Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnabführung zwischen Schwestergesellschaften nicht gesellschaftsteuerbar
Leitsatz (NV)
Eine Gewinnabführung zwischen Schwestergesellschaften unterliegt nur dann der Gesellschaftsteuer, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles eine Zahlung des gemeinsamen Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere ist. Daran fehlt es, wenn zwischen den beiden Gesellschaften ein selbständiges Rechtsverhältnis besteht, das rechtlich gesehen die ,,causa" für die Zahlung bildet.
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, § 4; Richtlinie 69/335/EWG Art. 4 Abs. 2 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die mit der T-GmbH am 9.1. 1979 einen Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag abschloß, auf Grund dessen die T-GmbH in den Betrieb der Klägerin eingegliedert wurde. Die Anteile an der T-GmbH wurden von A und B in ihrem Sonderbetriebsvermögen als Kommanditisten der Klägerin.
Die T-GmbH erzielte in den Jahren 1979 bis 1984 teils Gewinne und teils Verluste. Die Klägerin und die T-GmbH verrechneten den Anspruch der Klägerin auf Gewinnabführung mit dem Anspruch der T-GmbH auf Verlustübernahme. Das Finanzamt (FA) vertrat deshalb die Auffassung, daß die Kommanditisten der Klägerin in den Gewinnjahren der T-GmbH einen gemäß § 2 Abs. 1 Nr.4 Buchst. a i.V. mit § 4 KVStG 1972 gesellschaftsteuerbaren Zuschuß an die Klägerin geleistet hätten.
Das Finanzgericht (FG) Hamburg teilte diese Auffassung nicht und gab der Klage statt. Sein Urteil ist in EFG 1991, 349, veröffentlicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr.4 Buchst. a KVStG 1972 unterliegen Zuschüsse als freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn sie geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft und was unter ihrem Gesellschafter zu verstehen ist. Nach § 5 Abs. 2 Nr.3 KVStG 1972 gelten Kommanditgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland u.a. dann als inländische Kapitalgesellschaft, wenn zu ihren persönlich haftenden Gesellschaftern eine GmbH gehört. Die Kommanditisten einer derartigen GmbH & Co. KG sind gemäß § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr.1 KVStG 1972 deren Gesellschafter.
Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin in den Jahren 1979 bis 1984 eine GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland war. Sie war deshalb Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 2 Nr.3 KVStG 1972. Kommanditisten der Klägerin waren A und B. Sie waren deshalb die Gesellschafter der Klägerin i.S. des § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr.1 KVStG 1972.
2. Ein Zuschuß i.S. des § 2 Abs. 1 Nr.4 Buchst. a KVStG 1972 setzt eine freiwillige Leistung eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an diese voraus. Daran fehlt es im Streitfall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), war die Klägerin ab dem Jahre 1979 aufgrund eines Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrags Organträgerin im Verhältnis zur T-GmbH. Gesellschafter der T-GmbH waren A und B. Sie hielten die Geschäftsanteile in ihren Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin. Die T-GmbH führte ihre Gewinne 1980, 1982, 1983 und 1984 dadurch an die Klägerin teilweise ab, daß sie die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Übernahme der Verluste 1979 und 1981 erklärte. Die entsprechende Gewinnabführung hatte ihren Rechtsgrund in dem Ergebnisabführungsvertrag vom 9. Januar 1979. Sie war zivilrechtlich eine Leistung der T-GmbH an die Klägerin. Da die Gesellschaftsteuer als Verkehrsteuer an die Zivilrechtslage anknüpft, kann die Leistung der T-GmbH nicht zugleich eine Leistung von A und B (Gesellschafter der Klägerin) sein.
3. Allerdings wird nach § 4 KVStG 1972 die Steuerpflicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr.4 Buchst. a KVStG 1972 nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Zuschuß nicht von den Gesellschaftern, sondern von einer Personengesellschaft bewirkt wird, an der die Gesellschafter der Klägerin (A und B) als Gesellschafter beteiligt sind. Bei der Auslegung des § 4 KVStG 1972 ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Richtlinie 69/335/ EWG keine entsprechende Regelung enthält. Eine Anwendung des § 4 KVStG 1972 kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Leistung der Personenvereinigung auch unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG als steuerpflichtige Leistung angesehen werden kann. Zu dieser Rechtsfrage hat der erkennende Senat durch Beschluß vom 31. Oktober 1990 I R 90/88 (BFHE 162, 574, BStBl II 1991, 371) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) eingeholt. Das Urteil des EuGH vom 13. Oktober 1992 Rs.C-49/91 ist den Beteiligten bekannt und in Höchstricherliche Finanzrechtsprechung (HFR) 1993, 47 sowie in EuZW 1992, 736 veröffentlicht. Soweit die Entscheidung die Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/ EWG betrifft, ist der erkennende Senat an sie gebunden.
Das Urteil des EuGH ist allerdings auslegungsbedürftig. Dessen Rechtsaussage, daß eine Gewinnabführung dann nicht der Gesellschaftsteuer unterliegt, wenn ihr Empfänger Gesellschafter der den Gewinn abführenden Gesellschaft ist, trifft den Streitfall nicht, weil die Klägerin gesellschaftsrechtlich an der den Gewinn abführenden T-GmbH nicht beteiligt war. Die Entscheidung des erkennenden Senats muß sich deshalb auf die Rechtsaussage des EuGH stützen, daß die Gewinnabführung nur dann der Gesellschaftsteuer unterliegt, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls eindeutig eine Zahlung des gemeinsamen Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere ist. Daran fehlt es, wenn zwischen den beiden Gesellschaften ein selbständiges Rechtsverhältnis besteht, das rechtlich gesehen die ,,causa" der Zahlung bildet. Diese Auslegung entspricht den Schlußanträgen des Generalanwalts F.G. Jacobs, wie er sie in der Sitzung vom 14. Mai 1992 in der Rechtssache C-49/91 vorgetragen hat. Die Begründung des Urteils läßt nicht erkennen, daß der EuGH von den Schlußanträgen des Generalanwalts wesentlich abweichen wollte. Die Auslegung steht allerdings in Widerspruch zu der Stellungnahme der Kommission im Schriftsatz vom 21. Mai 1991 in der Rechtssache C-49/91. Dazu ergibt sich jedoch aus dem Tenor des Urteils des EuGH, daß dieser der Rechtsauffassung der Kommission nicht gefolgt ist.Da das KVStG 1972 der Umsetzung der Richtlinie 69/335/EWG in deutsches Steuerrecht dient, ist davon auszugehen, daß § 4 KVStG 1972 nur in dem Umfang anwendbar ist, wie der Bundesrepublik Deutschland eine Besteuerung nach der Richtlinie möglich war. Dazu ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG einerseits und auf der Grundlage der vorgenommenen Auslegung des EuGH-Urteils vom 13. Oktober 1992 Rs.C-49/91 andererseits, daß im Streitfall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 KVStG 1972 nicht verwirklicht sind. A und B hatten zwar als Gesellschafter der T-GmbH durch ihre Zustimmung zu dem Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag vom 9. Januar 1979 auf ihr allgemeines Gewinnbezugsrecht verzichtet. Die Klägerin bezog den abgeführten Gewinn jedoch aus eigenem Recht. Die Gewinnabführung war keine Zahlung von A und B, die diese durch die T-GmbH ausführen ließen.
Dem steht nicht entgegen, daß im Streitfall die Gewinnabführungsverpflichtung durch Aufrechnung (§ 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) gegenüber einer Verbindlichkeit auf Verlustausgleich erfüllt wurde. Die Aufrechnung ist lediglich eine besondere Form der Erfüllung (§§ 362 ff. BGB), deren Wirkung rechtlich wie die Erfüllung durch Zahlung zu behandeln ist. Aus § 2 Abs. 2 KVStG 1972 ergibt sich nichts anderes. Einerseits muß die dort getroffene Regelung hinter dem Inhalt der Richtlinie 69/335/EWG zurücktreten. Andererseits sind im Streitfall die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt. Es steht weder die Besteuerung einer Verlustübernahme i.S. des § 2 Abs. 2 Nr.1 noch die eines Verzichts von A und B i.S. des § 2 Abs. 2 Nr.2 KVStG 1972 zur Diskussion.
4. Wurden im Streitfall die Tatbestandsvoraussetzngen des § 4 KVStG 1972 nicht verwirklicht, so fehlt es an dem Bewirken einer gesellschaftsteuerbaren Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr.4 Buchst. a KVStG 1972. Dies entspricht im Ergebnis der Rechtsauffassung des FG, weshalb dessen Entscheidung kein Bundesrecht verletzt. Die Revision des FA war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 419112 |
BFH/NV 1993, 683 |