Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung bei einem vereinbarten Wettbewerbsverbot - Nichtgeltendmachung eines zivilrechtlich bestehenden Anspruchs - Angemessenheit des Kaufpreises bei Verkauf an nahestehende Person
Leitsatz (amtlich)
1. Ist im Gesellschaftsvertrag einer GmbH ein Wettbewerbsverbot i.S. des § 112 HGB vereinbart, so läßt die Einwilligung aller Gesellschafter die Wettbewerbshandlung erlaubt sein. Die Einwilligung setzt keinen Beschluß der Gesellschafterversammlung voraus.
2. Die bloße Nichtgeltendmachung eines zivilrechtlich bestehenden Anspruchs einer GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern hat keine Erfüllungswirkung.
3. Verkauft eine GmbH an eine ihr nahestehende GbR Werbeartikel mit einem Aufschlag von nur 5 vH gegenüber dem Einkaufspreis, die die GbR anschließend mit Gewinn weiterverkauft, so besteht Anlaß zu der Prüfung der Frage, ob der der GbR in Rechnung gestellte Kaufpreis angemessen war.
Normenkette
GmbHG §§ 53-54; HGB § 112 Abs. 1; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1988 gegründete GmbH, die eine Werbeagentur betreibt. Zum formellen Satzungsgegenstand der Klägerin gehört u.a. der Verkauf und die Vermittlung von absatzfördernden Werbemitteln, Werbeartikeln und Werbeträgern aller Art. Gesellschafter zu je 50 v.H. sind die beiden Drucktechniker B und R. In § 6 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin ist das Wettbewerbsverbot gemäß § 112 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) mit der Erweiterung für die Gesellschafter vereinbart, daß keiner von ihnen außerhalb der Klägerin in deren Tätigkeitsbereich selbständig oder unselbständig, gelegentlich oder mittelbar, beratend oder in anderer Weise tätig werden darf. Für den Fall der Zuwiderhandlung war eine Vertragsstrafe von 10 000 DM vereinbart. Nach § 8 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 des Gesellschaftsvertrages konnten Gesellschafterbeschlüsse zwar auch telefonisch oder mündlich gefaßt werden. Sie mußten jedoch allen Gesellschaftern gegenüber schriftlich bestätigt werden. Die Unwirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen konnte nur innerhalb eines Monats nach der Protokollierung, längstens jedoch innerhalb von sechs Monaten nach Beschlußfassung geltend gemacht werden.
Mit Vertrag vom 31. Oktober 1989 gründeten B und R die Vertriebsgesellschaft L+L GbR. B und R waren an der L+L GbR zu je 50 v.H. beteiligt. Zweck der Gesellschaft war der Vertrieb und Versand von Werbemitteln. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages mußten B und R ihre volle Arbeitskraft dem Betrieb der L+L GbR zur Verfügung stellen. Eine schriftliche Aufgabenabgrenzungsvereinbarung bestand zwischen der Klägerin und der L+L GbR nicht.
Die L+L GbR erzielte für 1990 einen Gewinn in Höhe von 145 726 DM, für 1991 einen solchen in Höhe von 64 976 DM und für 1992 einen solchen in Höhe von 126 679 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm in Höhe dieser Beträge verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) der Klägerin an B und R wegen eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot an. Er stellte fest, daß auch die Klägerin Massenwerbeartikel vertrieb und daß die Klägerin den Einkauf der von der L+L GbR vertriebenen Massenwerbeartikel übernommen hatte. Diese waren mit einem Gewinnaufschlag von 5 v.H. an die L+L GbR weiterverkauft worden.
Am 10. Dezember 1992 führten B und R bei der Klägerin eine Gesellschafterversammlung durch und beschlossen notariell beurkundet die Aufhebung des Wettbewerbsverbotes.
Das FA erließ am 11. November 1994 geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1990 bis 1992 und am 25. November 1994 entsprechend geänderte Gewerbesteuermeßbescheide 1990 und 1991. Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin als unbegründet ab. Es ließ die Revision zu. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 487 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 8 Abs. 3 Satz 2 und 27 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 1. Oktober 1996 13 K 1554/95, die angefochtenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide in der Weise zu ändern, daß die vom FA als vGA angesetzten Beträge dem Unterschiedsbetrag nicht hinzugerechnet werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um das Vorliegen von vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und anderer Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG abschließend zu beurteilen.
1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795).
Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht den Inhalt des Gesellschaftsvertrages --insbesondere den Inhalt der §§ 6 und 8 des Gesellschaftsvertrages-- festgestellt. Es hat außerdem festgestellt, daß die L+L GbR in einem Geschäftsbereich tätig wurde, der zum formellen und zum tatsächlichen Satzungsgegenstand der Klägerin gehörte, und daß die Klägerin keine Ansprüche gegen B und R wegen eines Wettbewerbsverstoßes geltend machte. Daraus folgt jedoch weder ein Rechtsanspruch der Klägerin gegen B und R auf Überlassung des "Reingewinns" der L+L GbR noch ein "Verzicht" der Klägerin auf einen solchen Anspruch.
2. Aus dem Wortlaut des im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich genannten § 112 Abs. 1 HGB folgt, daß die Einwilligung aller Gesellschafter die Wettbewerbshandlung erlaubt sein läßt. Die Einwilligung nach § 112 Abs. 1 HGB verlangt keinen Gesellschafterbeschluß (vgl. Ulmer in Staub, Handelsgesetzbuch, § 112 Rdnr. 26). Dies gilt unbeschadet des § 8 des Gesellschaftsvertrages. Aus der Vorschrift folgt nicht, daß die Einwilligung der Gesellschafter zur Teilnahme an Geschäften im Handelszweig der Klägerin bzw. der Beteiligung an einer anderen Gesellschaft, die solche Geschäfte ausführt, nur durch Gesellschafterbeschluß erklärt werden kann.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus §§ 53, 54 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Beide Vorschriften betreffen Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Eine solche steht hier nicht zur Diskussion. Die Einwilligung der Gesellschafter in einzelne Wettbewerbshandlungen läßt das Wettbewerbsverbot als solches fortbestehen. Es entfällt nur in bezug auf bestimmte Wettbewerbshandlungen. Der Hinweis im Gesellschaftsvertrag auf § 112 Abs. 1 HGB hat damit die Funktion einer Öffnungsklausel (vgl. Priester, Der Betrieb 1992, 2411).
3. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß die bloße Nichtgeltendmachung eines zivilrechtlich bestehenden Anspruchs der Klägerin gegen B und R keine Erfüllungswirkung hat. Die Nichtgeltendmachung kann auf den verschiedensten Gründen beruhen (z.B. einer unzutreffenden Beurteilung der Zivilrechtslage). Sie würde deshalb zunächst nur eine "Nach"-Aktivierung auslösen. Erst im Erfüllungszeitpunkt könnte die Ausschüttungsbelastung hergestellt werden. Als Erfüllung kommt dabei jede Form des Erlöschens der Forderung gemäß §§ 362 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches in Betracht.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat festgestellt, daß die Klägerin die Werbeartikel, die die L+L GbR verkaufte, zunächst einkaufte und mit einem Gewinnaufschlag von 5 vH an die L+L GbR weiterverkaufte. Angesichts der von der L+L GbR erzielten Gewinne kann nicht ausgeschlossen werden, daß der von der Klägerin der L+L GbR in Rechnung gestellte Kaufpreis unangemessen niedrig war. Das FG wird deshalb im 2. Rechtszug die Angemessenheit des in Rechnung gestellten Kaufpreises überprüfen müssen. Es kann auch prüfen, weshalb die Klägerin nicht selbst die Verkäufe tätigte, die die L+L GbR durchführte, und ob die L+L GbR insoweit nicht doch Geschäftschancen der Klägerin wahrnahm. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 67349 |
BFH/NV 1998, 1579 |
BFH/NV 1998, 1579-1580 (Leitsatz und Gründe) |
BFHE 186, 61 |
BFHE 1999, 61 |
BB 1998, 1828 |
BB 1998, 1828-1829 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1998, 1842 |
DStR 1998, 1354 |
DStRE 1998, 671 |
DStRE 1998, 671 (Leitsatz) |
DStZ 1998, 805 |
HFR 1998, 836 |
StE 1998, 552 |