Leitsatz (amtlich)
Nichtgenehmigter Güterfernverkehr ist nichtöffentlicher Verkehr im Sinne von § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 4 BefStG 1955.
Steuerschuldner für Beförderungen im nichtgenehmigten Güterfernverkehr ist der Unternehmer, der die Beförderungen ausführt.
Normenkette
BefStG § 4 Abs. 1, § 7/1, § 7 Abs. 4, § 6/1, § 11 Abs. 1 Nr. 2; BefStDV § 21
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bfin. oder ob die von ihr beauftragten Fuhrunternehmer, die nur die Erlaubnis zum Güternahverkehr besaßen, aber Beförderungen im Güterfernverkehr ausführten, Steuerschuldner für die Beförderungsteuer sind.
Das Finanzamt hat bei einer im Mai 1957 vorgenommenen Beförderungsteuerprüfung festgestellt, daß die Bfin. für die Durchführung von Kohlentransporten im Güterfernverkehr Unternehmer eingesetzt hat, die nur die Erlaubnis für den Güternahverkehr besaßen. Es hat, da Kohlenferntransporte erst seit dem Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 vom 6. April 1955 (BGBl 1955 I S. 166, BStBl 1955 I S. 155) der Beförderungsteuer unterliegen, seine Feststellungen auf die Zeit vom 1. Juni 1955 bis 31. Dezember 1956 beschränkt. Da die nachzufordernde Steuer von den Unternehmern nicht eingezogen werden konnte, forderte das Finanzamt als Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion u. a. von der Bfin. mit Steuerbescheid vom 4. Juni 1957 Beförderungsteuer in Höhe von ... DM.
Der Einspruch der Bfin., der im wesentlichen darauf gestützt wurde, daß nichtgenehmigter Güterfernverkehr nichtöffentlicher Verkehr im Sinne von § 7 Abs. 4 BefStG 1955 sei und daß daher nur der Unternehmer, nicht aber der Auftraggeber in Anspruch genommen werden könne, blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, daß der Begriff des nichtöffentlichen Güterverkehrs im § 21 der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung (BefStDV) 1955 erläutert sei. Hiernach müsse die Beförderungsleistung in jedem Falle Nebenleistung der Hauptleistung (nämlich der Lieferung) sein. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Darüber hinaus sei nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs öffentlicher Güterverkehr stets dann gegeben, wenn - wie im Streitfall - grundsätzlich für jeden, der nach Lage der Verhältnisse dafür in Betracht komme, die Beförderung ausgeführt werde. Güterfernfahrten von Güternahverkehrsunternehmern erfüllten daher die Voraussetzungen des öffentlichen Verkehrs. Entgegen der von der Bfin. vertretenen Meinung könne aus der für den Steuermaßstab getroffenen Regelung im § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG 1955 kein anderer Schluß für die steuerliche Eingruppierung des Tatbestandes gezogen werden.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es führte in seiner in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1961 Nr. 443 S. 387 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen folgendes aus: Aus § 7 Abs. 4 BefStG 1955 folge zwar, daß im nichtöffentlichen Güterverkehr allein der Unternehmer die Steuer schulde. Es gehe aber nicht an, wie die Bfin. dies begehre, den "nichtgenehmigten Güterfernverkehr" allgemein dem "nichtöffentlichen Güterverkehr" gleichzusetzen. Eine gesetzliche Begriffsbestimmung für den öffentlichen oder den nichtöffentlichen Güterverkehr sei weder im BefStG 1955 noch in der BefStDV 1955 enthalten. Es bestünden keine Bedenken, den Begriff auch für das BefStG 1955 so auszulegen, wie es der allgemeinen Sprachbedeutung und der jahrzehntelangen höchstrichterlichen Steuerrechtsprechung entspreche. Es könne hiernach im Streitfall nicht zweifelhaft sein, daß die von der Bfin. in Auftrag gegebenen Beförderungen im "öffentlichen Verkehr" ausgeführt worden seien, so daß § 7 Abs. 1, nicht § 7 Abs. 4 BefStG 1955 anzuwenden sei. Das Vorbringen der Bfin. sei demgegenüber nicht geeignet, die Auffassung des Finanzgerichts zu erschüttern. Insbesondere wolle § 6, der die Steuerbemessungsgrundlage zum Gegenstand habe, keine Begriffsbestimmung des nichtöffentlichen Verkehrs geben; die Verweisung auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b diene nur der Klarstellung (Klein-Schrötter, Kommentar zum Verkehrsfinanzgesetz 1955, § 6 Anm. 2 a. E., S. 124). Schließlich rechtfertige auch die von der Bfin. angeführte höchstrichterliche Zivilrechtsprechung keine andere Auslegung.
Mit der Rb. rügt die Bfin. unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Nichtanwendung und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts sowie einen Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten, den sie in der ohne Beweiserhebung getroffenen Feststellung der Vorentscheidung sieht, die von der Bfin. beauftragten Unternehmer hätten sich wahl- und bedenkenlos über den ihnen gezogenen Kreis der Nahzone hinweggesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Es kann davon abgesehen werden, auf den von der Bfin. gerügten Aktenverstoß näher einzugehen, da die Vorentscheidung jedenfalls wegen unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts aufgehoben werden muß.
Das Finanzamt und das Finanzgericht gehen zu Unrecht davon aus, daß die Bfin. die angeforderte Beförderungsteuer schuldet. Nach § 7 Abs. 1 BefStG ist Steuerschuldner, soweit nicht im Abs. 4 etwas anderes bestimmt ist, wer den Beförderungspreis zu zahlen hat. Dagegen besagt § 7 Abs. 4 BefStG, daß im nichtöffentlichen Güterverkehr (ß 6) und bei Beförderungen im Sinn des § 1 Abs. 2 BefStG Steuerschuldner der Unternehmer ist. Hieraus folgt, daß nach dem Gesetz die Beantwortung der Frage, wer Steuerschuldner einer Beförderung im Kraftfahrzeugverkehr ist, davon abhängt, ob die zu beurteilende Beförderung im öffentlichen oder im nichtöffentlichen Güterverkehr durchgeführt worden ist. Dies ist auch unstreitig. Streitig ist dagegen, ob nichtgenehmigter Güterfernverkehr als "öffentlicher" oder als "nichtöffentlicher" Verkehr im Sinne des § 7 Abs. 4 BefStG anzusehen ist. In dem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Urteil des Senats II 172/60 vom 21. Dezember 1961 ist ausgesprochen, daß die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im nichtgenehmigten Güterfernverkehr "nichtöffentlichen Güterverkehr" im Sinne des § 7 Abs. 4 BefStG 1955 darstellt, so daß in diesen Fällen Steuerschuldner der Unternehmer ist.
Hieran wird nach erneuter Prüfung aus folgenden Gründen festgehalten: Wie die Verweisung auf § 6 im § 7 Abs. 4 BefStG 1955 ergibt, können im nichtöffentlichen Güterverkehr Güter nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch für Rechnung eines Dritten befördert werden. Aus der weiteren - in § 6 Abs. 1 Satz 1 BefStG 1955 enthaltenen - Verweisung auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Abs. 2 BefStG 1955 folgt ferner, daß nach dem BefStG 1955 nichtöffentlicher Verkehr auch mit Kraftfahrzeugen durchgeführt werden kann. Dies besagt übrigens § 21 Abs. 2 BefStDV 1955 nochmals ausdrücklich. Da somit die Beförderung von Gütern im Kraftfahrzeugverkehr sowohl im öffentlichen als auch im nichtöffentlichen Verkehr erfolgen kann, muß geprüft werden, ob das Gesetz an anderer Stelle zu erkennen gibt, welchen Unterschied es zwischen den beiden Verkehrsarten macht. Die Prüfung zeigt, daß das Gesetz diese Frage im Zusammenhang mit dem Steuermaßstab und dem Steuersatz geregelt hat, weil hier der Unterschied zwischen den beiden Verkehrsarten erst steuerliche Bedeutung gewinnt. Das BefStG 1955 sieht in diesem Zusammenhang im § 4 Abs. 1 Satz 1 vor, daß die Steuer von dem Preise berechnet wird, der entweder für die Beförderung an den Unternehmer zu entrichten ist oder der im nichtöffentlichen Verkehr nach § 6 BefStG 1955 der Berechnung zugrunde zu legen ist. Wie aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 folgt, wird aber nur die Güterbeförderung im genehmigten Güterfernverkehr im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes nach dem (entsprechend dem Tarif) vereinbarten Beförderungspreis berechnet, während auf Grund des Vorbehalts in § 6 Abs. 1 Satz 1 BefStG 1955 für den nichtgenehmigten Güterfernverkehr die Steuer nach Tonnenkilometern, also nicht nach dem Beförderungspreis, zu berechnen ist. Da die Berechnung der Steuer nach einem bestimmten Tonnenkilometersatz nur auf Grund von § 4 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz BefStG 1955 möglich ist und diese Bestimmung sich nur auf den nichtöffentlichen Verkehr bezieht, folgt hieraus zwingend, daß nichtgenehmigter Güterfernverkehr stets nichtöffentlicher Verkehr im Sinne der §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 7 Abs. 4 BefStG 1955 ist (so auch Gaul, Beförderungsteuer, 1962, § 4 Bem. 4, § 6 Bem. 3; vgl. ferner Fromm: "Die Steuerschuld im ungenehmigten Güterfernverkehr", Der Güterverkehr 1959 S. 88 Abschn. II). Angesichts dieser sich aus dem Wortlaut des BefStG 1955 selbst ergebenden Zuordnung des nichtgenehmigten Güterfernverkehrs zum nichtöffentlichen Güterverkehr kann weder auf die allgemeine Sprachbedeutung noch auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zum Begriff des "öffentlichen Verkehrs" zurückgegriffen werden, da diese Rechtsprechung zu den Beförderungsteuergesetzen vom 8. April 1917 (RGBl 1917 S. 329) und vom 29. Juni 1926 (RGBl 1926 I S. 357) mit ihren änderungen ergangen ist. Diese Gesetze enthielten aber noch nicht die für den Streitfall entscheidenden Regelungen für den gesamten nichtöffentlichen Verkehr, nämlich den Vorbehalt im § 6 Abs. 1 Satz 1 und die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts, das sich nicht mit dem Sinn der Verweisung im § 7 Abs. 4 auf § 6 BefStG, sondern nur mit der Verweisung von § 6 Abs. 1 auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b auseinandergesetzt hat, ist der Senat auf Grund der oben gezogenen Schlußfolgerungen der Meinung, daß die Verweisung im § 7 Abs. 4 BefStG 1955 auf § 6 und von dort weiter auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b klarzustellen bezweckt, was nach dem BefStG 1955 unter dem nichtöffentlichen Güterverkehr zu verstehen und wie er zu besteuern ist.
Ist hiernach nichtgenehmigter Güterfernverkehr nichtöffentlicher Güterverkehr im Sinne von § 7 Abs. 4 BefStG 1955, so ist Steuerschuldner der Unternehmer, nicht derjenige, der den Beförderungspreis zu zahlen hat. Hieraus folgt, daß die Bfin., als die Auftraggeberin, zu Unrecht als Steuerschuldner in Anspruch genommen worden ist.
Die Vorentscheidungen, die von anderen Grundsätzen ausgehen, und der Beförderungsteuerbescheid des Finanzamts vom 4. Juni 1957 waren daher aufzuheben und die Bfin. von der angeforderten Beförderungsteuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 410885 |
BStBl III 1963, 452 |
BFHE 1964, 357 |
BFHE 77, 357 |