Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für den Besuch einer Schiffsingenieurschule können für einen Schiffsmaschinenbau-Gesellen Kosten der Berufsfortbildung (Werbungskosten) sein.
Normenkette
EStG § 9; LStDV § 20
Tatbestand
In der Rb. ist streitig,
ob der Ansatz des Pauschbetrages für freie Beköstigung gerechtfertigt war und, wenn ja, ob Ausgaben für den Ankauf von Zusatzverpflegung Werbungskosten sind;
ob die Aufwendungen des Bf. für den Besuch der Ingenieurschule Werbungskosten sind.
Der Bf. ist heute Schiffsingenieur. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er von 1951 bis 1954 bei einer Werft den Beruf als Schlosser im Schiffsmaschinenbau und legte die Facharbeiterprüfung ab. Von Oktober 1954 bis März 1957 fuhr er als "Ingenieurassistent" auf Seeschiffen, um dadurch eine Voraussetzung für den Besuch eines Lehrgangs an der Ingenieurschule zu schaffen. Anschließend besuchte er eine Ingenieurschule und legte dort die Prüfung als Schiffsingenieur II ab. Ab August 1958 fuhr er auf Schiffen einer ausländischen Reederei. Da diese Reederei keinen Lohnsteuerabzug vorgenommen hatte, wurde der Bf. für 1958 und 1959 zur Einkommensteuer veranlagt. Bei der Veranlagung begehrte der Bf., den Wert der freien Verpflegung mit nur 40 DM monatlich anzusetzen, weil die an Bord von indischen Köchen bereiteten Speisen für Europäer ungenießbar gewesen seien und ihn zu erheblichen Zukäufen gezwungen hätten. Ferner begehrte er, die ihm im ersten Halbjahr 1958 erwachsenen Kosten für den Besuch der Ingenieurschule, die er mit 123,60 DM für Schulgeld und Lehrmittel und 1.071,84 DM für Motorrollerfahrten von der Wohnung zur Schule angibt, als Werbungskosten (Fortbildungskosten) abzusetzen.
Das Finanzamt und das Finanzgericht setzten den Wert der freien Bordverpflegung mit dem in der Bekanntmachung der Oberfinanzdirektion festgelegten Satz von 84 DM monatlich = 2,80 DM täglich an; sie lehnten auch die Absetzung der durch den Schulbesuch verursachten Kosten als Werbungskosten ab. Das Finanzgericht kam zu der tatsächlichen Feststellung, daß der dem Bf. an Bord der Seeschiffe zugeflossene Wert der Verpflegung mit dem Satz von 84 DM monatlich 2,80 DM täglich zutreffend bewertet sei, auch unter Berücksichtigung der vom Bf. für erforderlich gehaltenen Zukäufe. Die für den Besuch der Ingenieurschule geltend gemachten Kosten seien Kosten der Ausbildung für einen Beruf und nicht Kosten der Fortbildung im ausgeübten Beruf und seien somit keine Werbungskosten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Für die Bewertung der Bordverpflegung ist das Finanzgericht zutreffend von § 8 Abs. 2 EStG (ß 3 LStDV) ausgegangen, wonach Sachbezüge mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes anzusetzen sind. Wenn das Finanzgericht trotz der möglichen Minderwertigkeit der gebotenen Verpflegung zu dem Ergebnis kommt, daß der angesetzte Betrag von 2,80 DM täglich angemessen sei, so handelt es sich um eine mögliche Tatsachenfeststellung, zu der das Finanzgericht im Rahmen des Rechts zur freien Tatsachen- und Beweiswürdigung (ß 278 AO) kommen konnte. Der Bundesfinanzhof ist an diese tatsächliche Feststellung, die keinen Verstoß gegen den Akteninhalt, die Denkgesetze oder die Erfahrungen des täglichen Lebens erkennen läßt, gebunden (§§ 288, 296 Abs. 1 AO). Die vom Bf. für die Zusatzverpflegung aufgewandten Kosten sind typische Kosten der Lebensführung (ß 12 Ziff. 1 EStG) und als solche steuerlich nicht abzugsfähig.
Die dem Bf. durch den Besuch der Schiffsingenieurschule erwachsenen Kosten sind, wie das Finanzgericht zutreffend erkannt hat, Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG, wenn sie der Fortbildung im ausgeübten Beruf gedient haben. Sie sind jedoch nicht abzugsfähige Kosten der Lebenshaltung im Sinne des § 12 Ziff. 1 EStG, wenn sie für die Ausbildung zu einem Beruf aufgewandt worden sind. Zu Unrecht hat aber das Finanzgericht die streitigen Kosten zu den Ausbildungskosten gerechnet. Der Bf. hatte seine Lehrzeit als Schiffsmaschinenschlosser mit Erfolg abgeleistet. Damit hatte er eine Ausbildung für einen Lebensberuf erhalten. Auf dieser Grundlage hatte er verschiedene Möglichkeiten der Fortbildung und des Weiterkommens in diesem Beruf. So hätte er z. B. die Meisterprüfung ablegen können. Die dafür aufzuwendenden Kosten wären nach dem Urteil des Senats VI 118/61 U vom 13. Oktober 1961 (BStBl 1962 III S. 48), wenn der Bf. sie getragen hätte, Werbungskosten (Kosten der Berufsfortbildung) gewesen. Nicht anders sind die vom Bf. für die Schiffsingenieurprüfung aufgewandten Kosten zu beurteilen. Der Beruf des Schiffsingenieurs baut ebenso wie der des Schiffsmaschinenbaumeisters auf der Ausbildung als Schiffsmaschinenbauschlosser auf. Es bedeutet also keinen Berufswechsel, wie das Finanzgericht annimmt, wenn sich der Bf. für den Beruf des Schiffsingenieurs statt des Schiffsmaschinenbaumeisters entschloß. Beide Berufsarten sind eng miteinander verwandt, und weil nach dem Urteil des Senats VI 81/58 U vom 13. November 1959 (BStBl 1960 III S. 53, Slg. Bd. 70 S. 143) der Begriff der (abzugsfähigen) Fortbildungskosten gegenüber den (nicht abzugsfähigen) Ausbildungskosten nicht eng ausgelegt werden soll, muß man die streitigen Kosten für den Besuch der Ingenieurschule als Fortbildungskosten behandeln. Der Streitfall liegt anders als der im Urteil des Senats VI 110/62 U vom 24. August 1962 (BStBl 1962 III S. 488) behandelte Fall, in dem ein schon im Beruf stehender Steuerpflichtiger das akademische Studium aufnahm.
Die angefochtene Entscheidung, die von anderen Erwägungen ausgegangen ist, muß aufgehoben werden. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nunmehr die Höhe der geltend gemachten Kosten zu prüfen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 410569 |
BStBl III 1962, 489 |
BFHE 1963, 610 |
BFHE 75, 610 |