Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für ,,Berlin"-Anhänger
Leitsatz (NV)
1. Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für das Halten von ,,Berlin"-Anhängern; hier: Zugehörigkeit zum Anlagevermögen eines Berliner Betriebes (Einsatz der Anhänger von Berlin aus).
2. Zur Schlüssigkeit der Aufklärungsrüge.
Normenkette
DVO 1978 / KraftStÄndG Bln 1950 § 1 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 76
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der in Berlin einen Großhandel betreibt, ist Halter mehrerer in Berlin zugelassener Kraftfahrzeuganhänger, mit denen Waren von der Betriebsstätte des Klägers in A nach Berlin befördert wurden. Für das Halten der Anhänger war dem Kläger von dem beklagten und revisionsbeklagten Finanzamt (FA) zunächst Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der - inzwischen außer Kraft gesetzten - Verordnung vom 8. Februar 1978 zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 3. August 1950 (Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin 1978, 745, Steuer- und Zollblatt Berlin 1978, 637) - DVO - gewährt worden. Nach einer Überprüfung setzte das FA gegen den Kläger Kraftfahrzeugsteuer fest, weil es die Verbleibensvoraussetzungen der Steuerbefreiung hinsichtlich verschiedener Entrichtungszeiträume nicht für gegeben hielt.
Vor dem von ihm angerufenen Finanzgericht (FG) machte der Kläger in der ersten mündlichen Verhandlung Angaben zu Fragen des Einsatzes der Anhänger (in A), die er aufgrund eines gerichtlichen Auflagenbeschlusses später ergänzte (u. a.: Entscheidung über den Einsatz des jeweiligen Fahrzeugs in Berlin). Das FG wies die Klage ab. Es könne dahinstehen, ob die Verbleibensvoraussetzung erfüllt sei, denn jedenfalls hätten die Anhänger nicht zum Berliner Anlagevermögen des Klägers gehört. Kraftfahrzeuganhänger gehörten zum Anlagevermögen der Betriebstätte, zu der sie stets zurückkehrten, bei der sie gewartet würden und ihren tatsächlichen Standplatz hätten und von der aus die Entscheidung über den jeweiligen Einsatz getroffen würde. Allein die Durchführung von Wartungsarbeiten neben der Bilanzierung und Zulassung in Berlin reiche nicht aus, um eine Zugehörigkeit zum Anlagevermögen der Berliner Betriebsstätte zu bejahen. Die Einsatzentscheidung werde in A getroffen; dorthin kehrten die Fahrzeuge zurück; dort würden größere, im voraus geplante Arbeiten durchgeführt. Diese Umstände führten zur Zugehörigkeit der Anhänger zum Anlagevermögen der Betriebsstätte in A. Der Auffassung des Klägers, über den Einsatz der Anhänger werde von Berlin aus dadurch entschieden, daß durch die Bestellung aus Berlin die Transportmenge und damit der Anhänger vorgegeben würde, sei nicht zu folgen. Der Kläger verfüge jeweils über mehrere Anhänger mit etwa gleicher Tragkraft. Wie er - auch in der zweiten mündlichen Verhandlung - angegeben habe, sei ihm nicht bekannt gewesen, welcher Anhänger gerade einsatzbereit gewesen sei. Hieraus folge, daß der Umfang der Bestellung nicht den Schluß rechtfertige, über den jeweiligen Einsatz eines bestimmten Fahrzeugs sei in Berlin entschieden worden.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Revision macht der Kläger in erster Linie geltend, die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen einer Berliner Betriebsstätte werde durch Aufhebung der räumlichen Bindung des Wirtschaftsguts nicht aufgegeben oder unterbrochen. Bestehe nur eine Betriebsstätte in Berlin, so könne die Aufgabe der räumlichen Bindung die Zugehörigkeit zum Berliner Anlagevermögen nicht in Frage stellen. Ebenso verhalte es sich bei Vorhandensein mehrerer Betriebsstätten in Berlin und im übrigen Bundesgebiet; auch insoweit entscheide die funktionelle Bindung an die Betriebsstätte. Die Anhänger seien der Berliner Betriebsstätte - Hauptniederlassung - zuzurechnen; bei ihr wirke sich der Ertrag aus, der wirtschaftlich aus der Nutzung der Fahrzeuge gewonnen werde. Der Fahrzeugeinsatz richte sich zwangsläufig nach dem von der Berliner Hauptniederlassung disponierten Transportbedarf. Auf Weisungen über den Einsatz von Berlin aus komme es nicht an. Im übrigen habe das FG seine Aufklärungspflicht verletzt. Es hätte nicht ohne weiteres von der - mißverstandenen - Darstellung des Klägers in der ersten mündlichen Verhandlung ausgehen dürfen, sondern weitere Feststellungen zur Zugehörigkeit der Anhänger zum Berliner Anlagevermögen treffen müssen, die vergünstigungsrechtlich stets anerkannt worden sei. Das FG hätte sodann zu prüfen gehabt, ob die Verbleibensvoraussetzung der Steuerbefreiung erfüllt gewesen sei. Dies wäre im Streitfall zu bejahen gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zurückzuweisen, weil sie nicht begründet ist (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, daß die angefochtenen Bescheide im Ergebnis nicht zu beanstanden sind. Dem Kläger steht für das Halten seiner Anhänger die begehrte Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nicht zu.
Die Verfahrensrüge (§ 76 FGO) greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob sie zulässig erhoben ist (zu den - entsprechenden - Anforderungen bei der Geltendmachung eines Aufklärungsmangels im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision insbesondere Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, 1986, Rdnr. 228). Jedenfalls ist die Aufklärungsrüge nicht schlüssig. Ihre Schlüssigkeit setzt voraus, daß die nichtberücksichtigten Tatsachen auch aus der Sicht des FG erheblich waren (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 120 Anm. 39). Die vom Kläger vermißte Aufklärung über die Zugehörigkeit der Anhänger zum Berliner Anlagevermögen (im vergünstigungsrechtlichen Sinne) war aber für das FG ohne Bedeutung, da dieses allein auf die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung abgestellt und ausdrücklich erkannt hat, es sei kraftfahrzeugsteuerrechtlich unerheblich, ob das Betriebs-Finanzamt die Voraussetzungen für die in Betracht kommenden Vergünstigungen - Berlin-Förderung - als erfüllt angesehen habe.
Auch mit der Sachrüge vermag die Revision nicht durchzudringen.
Die Vorinstanz hat aufgrund der von ihr getroffenen Feststellungen zutreffend erkannt, daß die Kraftfahrzeuganhänger des Klägers nicht zum Anlagevermögen seines Berliner Betriebs (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 DVO) gehört haben. Wie der Senat entschieden hat (Beschluß vom 14. Mai 1991 VII B 187/90, BFH/NV 1992, 137 f. m. N.; vgl. auch Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, Einführung Anm. 2), ist eine rein buchmäßige Zuordnung zum Anlagevermögen nicht ausreichend; erforderlich ist vielmehr, daß die Anhänger tatsächlich dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb des Berliner Betriebes (Betriebsstätte) zu dienen. Das ist - nur - bei Anhängern der Fall, die stets zu dem Berliner Betrieb zurückkehren und von dort aus gewartet und eingesetzt werden; auf außerkraftfahrzeugsteuerrechtliche Regelungen mit möglicherweise anderen Voraussetzungen für die Zurechnung zum Anlagevermögen kommt es insoweit nicht an. Von diesen Grundsätzen ist - richtig - auch die Vorinstanz ausgegangen. Die Angriffe der Revision geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß. Es ist zwar richtig, daß Berlin-Anhänger eines Halters, der nur einen Betrieb in Berlin und keine Betriebsstätten im übrigen Bundesgebiet unterhält, stets dem (Berliner) Anlagevermögen zuzurechnen sind, doch ergibt sich daraus nicht, daß dies auch bei Vorhandensein von Betriebsstätten im übrigen Bundesgebiet gelten müsse. Bestehen dort und in Berlin Betriebstätten, so ist nach den dargestellten Grundsätzen zu entscheiden, welchem betrieblichen Anlagevermögen die Fahrzeuge zuzuordnen sind. Im Streitfall hat das FG festgestellt - auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers in der letzten mündlichen Verhandlung -, daß die maßgebenden Einsatzentscheidungen nicht in Berlin, sondern in A getroffen worden sind. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Ebenfalls bindend ist die tatrichterliche Würdigung der festgestellten Tatsachen. Sie ist revisionsrechtlich unangreifbar, weil sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Gräber / Ruban, a. a. O., § 118 Anm. 29).
Ist hiernach davon auszugehen, daß die erste Voraussetzung der Kraftfahrzeugsteuerbefreiung des Haltens der Anhänger des Klägers - Zugehörigkeit zum Anlagevermögen des Berliner Betriebes - nicht gegeben war, so konnte sich nicht mehr die Frage stellen, ob die Fahrzeuge in dem Berliner Betrieb verblieben waren (zur Verbleibensvoraussetzung der Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 DVO Senat in BFH/NV 1992, 137). In einem solchen Betrieb ,,verbleiben" können nur Anhänger, die zum Anlagevermögen eines Berliner Betriebes gehören. Es ist somit nicht zu beanstanden, daß das FG, nachdem es die Befreiungsvoraussetzung der Zugehörigkeit verneint hat, auf die (hypothetische) Frage eines Wegfalls der Verbleibensvoraussetzung nicht eingegangen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 423109 |
BFH/NV 1992, 697 |