserwerke innerhalb des Verbandsgebietes zu leiten und mit den benachbarten Wasserwerken abzustimmen. Zur Durchführung dieser Aufgaben hat der Kläger die vier Mitgliederverbände mit Trink- und Brauchwasser zu versorgen und für einen geordneten Betrieb und eine gleichmäßige Benutzung der Verbandsanlagen zu sorgen und die nötigen Quellen, Grundstücke oder Rechte an Grundstücken zu erwerben und die erforderlichen gemeinsamen Anlagen als Verbandsunternehmen herzustellen, zu unterhalten und zu betreiben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) erteilte dem Kläger am 1. April 1965 einen Bescheid, daß der Grundbesitz des Klägers nach § 4 Nr. 9 Buchstabe d GrStG in Verbindung mit Abschn. 9 und 67 GrStR von der Grundsteuer befreit sei. Im Jahr 1966 errichtete der Kläger auf fremdem Grund und Boden ein Wasserwerk. Auf Anforderung des FA reichte er eine Baubeschreibung des Wasserwerks und im Anschluß an eine örtliche Besichtigung durch den Bausachverständigen des FA weitere Unterlagen ein, aus denen sich ergibt, daß das Wasserwerk aus einem Verwaltungstrakt, einer Förderstation, einem Zwischenbau, einer Filterstation und einem Reinwasserbehälter besteht. Das FA stellte durch Bescheid vom 14. Mai 1971 im Wege der Nachfeststellung für das Wasserwerk zum 1. Januar 1967 einen Einheitswert fest und setzte den Grundsteuermeßbetrag im Wege der Nachveranlagung fest. Der Einspruch, mit dem der Kläger Befreiung von der Grundsteuer nach § 4 Nr. 9 Buchstabe d GrStG begehrte, hatte keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen.

Mit der Revision beantragt der Kläger, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid aufzuheben. Es wird fehlerhafte Auslegung des § 4 Nr. 9 Buchstabe d GrStG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die Auslegung werde dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht gerecht. Wenn man schon mit philologischer Spitzfindigkeit auslegen wolle, dann müsse der Bindestrich hinter dem Wort "Wasser" jeweils mit dem Bezugswort "Verhältnisse" bzw. "Verbände" ausgefüllt werden. Dann ergebe sich aber auch, daß sowohl eine Ordnung der Wasserverhältnisse als auch eine Ordnung der Bodenverhältnisse für sich als auch zusammen gemeint seien. Das ergebe sich auch schon aus der Bezeichnung des Gesetzes über die Verbände als Wasserverbandgesetz und nicht als Wasser- und Bodenverbandgesetz. § 1 Abs. 1 WVVO stelle schließlich klar, daß alle Verbände dieser Aufzählung als Wasser- und Bodenverbände bezeichnet würden, gleich ob sie ausschließlich Wasserverbände oder ausschließlich Bodenverbände seien. Auch das Grundsteuergesetz, das zeitlich der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände vorausgegangen sei, könne nur diese Verbände gemeint haben. Auch aus einem Runderlaß des RdF vom 15. April 1940 ergebe sich die gleiche Auffassung. Schließlich erfülle auch ein Wasserbeschaffungsverband neben der Aufgabe der Wasserbeschaffung eine wesentliche Funktion bei der Ordnung der Bodenverhältnisse. Die Wassergewinnungsgebiete des Klägers seien durch großflächige Wasserschutzgebiete abgesteckt, in denen durch entsprechende Schutzzonenverordnungen viele Dinge zum Schutz des Bodens und des Grundwassers verboten seien. Nach § 1 WVG sei es Aufgabe der Wasser- und Bodenverbände, "Abwässerschäden" vom Boden fernzuhalten. Das bedeute also nicht etwa nur eine Bodenverbesserung im landwirtschaftlichen Sinne, sondern im Sinne der Bodenreinerhaltung für Zwecke und zum Schutze der Trinkwasserbeschaffung. So verstanden sei auch der Wasserbeschaffungsverband ein Wasser- und Bodenverband mit der Aufgabe der Ordnung der Wasser- und Bodenverhältnisse. Im übrigen werde die Rechtsauffassung von Kaspar (BB 1963, 304) ausdrücklich zum Gegenstand der Revisionsbegründung gemacht.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat zu Recht die Vornahme der Nachfeststellung des Einheitswerts und die Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags zum 1. Januar 1967 durch den Bescheid vom 14. Mai 1971 verfahrensrechtlich für zulässig gehalten. Weder war bei Erlaß dieses Bescheides die Grundsteuer 1967 verjährt, noch hat das FA grundlos lange Zeit mit der Nachfeststellung und Nachveranlagung zugewartet. Der Senat hat ein grundloses Zuwarten auf lange Zeit nur bei Fortschreibungen zur Fehlerbeseitigung und nur bei Fortschreibungen auf den 21. Juni 1948 mit Rücksicht auf den Lastenausgleich beanstandet (vgl. Urteil des BFH vom 17. Juli 1964 III 392/60 U, BFHE 80, 397, BStBl III 1964, 618). Bei einer Nachfeststellung des Einheitswerts und Nachveranlagung der Grundsteuer innerhalb der normalen Verjährungsfrist für die Grundsteuer hat die Frage eines überlangen Zuwartens keine Bedeutung. Der Nachfeststellung des Einheitswerts und der Nachveranlagung der Grundsteuer steht schließlich auch nicht der Bescheid des FA vom 1. April 1965 entgegen, daß der Grundbesitz des Klägers von der Grundsteuer befreit sei. Das FG hat mit Recht darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Senats eine Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags - und damit auch eine Nachfeststellung des Einheitswerts - zulässig ist, wenn eine Befreiungsvorschrift von den Steuerbehörden zu Unrecht angewandt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 1957 III 274/56 S, BFHE 64, 140, BStBl III 1957, 54).

2. In sachlicher Hinsicht hat sich das FG dem Urteil des Senats vom 5. Dezember 1967 III 84/65 (BFHE 91, 473, BStBl II 1968, 387) angeschlossen, in dem der Senat entschieden hat, daß Einrichtungen eines Wasserbeschaffungsverbandes, die lediglich dazu dienen, Trink- und Brauchwasser dem Boden zu entnehmen, für den Genuß vorzubereiten, zu speichern und zu verteilen, nicht die Wasser- und Bodenverhältnisse im Sinne des § 4 Nr. 9 Buchstabe d GrStG verbessern und ordnen. Der Senat hat diese Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Befreiung nach dieser Vorschrift von zwei verschiedenen Voraussetzungen abhänge: Subjektiv müsse der Grundbesitz einem öffentlich-rechtlichen Wasser- und Bodenverband gehören, objektiv müsse der Grundbesitz im Interesse der Ordnung und Verbesserung der Wasser- und Bodenverhältnisse unterhalten werden. Für die zweite Voraussetzung reiche es schon nach dem Wortlaut nicht aus, daß nur die Wasserverhältnisse geordnet und verbessert würden. Die Beschaffung von Wasser diene aber allenfalls der Ordnung und Verbesserung der Wasserverhältnisse. Der Senat hat sich in den Gründen dieser Entscheidung eingehend mit den Einwendungen auseinandergesetzt, die auch im vorliegenden Verfahren von dem Kläger vorgetragen werden. Er hat auch zu den Ausführungen von Kaspar Stellung genommen, auf die sich der Kläger ausdrücklich beruft. Schließlich hat bei dieser Entscheidung auch schon das Gutachten vorgelegen, auf das der Kläger ebenfalls Bezug nimmt. Der Senat sieht auch bei nochmaliger Prüfung aller Einwendungen keine Veranlassung, von seiner damaligen Entscheidung abzuweichen.

Es ist entgegen der Auffassung des Klägers keine "philologische Spitzfindigkeit", wenn der Senat schon aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 9 Buchstabe d GrStG den Schluß zieht, daß nur solche Einrichtungen durch diese Vorschrift begünstigt werden, die sowohl die Wasserverhältnisse als auch die Bodenverhältnisse verbessern und ordnen. Das ergibt sich eindeutig daraus, daß der Begriff "Wasserverhältnisse" und der Begriff "Bodenverhältnisse" durch das Wort "und" verbunden sind. An dieser Schlußfolgerung würde sich auch dann nichts ändern, wenn statt des Bindestrichs hinter "Wasser" das Bezugswort "Verhältnisse" ausgeschrieben worden wäre. Es ist zwar richtig, daß in dem Wasserverbandgesetz und in der Ersten Wasserverbandverordnung unter dem Begriff "Wasser- und Bodenverbände" sowohl Verbände verstanden werden, die nach ihrer Zweckrichtung nur die Wasserverhältnisse verbessern und ordnen, als auch solche Verbände, die nur die Bodenverhältnisse verbesren und ordnen, oder schließlich solche, die beide Zwecke verfolgen. Es ist fernr richtig, daß sich das Gesetz in abgekürzter Form als "Wasserverbandgesetz" und die Verordnung als "Wasserverbandverordnung" bezeichnet. Daraus läßt sich aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht folgern, daß auch in § 4 Nr. 9 Buchstabe d GrStG unter Verbesserung und Ordnung der "Wasser- und Bodenverhältnisse" alle diese verschiedenen Zweckrichtungen erfaßt werden. Der Senat hat in dem Urteil III 84/65 darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber, wenn er alle Einrichtungen, die den in § 2 Nr. 1 bis 11 WVG angegebenen Zwecken dienen, von der Grundsteuer hätte freistellen wollen, die Grundsteuerfreiheit im Wasserverbandgesetz selbst oder in der Ersten Wasserverbandverordnung in gleicher Weise hätte regeln können, wie er es in § 40 Abs. 1 Buchstabe a der 1. WVVO für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer getan hat. Deswegen ist es entgegen der Auffassung von Kaspar und des Gutachters im Falle des BFH-Urteils III 84/65 nicht entscheidend, daß der II. Senat in dem Urteil vom 23. Mai 1962 II 49/61 U (BFHE 75, 227, BStBl III 1962, 350) die Bestimmung des § 40 Abs. 1 Buchstabe a der 1. WVVO in einem erweiterten Sinn ausgelegt hat, wie der II. Senat in diesem Urteil selbst ausdrücklich ausgesprochen hat. Es muß dabei auch bedacht werden, daß zu der Zeit, als das Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936 erging, das Wasserverbandgesetz und die Erste Wasserverbandverordnung noch nicht erlassen waren, so daß es fraglich ist, ob die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchstabe d GrStG als eine Parallelbestimmung zu diesen später ergangenen Vorschriften gedacht sein konnte, zumal sich auch aus der amtlichen Begründung zum Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936 dafür nicht der geringste Anhaltspunkt ergibt. Auch aus Abschn. 67 GrStR läßt sich, wie der Senat bereits in dem Urteil III 84/65 ausgeführt hat, nichts für die Rechtsauffassung des Klägers entnehmen. Das gleiche gilt für den vom Kläger erwähnten Runderlaß des RdF vom 15. April 1940. Der Kläger beruft sich schließlich auch zu Unrecht darauf, daß die Verbote, die für seine Wasserschutzgebiete durch die Wasserschutzgesetzgebung bestehen, zu einer Verbesserung der Bodenverhältnisse führen. Diese Verbesserung der Bodenverhältnisse ist unmittelbar nur auf diese Wasserschutzmaßnahmen zurückzuführen. Eine mittelbare Förderung der begünstigten Zwecke reicht jedoch für die Grundsteuerbefreiung nicht aus (vgl. § 6 Abs. 1 GrStG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70754

BStBl II 1974, 177

BFHE 1974, 119

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