Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Durchführung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (NV)
1. Zur Durchführung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses gehört grundsätzlich die regelmäßige Zahlung des geschuldeten Arbeitslohnes.
2. Ein Darlehensvertrag kann grundsätzlich nur dann an die Stelle der Zahlung treten, wenn er seinerseits nach Inhalt und Durchführung einem Fremdvergleich standhält. Dazu gehören insbesondere Vereinbarungen über die Sicherung der Darlehenssumme sowie über Art und Zeit der Rückzahlung.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Unternehmen für . . . Seine Ehefrau ist bei ihm als Arbeitnehmerin beschäftigt. Unter dem Datum vom 5. Januar 1972 schlossen die Eheleute eine ,,Tantieme-Vereinbarung", in der es u. a. heißt:
,,Die Arbeitnehmerin erhält neben ihrem regelmäßigen festen Monatsgehalt ab 1. Januar 1972 eine Tantieme von 10 % . . . des steuerlichen Reingewinnes vor Bildung der Gewerbesteuer-Rückstellung. Die Höhe der Tantieme wird endgültig bei der Aufstellung der Steuerbilanz festgestellt. . . .
Bei dieser Tantieme handelt es sich um eine Brutto-Vergütung . . . Die Arbeitnehmerin ist berechtigt, angemessene a-cto-Zahlungen auf die Tantieme zu verlangen bzw. die Restauszahlung der Netto-Tantieme zu begehren. Macht sie von diesem Recht keinen Gebrauch, so gilt die Tantieme vom 1. 1. d. Jahres, das auf das Jahr folgt, für das die Tantieme gebildet wurde, Herrn A als Darlehen zur Verfügung gestellt. Das Darlehen ist mit einem Betrag von 10 % jährlich zu verzinsen und kann von der Arbeitnehmerin mit einer Frist von 6 Wochen zu jedem Quartalsende gekündigt werden. Weiteres wollen die Vertragschließenden nicht vereinbaren. Soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gelten die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen. . . ."
In den Streitjahren 1972 und 1973 wurde die Tantieme auf 16 328 DM bzw. 39 899 DM beziffert. Diese Beträge setzte der Kläger als Betriebsausgaben ab und passivierte, nachdem seine Ehefrau von ihrem Recht auf Auszahlung der Tantieme keinen Gebrauch machte, unter Abzug von Lohn- und Kirchensteuern entsprechende Darlehensverbindlichkeiten.
Das Darlehenskonto wies zum 31. Dezember 1972 einen Stand von 11837,80 DM auf und erhöhte sich zum Ende des Jahres 1973 auf 36 042,30 DM. In den Folgejahren entwickelte sich dieses Konto wie folgt:
31. Dezember 1974 53 727 DM
31. Dezember 1975 82 003 DM
31. Dezember 1976 91 886 DM
31. Dezember 1977 103 831 DM
31. Dezember 1978 117 329 DM
31. Dezember 1979 137 167 DM.
Im Jahr 1976 wurde ein Betrag des Darlehens in Höhe von 13 015 DM zurückgezahlt. Die seit 1973 angefallenen Darlehenszinsen wurden nicht ausgezahlt, sondern jeweils dem Darlehenskonto ,,nachträglich gutgeschrieben". Steuerabzugsbeträge für die Tantiemen der Jahre 1973 und 1974 wurden nicht angemeldet und abgeführt, Abzugsbeträge für 1972 erst im Jahr 1974 angemeldet und entrichtet.
Nach einer Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Abzug des Tantiemeaufwands beim Gewerbeertrag und der Darlehensverbindlichkeit beim Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1973.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage abgewiesen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die Entscheidung des FG weiche ab von Grundsätzen der Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84 (BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48) und vom 4. November 1986 VIII R 82/85 (BFHE 148, 520, BStBl II 1987, 336). Ein Arbeitsverhältnis sei hinsichtlich der Entlohnung bereits dann tatsächlich durchgeführt worden, wenn der Anspruch auf Arbeitslohn durch Erfüllung oder durch Leistung an Erfüllungs Statt erloschen sei. Nach dem Urteil in BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48 komme es auf die Modalitäten der Darlehensgewährung nicht mehr an. Die gegenteilige Auffassung des FG verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Seiner Ehefrau sei aufgrund ihrer Tätigkeit als kaufmännische Geschäftsführerin die gute wirtschaftliche Lage der Firma bekannt gewesen. Er wäre jederzeit in der Lage gewesen, durch Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits mit einem Kreditrahmen von 250 000 DM die zum 31. Dezember 1972 und 1973 bestehenden Darlehensforderungen zurückzuzahlen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Gewerbesteuer nach einem um 16 328 DM (1972) und 39 899 DM (1973) verminderten Gewerbeertrag festzusetzen und den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1973 unter Berücksichtigung einer zusätzlichen Darlehensverpflichtung in Höhe von 11 837 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG konnte den festgestellten Sachverhalt ohne Rechtsverstoß dahin würdigen, daß der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bezüglich der Auszahlung der Tantieme nicht so vereinbart und durchgeführt wurde, wie dies zwischen Fremden üblich wäre. Es hat daher den Abzug der Tantiemen als Betriebsausgaben und des Darlehens als betrieblicher Schuld zu Recht abgelehnt.
1. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich grundsätzlich unter der Voraussetzung anzuerkennen, daß sie ernstlich vereinbart und der Vereinbarung entsprechend tatsächlich durchgeführt werden. Vertragsgestaltung und -durchführung sind daraufhin zu prüfen, ob sie auch zwischen Fremden üblich wären (vgl. Urteil in BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48, m.w.N.). Zur tatsächlichen Durchführung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses gehört nicht nur, daß der Ehegatte im Betrieb des anderen Ehegatten tatsächlich mitarbeitet, sondern auch, daß die vereinbarten Entgelte in den Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangen, der vom Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitgeber-Ehegatten klar und eindeutig getrennt ist (BFH-Beschluß vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160).
Werden Gehaltsteile eines Arbeitnehmer-Ehegatten nicht zum Fälligkeitszeitpunkt ausgezahlt, sondern im Betrieb stehengelassen, so ist es - bezogen auf den Streitfall - nach ständiger Rechtsprechung zur Anerkennung des Arbeitsverhältnisses erforderlich, daß ein wie unter Fremden üblicher Darlehensvertrag zwischen den Ehegatten abgeschlossen wird. Werden das Gehalt oder Gehaltsbestandteile nicht zu den üblichen Lohnzahlungszeitpunkten ausbezahlt, so ist einem Arbeitsvertrag zwischen Angehörigen die einkommensteuerrechtliche Anerkennung zu versagen, es sei denn, daß im Fälligkeitszeitpunkt nachweislich ein Darlehensvertrag bestanden hatte, der seinerseits insbesondere hinsichtlich der Verzinsung und der Rückzahlung des Darlehens wiederum einem Fremdvergleich standhält (zuletzt BFH-Urteil vom 14. Juli 1988 IV R 39/86, BFH/NV 1989, 155).
b) Von diesen Grundsätzen geht auch der VIII. Senat des BFH in BFHE 142, 215, 218, BStBl II 1986, 48 aus. Darüber hinaus legt er dar, daß die freiwillige Überlassung von zuvor ausgezahltem Nettolohn als Darlehen an den Arbeitgeber-Ehegatten die steuerrechtliche Qualität des Arbeitsverhältnisses nicht mehr rückwirkend verändern könne. Ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis sei tatsächlich wie unter Fremden üblich vollzogen, wenn Leistung und Gegenleistung erbracht seien. Nach Erfüllung der dem Arbeitgeber obliegenden Lohnzahlungspflicht durch Auszahlung des Arbeitslohnes könne diese Erfüllungshandlung des Arbeitgebers nicht mehr rückwirkend beseitigt werden. Eine Abweichung von den Rechtsgrundsätzen des BFH-Urteils vom 23. April 1975 I R 208/72 (BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579) liege nicht vor, da es in jenem Falle weder zu einer Auszahlung des Gehalts noch zu einem Angebot auf Auszahlung im Fälligkeitszeitpunkt gekommen sei.
Dem Urteil in BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48 lag ein anderer Sachverhalt als der hier zu beurteilende zugrunde. In jenem Verfahren hatte das FG revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) festgestellt, daß der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft zu jedem Gehaltszeitpunkt das Nettogehalt zur Auszahlung angeboten, die Arbeitnehmer-Ehefrau diese Angebote angenommen und danach aufgrund eines jedesmal neu gefaßten Entschlusses verfügt hatte, das Gehalt ihrem Darlehenskonto bei der Gesellschaft gutschreiben zu lassen. Hieraus hat der VIII. Senat des BFH gefolgert, daß die Arbeitnehmerin zu jedem Gehaltszahlungszeitpunkt ein freies Verfügungsrecht über ihr Nettogehalt hatte, und zwar ohne daß sie verpflichtet gewesen wäre, die Gehaltsforderung in eine Darlehensforderung umzuwandeln. Sie habe vereinbarungsgemäß jederzeit frei über die angesammelten Gelder verfügen können (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 72/84, BFH/NV 1989, 291).
Die zeitlich nachfolgende Rechtsprechung hat weiterhin darauf abgestellt, ob das Gehalt oder Gehaltsbestandteile zu den üblichen Lohnzahlungszeitpunkten ausgezahlt wurden (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 IV R 322/84, BFHE 148, 168, BStBl II 1987, 121; in BFH/NV 1989, 155). Das BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 161/82 (BFH/NV 1987, 414, unter 2. d) betont, daß das Urteil in BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48 zu einem besonders gelagerten Sachverhalt ergangen ist.
c) Kann der Arbeitnehmer-Ehegatte - wie das FG hier rechtsfehlerfrei festgestellt hat - nicht in der vorstehend zu b) gekennzeichneten Weise über sein Gehalt verfügen, kann für die Frage der Anerkennung des Ehegatten-Arbeitsverhältnisses der Darlehensvertrag nicht außer Betracht bleiben. Der Fremdvergleich ist durchzuführen unter den Gesichtspunkten insbesondere der Verzinsung, der Sicherung und der Rückzahlung des Darlehens.
Der zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau geschlossene Darlehensvertrag erfüllt die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen nicht:
- Das FG hat festgestellt, daß die Zinsen, die nach § 608 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nach Ablauf je eines Jahres fällig und an die Darlehensgläubigerin zu entrichten waren, nicht zu den Fälligkeitszeitpunkten entrichtet worden sind, ohne daß dieser Verfahrensweise eine eindeutige und klare Abänderung der Tantiemevereinbarung vom 5. Januar 1972 vorangegangen wäre. Zulässige und begründete Revisionsrügen gegen diese Feststellung hat der Kläger nicht erhoben.
- Bei langfristigen Darlehen kommt der Sicherung der Darlehenssumme besondere Bedeutung zu. Selbst günstige Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Darlehenshingabe gewährleisten nicht, daß der Schuldner auch bei Fälligkeit des Darlehens seinen Verpflichtungen noch nachkommen kann. Deshalb hat die Rechtsprechung des BFH langfristige Darlehensverhältnisse zwischen Angehörigen stets nur berücksichtigt, wenn der Darlehensnehmer ausreichende Sicherheiten gestellt hat (BFH-Urteile vom 14. April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555; vom 7. Mai 1987 IV R 73/85, BFH/NV 1987, 765, jeweils m.w.N.). Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, seiner Ehefrau seien die wirtschaftlich günstige Situation des Unternehmens und die von einem Kreditinstitut eingeräumte Kreditlinie bekannt gewesen. Er war nicht gehindert, den Kontokorrentkredit in vollem Umfang für andere Zwecke als die Rückzahlung des Darlehens zu verwenden. Es lag nahe, daß sodann die von dem Kreditinstitut nach satzungsmäßigen Grundsätzen überprüfte Höchstgrenze für einen - ungesicherten - Personalkredit überschritten war.
- Im Darlehensvertrag ist keine Vereinbarung über die Laufzeit bzw. die Rückzahlung des Darlehens getroffen. Zwar enthält der Vertrag eine Kündigungsvereinbarung, die der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 609 Abs. 2 1. Halbsatz BGB) entspricht. Dies ersetzt jedoch nicht die nach allgemeiner Lebenserfahrung zwischen fremden Personen regelmäßig übliche Vereinbarung über Art und Zeit der Rückzahlung eines Darlehens (ständige Rechtsprechung: z. B. BFH-Urteile vom 29. Februar 1972 VIII R 45/66, BFHE 105, 263, BStBl II 1972, 533; vom 5. Februar 1988 III R 234/84, BFH/NV 1988, 628, m.w.N.).
2. Da, wie vorstehend dargelegt, das Darlehen nicht wie unter Fremden üblich vereinbart worden ist, war das FG-Urteil auch insoweit zu bestätigen, als es den Abzug der Darlehensschuld als Betriebsschuld versagt hat.
3. Das angefochtene Urteil verletzt nicht Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, daß den von der Rechtsprechung des BFH aufgestellten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Anforderungen an die steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen der Beschluß vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, 494/82 und 47/83 (BVerfGE 69, 188, 206 - zur Betriebsaufspaltung -) nicht entgegenstehe (BVerfG-Beschluß vom 26. September 1988 1 BvR 766/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz ab 1975, § 4 Abs. 4, Rechtsspruch 152): Das BVerfG hat mit seiner Entscheidung in BVerfGE 69, 188, 206 beantstandet, daß eine Vermutung gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen von Ehegatten zu einer Umkehrung der Feststellungslast für einen steuerbegründenden Tatbestand geführt hatte. Im Gegensatz hierzu obliegt die objektive Feststellungslast für Grund und Höhe von Betriebsausgaben, Werbungskosten und Betriebsschulden ohnehin dem Steuerpflichtigen (vgl. auch BVerfG-Beschluß vom 18. August 1987 1 BvR 488/87, StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs. 4, Rechtsspruch 97 = Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1988, 242).
Fundstellen
Haufe-Index 416904 |
BFH/NV 1990, 695 |