Leitsatz (amtlich)
Ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten der Steuerbilanz kann nur dann in die Vermögensaufstellung für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens übernommen werden, wenn der Sachverhalt, der zur Bildung des Rechnungsabgrenzungspostens geführt hat, bewertungsrechtlich zur Anerkennung einer Schuld führen muß.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62
Tatbestand
Die Revisionskläger betreiben ein Eheanbahnungsinstitut. Die Kunden des Instituts verpflichten sich, für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen eine pauschale Bearbeitungsgebühr zu zahlen, die bei Auftragserteilung fällig wird. Die Tätigkeit des Instituts beginnt erst nach der Entrichtung dieser Gebühr. Sie besteht darin, die Kunden mit anderen Heiratsuchenden in Verbindung zu bringen. Das FA setzte auf Grund einer Prüfung durch die Steuerfahndung die Einheitswerte für das Betriebsvermögen der Revisionskläger fest. Die Revisionskläger begehrten von dem Vermögen im jeweiligen Feststellungszeitpunkt einen Schuldabzug für ihrerseits noch nicht erfüllte Verträge zuzulassen.
Der Einspruch gegen die Einheitswertbescheide hatte nur insoweit Erfolg, als der Einheitswert zum 1. Januar 1958 ermäßigt wurde.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das FG begründete sein Urteil damit, daß die künftig zu erbringende unternehmerische Leistung keine Betriebsschuld darstelle.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wird erneut für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ein Schuldenabzug für noch nicht erfüllte Verträge begehrt. Die Revisionskläger beziehen sich auf ihre Ausführungen in dem Revisionsverfahren wegen der Einkommensteuerveranlagungen, das sie wegen derselben Rechtsfrage führten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Obwohl die Rechtsbeschwerde als Revision zu behandeln ist, richtet sich ihre Zulässigkeit nach den Vorschriften der AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung (= AO a. F.), da die angefochtene Entscheidung vor Inkrafttreten der FGO ergangen ist (§ 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Obwohl sie nicht in der in § 120 FGO vorgesehenen Frist begründet wurde, ist sie zulässig, denn im Gegensatz zu den §§ 120 Abs. 1, 124 Satz 2 FGO war nach der früheren Regelung in § 289 Abs. 1 AO a. F. die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht unerläßliche Voraussetzung ihrer Zulässigkeit.
Der BFH hat über die Revision der Revisionskläger wegen der Einkommensteuerveranlagungen durch Urteil IV 285/65 vom 17. August 1967 (BFH 90, 322, BStBl II 1968, 80) entschieden. Er hat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe nach § 656 BGB eine Rechtsverbindlichkeit nicht begründet werde. Die Leistungen auf Grund eines solchen Versprechens könnten jedoch nicht zurückgefordert werden, mit der Begründung, daß eine Verbindlichkeit nicht bestehe. Trotz des gesetzlich ausgeschlossenen Rückforderungsanspruchs des Kunden sei eine "tatsächlich bestehende Verbindlichkeit" zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages im Kulanzwege anzunehmen, weil ein Eheanbahnungsinstitut, das nicht nach diesen Grundsätzen handle, den Betrieb wegen geschäftlicher Mißerfolge bald einstellen müßte. Eine Rückstellung für eine Verbindlichkeit aus noch nicht erfüllten Verträgen hat der IV. Senat jedoch nicht zugelassen.
Wenn aber ertragsteuerlich eine Rückstellung nicht anerkannt werden kann, ist dies bei den strengeren Voraussetzungen des Bewertungsrechts für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auch nicht möglich.
Der IV. Senat hat jedoch in seiner Entscheidung IV 285/65 (a. a. O.) die Bildung eines Passivpostens wegen der vereinnahmten Pauschvergütungen unter dem Gesichtspunkt der Rechnungsabgrenzung zugelassen, wobei er darauf hinwies, daß ein solcher Passivposten auch aus der dem Ertragsteuerrecht eigenen dynamischen Bilanzauffassung gerechtfertigt sei. Zur Feststellung der Höhe der Rechnungsabgrenzungsposten für den jeweiligen Bilanzstichtag hat er die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Diese für eine Passivierung im Ertragsteuerrecht maßgebenden Gründe können für die Einheitsbewertung nicht übernommen werden. Die Steuerbilanz dient dazu, den Gewinn des Wirtschaftsjahres zutreffend auszuweisen. In der Vermögensaufstellung ist dagegen das Vermögen eines bestimmten Stichtags nach den Vorschriften des BewG darzustellen. Für die Vermögensaufstellung müssen daher dynamische Gesichtspunkte außer Betracht bleiben. Für die Entscheidung der Frage, ob ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten in die Vermögensaufstellung übernommen werden kann, kommt es darauf an, ob der Sachverhalt, der zur Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens geführt hat, bewertungsrechtlich zur Anerkennung einer Schuld führen muß (vgl. BFH-Urteil III 142/61 U vom 14. Februar 1964, BFH 79, 85, BStBl III 1964, 264 unter III.). Nach § 62 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung kommt ein Schuldabzug grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Schuld im maßgeblichen Feststellungszeitpunkt bürgerlich-rechtlich schon entstanden und noch nicht erloschen war. Der IV. Senat hat in seinem Urteil IV 285/65 (a. a. O.) die Verpflichtung der Revisionskläger als "tatsächlich bestehende Verbindlichkeit" betrachtet. Eine derartige tatsächliche Verbindlichkeit kann bewertungsrechtlich zu keinem Schuldabzug führen, es sei denn, daß es sich um wiederkehrende Leistungen nach Art einer Rente handelt, mit deren weiterer Erfüllung nach den Verhältnissen des Feststellungszeitpunkts auf Grund vieljähriger Übung mit Sicherheit gerechnet werden kann (BFH-Urteil III 9/54 S vom 5. November 1954, BFH 59, 447, BStBl III 1954, 381). Ein derartiger Sachverhalt ist aber im Streitfall nicht gegeben. Der begehrte Schuldabzug mußte deshalb versagt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 68478 |
BStBl II 1969, 310 |
BFHE 1969, 111 |