Abgrenzung von GbR und OHG: Relevanz für Wettbewerbsverbot und Gesellschafterausschluss
In zwei parallel vor dem OLG München geführten Verfahren streitet eine Personengesellschaft (Klägerin) mit einem ihrer beiden Gesellschafter über die Verletzung gesetzlicher Wettbewerbsverbote sowie über dessen Ausschluss aus der Gesellschaft. Die Klägerin vermietet Räumlichkeiten als Veranstaltungslokal. Der Beklagte trat in Konkurrenz zur Klägerin, indem er selbst ein nahegelegenes anderes Veranstaltungslokal vermietete.
Die Klägerin war nie im Handelsregister eingetragen. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag existiert nicht. Dennoch ist die Klägerin der Auffassung, eine OHG zu sein, berief sich entsprechend auf das handelsrechtliche Wettbewerbsverbot nach § 112 HGB und klagte auf Unterlassung des Wettbewerbs. Daneben erhob der Mitgesellschafter Ausschließungsklage gegen den Beklagten nach § 140 HGB. Das LG hat dem Beklagten in erster Instanz verboten, in Konkurrenz zur Klägerin zu treten und ihn aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein.
Die Urteile des OLG München v. 19.1.2022 (7 U 2659/20 und 7 U 3250/20)
Das OLG München kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine OHG, sondern um eine GbR handelte. Deshalb ließe sich ein Wettbewerbsverbot nicht auf § 112 HGB, sondern nur auf die allgemeine gesellschaftliche Treuepflicht stützen. Aus demselben Grund wurde der Ausschluss des Beklagten aus der Gesellschaft aufgehoben. Bei der GbR könne nicht auf Ausschließung nach § 140 HGB geklagt werden.
Seine Entscheidung begründete das OLG München damit, dass die Klägerin bei der nach § 1 Abs. 2 HGB erforderlichen Gesamtschau aller den Betrieb kennzeichnenden Umstände kein Handelsgewerbe betreibe. Dabei würdigte das Gericht in beiden Urteilen die aus Rechtsprechung und Literatur anerkannten Kriterien:
- Umsatz,
- Buchführung,
- Personal,
- Kapitalstruktur,
- Lagerhaltung,
- Vielfalt des Angebots,
- Werbung,
- Kundenzahl und Struktur des Betriebs
Das OLG München führte aus, dass ein Jahresumsatz von bis zu 163.000 EUR nicht ausreichend für die Annahme eines Handelsgewerbes sei. Zudem seien ausschließlich die Gesellschafter für die Klägerin tätig. Dies spreche „eindeutig“ gegen ein Handelsgewerbe. Unerheblich sei weiter die vom Finanzamt angeordnete Steuerbuchführungspflicht. Dass die Klägerin nicht über einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag verfügt, spreche ebenfalls gegen ein Handelsgewerbe. Im Übrigen weise das klägerische Unternehmen nur sehr niedrige Betriebskosten und kaum Fremdkapitalbedarf auf. Beides sei untypisch für ein Handelsgewerbe. Unerheblich sei schließlich, ob die Klägerin eine Internetpräsenz aufgebaut habe oder nicht.
Da es sich nach diesen Kriterien bei der Klägerin nicht um eine OHG, sondern um eine GbR handelte, sei das handelsrechtliche Wettbewerbsverbot (§ 112 HGB) nicht anwendbar. Ein Unterlassungsanspruch könne sich aber aus der gesellschaftlichen Treuepflicht ergeben. Danach kann die schlichte Konkurrenztätigkeit eines Gesellschafters nicht untersagt werden. Ein Geschäftsleiter darf aber keine Geschäftschancen der Gesellschaft an sich ziehen. Das ist etwa der Fall, wenn der Geschäftsführer auf Seiten der Gesellschaft bereits Vertragsverhandlungen geführt hat. Dem Beklagten wurde daher untersagt, an die Klägerin gerichtete Buchungsanfragen für Vertragsabschlüsse mit seinem konkurrierenden Unternehmen zu verwenden.
Im Parallelverfahren befasst sich der Senat des OLG München mit der Frage, ob und wie ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Da es sich bei der Klägerin nicht um eine OHG, sondern um eine GbR handelte, hob das OLG den erstinstanzlich ausgesprochenen Ausschluss des Beklagten aus der Gesellschaft auf. Bei der GbR ist eine Ausschlussklage nach § 140 HGB gerade nicht vorgesehen. Dort erfolgt der Ausschluss eines Gesellschafters nach § 737 BGB durch Beschluss der übrigen Gesellschafter und dessen Mitteilung an den Auszuschließenden.
Praxishinweis
Die beiden Urteile zeigen die herausragende Bedeutung der Abgrenzung zwischen GbR und OHG. Ob ein Handelsgewerbe und damit eine OHG vorliegt, beurteilt sich anhand der vom OLG schulmäßig geprüften Kriterien in einer Gesamtschau.
Wesentliches Kriterium ist dabei der Jahresumsatz. Jahresumsätze von 100.000 EUR – 160.000 EUR reichen nach Auffassung des OLG München nicht als Indiz für ein Handelsgewerbe. Ab 250.000 EUR wird man in der Praxis jedoch von einer OHG ausgehen können. Dass die Klägerin vom Finanzamt verpflichtet wurde, Steuerbücher zu führen, ist nach dem OLG zu Recht unerheblich. Diese Pflicht wird vom Finanzamt festgestellt, und zwar unabhängig davon, ob ein Handelsgewerbe vorliegt oder nicht. Aus Sicht des Finanzamts ist allein entscheidend, dass der Gewinn eines Gewerbebetriebs in einem Wirtschaftsjahr 60.000 EUR übersteigt und sich eine Buchführungspflicht nicht anderweitig ergibt. Kein taugliches Abgrenzungskriterium für ein Handelsgewerbe ist richtigerweise auch der Internetauftritt eines Unternehmens. Eine Internetpräsenz kann bereits mit wenig Aufwand erstellt werden.
Die Urteile des OLG München machen zudem inhaltliche Unterschiede zwischen OHG und GbR deutlich. Gesellschafter einer OHG unterliegen einem strengeren Wettbewerbsverbot als Gesellschafter einer GbR. Die bei der GbR maßgebliche Treuepflicht zielt nicht darauf ab, eine Konkurrenztätigkeit generell zu untersagen, sondern verhindert nur die Ausnutzung einer konkreten Geschäftschance. Verletzt ein Geschäftsleiter die Pflicht, Geschäftschancen der Gesellschaft bei dieser zu belassen, kann er auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. An diesen Grundsätzen wird sich voraussichtlich auch mit der ab 1.1.2024 in Kraft tretenden Gesetzesreform im Recht der Personengesellschaften wenig ändern. Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot ist bei der GbR auch künftig nicht vorgesehen.
Die Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht kann den Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft rechtfertigen. Bei der GbR besteht jedoch im Unterschied zur OHG nicht die Möglichkeit, eine Ausschließungsklage nach § 140 HGB zu erheben. Erforderlich ist gem. § 737 BGB grundsätzlich ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss, der dem Störer mitgeteilt wird. Der Auszuschließende hat dabei nach einhelligem Verständnis kein Stimmrecht. Hierüber erhält das Gesetz ab dem 1.1.2024 klarstellende Regelungen. Bislang muss der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthalten, die bestimmt, dass die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt werden soll. Dieses Erfordernis entfällt ab dem 1.1.2024. Besteht die Gesellschaft nur aus zwei Personen, so wandelt sich der Ausschließungsbeschluss in ein Übernahmerecht des anderen Gesellschafters gegen den Störer. Dieses wird durch Erklärung gegenüber dem Störer ausgeübt. In welchem Umfang der Übernehmer bisher an der Gesellschaft beteiligt war, hat auf das Übernahmerecht keinen Einfluss. Allerdings kann dieser Umstand bei der Beurteilung des Ausschlussgrundes berücksichtigt werden.
Schließlich führen die Urteile des OLG München vor Augen, dass Gesellschafter einer Personengesellschaft sich bewusst machen sollten, welchem Regelungsregime (GbR oder OHG) sie unterliegen. Generell dürfte in den meisten Fällen ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag sinnvoll sein.
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