Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Behandlung des Kfz-Leasings bei Konkurs des Leasingnehmers: Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA wegen teilweiser Rückzahlung der Leasingsonderzahlung, Leistung von Schadensersatz an den Leasinggeber
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Kfz-Leasingvertrag nach § 19 KO gekündigt und die vom Gemeinschuldner geleistete Leasingsonderzahlung zum Teil an den Konkursverwalter zurückgezahlt, gehört der daraus resultierende Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA zu den Massekosten nach § 58 Nr. 2 KO und nicht zu den gemäß § 3 KO bereits bei Konkurseröffnung begründeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Gemeinschuldners.
2. Der zu berichtigende Vorsteuerbetrag wird durch einen Schadensersatz, den der Leasingnehmer zu leisten hat, nicht gemindert.
Orientierungssatz
Der Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA ist nicht nach § 26 KO als Konkursforderung geltend zu machen; § 26 KO regelt nur die infolge der vorzeitigen Aufhebung der Leasingverträge entstandenen Ansprüche des Leasinggebers, nicht aber den Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA.
Normenkette
UStG 1980 § 17 Abs. 2 Nr. 2; UStG 1991 § 17 Abs. 2 Nr. 2; KO §§ 3, 26, 58 Nr. 2, § 19
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der M (Gemeinschuldnerin). Das Konkursverfahren wurde am 29. November 1990 eröffnet. Der Kläger führt den Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht fort.
Die Gemeinschuldnerin hatte für ihr Unternehmen zwei PKW der Marke BMW als Leasingnehmerin bezogen. Als Laufzeiten der Leasingverträge war die Zeit vom 14. März 1989 bis 13. März 1992 für den einen PKW und die Zeit vom 20. Juni 1990 bis 19. Dezember 1993 für den zweiten PKW vereinbart. Zusätzlich zu den monatlichen Leasingraten war zu Beginn der Leasingverhältnisse je eine Leasingsonderzahlung zu leisten. Für die Leasingsonderzahlungen hatte die Gemeinschuldnerin den Vorsteuerabzug vorgenommen.
Nach der Sachverhaltsdarstellung des Finanzgerichts (FG) hatte der Kläger zunächst erwogen, einer Übernahme der Leasingverträge durch den Sohn der Gemeinschuldnerin gegen teilweise Rückerstattung der Leasingsonderzahlungen zuzustimmen. Aus einem Sachstandsbericht des Klägers an das Konkursgericht vom August 1991 folgert das FG, daß der Sohn hierzu nicht bereit war. Jedenfalls wurden die Leasingverhältnisse wegen der Konkurseröffnung vorzeitig beendet, wobei streitig ist, ob der Kläger oder die Leasinggeberin die Leasingverhältnisse kündigte. Die endgültige Abrechnung der Leasingverträge erfolgte im September 1991, die Leasinggeberin schrieb dem Kläger von den geleisteten Leasingsonderzahlungen folgende Teilbeträge gut:
15 042,10 DM zuzüglich 2 105,89 DM Umsatzsteuer und
11 762,79 DM zuzüglich 1 646,79 DM Umsatzsteuer.
Von diesen Guthaben zog sie Schadensersatzbeträge ab, wie sie
in den Leasingverträgen für die vorzeitige Beendigung des
Leasingvertrags vorgesehen waren.
Aufgrund einer Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zum Ergebnis, daß in Höhe von 4 935,27 DM der Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991 zu berichtigen sei und setzte entsprechend die Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg. Während des anschließenden Klageverfahrens ermäßigte das FA die Vorsteuerberichtigung auf den Betrag von 3 752,68 DM (2 105,89 DM + 1 646,79 DM) und erkannte Vorsteuer in Höhe von 65,13 DM an. Der Kläger machte den Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.
Das FG wies die Klage ab. Es führte im einzelnen aus, der Tatbestand des § 17 UStG 1991 sei in Höhe der gutgeschriebenen Umsatzsteuer erfüllt; der mit der Gutschrift verrechnete Schadensersatz habe auf die Höhe der Vorsteuerberichtigung keinen Einfluß. Da das Leasingverhältnis erst nach Konkurseröffnung auf die Initiative des Klägers hin beendet worden sei, handele es sich bei dem Vorsteuerberichtigungsanspruch um Massekosten i.S. von § 58 Nr. 2 der Konkursordnung (KO), die gegenüber dem Kläger geltend zu machen seien.
Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er wendet sich gegen die vom FG vorgenommene Sachverhaltswürdigung, daß zur Zeit der Konkurseröffnung das Leasing-Dauerschuldverhältnis noch bestanden habe und von ihm (dem Kläger) beendet worden sei. Gleichzeitig macht er eine Verletzung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1991 und der §§ 3, 58 Nr. 2 KO geltend; er meint, Massekosten im Sinne der letztgenannten Vorschrift lägen nur vor, wenn eine Lieferung oder sonstige Leistung nach Konkurseröffnung erbracht worden sei; hieran fehle es im Streitfall.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1991 auf ./. 65,13 DM festzusetzen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1991 hat ein Unternehmer, an den ein steuerpflichtiger Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1991 ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz geändert hat. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1991). Dasselbe gilt sinngemäß, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1991).
1. Wie das FG rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, hatte die Gemeinschuldnerin die Leasingsonderzahlungen für die Überlassung der PKW während der gesamten vereinbarten Leasingdauer geleistet; die vereinbarte Leasingleistung wurde aber wegen der vorzeitigen Aufhebung des Leasingverhältnisses nicht vollständig erbracht. Insoweit war der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1991 erfüllt.
2. Dem vom FG festgestellten Sachverhalt kann jedoch nicht entnommen werden, ob die vereinbarte Leasingleistung erst im Streitjahr (1991) oder bereits im Vorjahr nicht erbracht wurde.
Beim Kfz-Leasing handelt es sich um eine Form des Finanzierungsleasings; der Leasinggeber behält sich das Volleigentum an dem Auto vor und verpflichtet sich, dem Leasingnehmer während der vereinbarten Leasingdauer den Gebrauch des Fahrzeugs zu überlassen und zu gewähren (vgl. Reinking, Auto-Leasing, 2. Aufl., München ADAC-Verlag 1994, S.22). Demgemäß bestand auch im Streitfall die wesentliche Leistung der Leasinggeberin in der Gebrauchsüberlassung der PKW an die Gemeinschuldnerin. Zum Gebrauch berechtigt war aufgrund der Leasingverträge ursprünglich die Gemeinschuldnerin. Mit der Konkurseröffnung gingen ihre Rechte auf den Konkursverwalter über (vgl. Kilger/ Karsten Schmidt, Konkursordnung, 16. Aufl. 1993, § 19 Anm. 1). Nach dem Urteil des FG wurde die Abrechnung der Leasingverträge auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung zurückbezogen. Die Sachverhaltsfeststellungen des FG tragen jedoch nicht seine Ansicht, daß es sich hierbei nur um einen Abrechnungsmodus gehandelt habe. Aus dem Sachstandsbericht des Klägers an das Konkursgericht vom August 1991, auf den das FG verweist, ergibt sich nicht, daß die Leasinggeberin die PKW noch bis zum Jahre 1991 der Gemeinschuldnerin oder dem Kläger zur Nutzung überließ. Auch den übrigen Feststellungen des FG kann nicht entnommen werden, wann die Leasinggeberin die PKW zurückerhielt, ob und wann sie die PKW dem Sohn der Gemeinschuldnerin zur Nutzung überließ und ab wann sie den Kläger von der Nutzung ausschloß. Das FG wird Gelegenheit haben, dies im zweiten Rechtsgang festzustellen.
Wurde dem Kläger der Gebrauch der Leasingfahrzeuge bereits im Jahre 1990 entzogen, war der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980 bereits im Jahre 1990 erfüllt, so daß die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1991 Erfolg hat. Im Fall des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980/1991 ist der Vorsteuerabzug in dem Veranlagungszeitraum zu berichtigen, in dem die vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung und damit der Rechtsgrund für die geleistete Anzahlung entfällt, und nicht erst in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Rechnung über die vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung berichtigt wird (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980/1991).
3. Wurde dem Kläger der Gebrauch der Leasingfahrzeuge erst im Jahre 1991 entzogen, hat das FA seinen Vorsteuerberichtigungsanspruch aus § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1991 zu Recht in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid gegenüber dem Kläger geltend gemacht.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers gehörte der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht zu der Umsatzsteuer, die gemäß § 3 KO als Konkursforderung im Konkursverfahren geltend zu machen war.
Nach § 3 Abs. 1 KO dient die Konkursmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner haben.
Hat die Leasinggeberin ihre Leasingleistungen erst im Jahre 1991 eingestellt, ist der hieraus resultierende Vorsteuerberichtigungsanspruch erst im Jahre 1991 entstanden und war bei Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht begründet.
Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Nach den Urteilen vom 12. Juni 1975 V R 42/74 (BFHE 116, 201, BStBl II 1975, 755) und vom 13. November 1986 V R 59/79 (BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226) entsteht der Anspruch auf Rückforderung abgezogener Vorsteuerbeträge wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts gemäß § 17 UStG 1967 und 1973 im Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit des Entgelts und nicht bereits im Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs durch den Leistungsempfänger. Dasselbe gilt für den Anspruch auf Rückforderung abgezogener Vorsteuerbeträge wegen Berichtigung der Rechnung mit zu hohem Steuerausweis (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1994 XI R 78/93, BFHE 176, 152, BStBl II 1995, 33). Hat der Leistungsempfänger und spätere Gemeinschuldner die Vorsteuer aus der Rechnung bereits vor Konkurseröffnung abgezogen, wurde die Rechnung aber erst nach Konkurseröffnung berichtigt, gehört der Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA gemäß § 17 UStG 1991 zu der Umsatzsteuer, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht begründet war, und durch Steuerbescheid gegenüber dem Konkursverwalter geltend zu machen ist. Für den Anspruch auf Rückforderung der Vorsteuer wegen (teilweiser) Nichtausführung der vereinbarten Leistung kann nichts anderes gelten.
b) Der Vorsteuerberichtigungsanspruch ist auch nicht nach § 26 KO als Konkursforderung geltend zu machen. Danach kann, wenn infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit oder die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses des Gemeinschuldners eintritt, der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung oder der Aufhebung nur als Konkursgläubiger geltend machen, soweit ihm nicht ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung zusteht. Zu den infolge der Konkurseröffnung aufgehobenen Rechtsverhältnissen gehören auch die von der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Leasingverträge. § 26 KO regelt jedoch nur die infolge der vorzeitigen Aufhebung der Leasingverträge entstandenen Ansprüche der Leasinggeberin, nicht aber den Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA. Nur der Leasinggeber ist der Vertragspartner des Gemeinschuldners und damit der in § 26 KO genannte "andere Teil". Das FA ist nicht "der andere Teil" im Sinne dieser Vorschrift und muß deshalb den Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht nach dieser Vorschrift als Konkursforderung geltend machen.
c) Da die Umsatzsteuer, um die es hier geht, entstand, weil das Leasingverhältnis im Interesse der Konkursmasse beendet wurde, handelt es sich um Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse i.S. von § 58 Nr. 2 KO. Derartige Massekosten sind durch Steuerbescheid gegenüber dem Konkursverwalter geltend zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1994 V R 114/91, BFHE 175, 164, BStBl II 1994, 878).
d) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, mindert der von der Leasinggeberin berechnete Schadensersatz nicht die Bemessungsgrundlage für die nicht ausgeführte Leistung, so daß auch die darauf entfallende Umsatzsteuer und damit der zu berichtigende Vorsteuerbetrag durch den Schadensersatz nicht berührt werden.
Der von der Leasinggeberin geltend gemachte Schadensersatz ist echter Schadensersatz und kein Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung der Leasinggeberin (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Februar 1987 VIII ZR 27/86, Neue Juristische Wochenschrift 1987, 1690, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht 1987, 397 mit Anmerkung Graf von Westphalen; Antwort von Frau Scrivener im Namen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 12. November 1993 auf eine entsprechende Anfrage von Frau Fontaine, Umsatzsteuer-Rundschau 1994, 267; allgemein zu Schadensersatzleistungen Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 1 Bem.79 ff.; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch I, Rz. 474 ff.). Er berührt deshalb den Leistungsaustausch zwischen Leasinggeberin und Leasingnehmerin nicht und hat somit keinen Einfluß auf die umsatzsteuerliche Behandlung dieses Leistungsaustauschverhältnisses. Er mindert deshalb auch nicht die Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG 1991.
Fundstellen
Haufe-Index 65748 |
BFH/NV 1995, 93 |
BStBl II 1995, 808 |
BFHE 178, 485 |
BFHE 1996, 485 |
BB 1995, 2461 |
BB 1995, 2461-2463 (LT) |
DB 1995, 2252 (L) |
DStR 1995, 1674-1675 (KT) |
DStZ 1996, 55-56 (KT) |
HFR 1995, 741-742 (LT) |
StE 1995, 671 (K) |