Leitsatz (amtlich)
Die Erhebung einer Gebühr für die Untersuchung ausgeführter Waren wegen der Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen verstößt gegen Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
MOG § 11 Abs. 3-4; EWGV Art. 9; EWGVtr Art. 12; EWGV Art. 13; EWGVtr Art. 16
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte am 17. März 1981 Futtermittel nach den Niederlanden aus und beantragte dafür beim Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) die Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen. Die Versandzollstelle entnahm der Ausfuhrsendung eine Warenprobe und übersandte diese einer Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt zur Untersuchung. Nach der Untersuchung erhob das HZA mit Kostenbescheid vom 25. Januar 1982 Kosten in Höhe von 48,80 DM.
Die mit Zustimmung des HZA erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Hamburg hob den Kostenbescheid auf und verpflichtete das HZA, an die Klägerin 48,80 DM mit 4 % Zinsen je Jahr seit dem 8. Februar 1982 zu zahlen (Urteil vom 4. März 1982 IV 11/82 H, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1982, 631).
Entscheidungsgründe
Die Revision des HZA ist nicht begründet.
1. Der angefochtene Kostenbescheid entspricht deutschem Recht.
Nach § 11 Abs. 3 MOG werden für Warenuntersuchungen im Rahmen der Gewährung von gemeinschaftsrechtlichen Vergünstigungen im Sinne des MOG Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, soweit in Rechtsverordnungen über solche Vergünstigungen die Bundesfinanzverwaltung als zuständige Stelle für die Gewährung bestimmt ist (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 1978 VII R 68/77, BFHE 125, 321). Für die Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen enthält § 2 der Verordnung über die Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom 9. Dezember 1980 (BGBl I 1980, 2242) die erforderliche Zuständigkeitsbestimmung. Die Höhe der Gebühren ist in § 11 Abs. 4 MOG geregelt. Nach diesen Vorschriften begegnet der Kostenbescheid keinen Bedenken.
2. Wie das FG zu Recht entschieden hat, kollidieren indes die genannten nationalen Vorschriften mit Gemeinschaftsrecht und sind daher nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts im vorliegenden Fall unanwendbar. Sie verstoßen gegen das sich aus den Art. 9, 12, 13 und 16 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) ergebende Verbot der Erhebung zollgleicher Abgaben im innergemeinschaftlichen Verkehr.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH stellt eine „den Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig auferlegte finanzielle Belastung, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne der Art. 9, 12, 13 und 16 des Vertrages dar, selbst wenn sie nicht zugunsten des Staates erhoben wird. Anders ist es nur, wenn die fragliche Belastung ein Entgelt für einen dem Importeur tatsächlich geleisteten Dienst darstellt und ihre Höhe diesem Dienst angemessen ist, falls es sich … um eine Abgabe handelt, mit der ausschließlich die eingeführten Erzeugnisse belegt werden” (vgl. Urteil vom 17. Mai 1983 Rs. 132/82, EuGHE 1983, 1649). Der erkennende Senat hält diese Rechtsprechung für zutreffend. Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich ihr angeschlossen (vgl. Urteile vom 8. März 1974 VII C 34.71, BVerwGE 45, 72, und vom 26. August 1977 VII C 10.76, BVerwGE 54, 285).
a) Die nach § 11 Abs. 3 MOG zu erhebenden Kosten werden „wegen des Überschreitens der Grenze” auferlegt. Die ständige Rechtsprechung des EuGH macht deutlich, daß diese Voraussetzung des Begriffs der zollgleichen Abgabe im Interesse der Sicherung eines freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft nicht eng auszulegen ist. Es fallen auch Belastungen darunter, die „anläßlich” der Grenzüberschreitung erhoben werden (EuGHE 1983, 1649, 1659, Absatz 9 der Gründe). Das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Abgaben gleicher Wirkung läßt keine Unterscheidung zu nach dem Zweck der finanziellen Belastung (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Dezember 1972 Rs. 29/72, EuGHE 1972, 1309).
Die streitigen Kosten sind entstanden durch die Untersuchung einer aus einer Ausfuhrsendung entnommenen Warenprobe mit dem Ziel zu prüfen, ob die ausgeführten Waren die rechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen erfüllen. Die Untersuchung ist also „wegen oder anläßlich” der Überschreitung der Grenze durchgeführt worden. Die daraus sich ergebenden Lasten sind daher ebenfalls als wegen oder anläßlich der Grenzüberschreitung auferlegt anzusehen.
Zu Unrecht wendet sich das HZA gegen diese Auffassung mit dem Hinweis, Grund für die gebührenpflichtige Untersuchung sei nicht die Ausfuhr gewesen, sondern die Tatsache, daß die Klägerin die Gewährung einer Vergünstigung in Form von Währungsausgleichsbeträgen beantragt habe, die keine notwendige Folge der Ausfuhr und auch keine Ausfuhrbedingung sei. Die Rechtsprechung des EuGH läßt keinen Zweifel daran, daß nicht nur solche wegen des Überschreitens der Grenze auferlegten Belastungen zollgleiche Abgaben sind, die mit der Ausfuhr zwangsläufig verbunden sind, sei es als Bedingung der Ausfuhr, sei es als notwendige Folge. „Anläßlich” der Grenzüberschreitung entstehen vielmehr auch Belastungen, deren Ursache die Grenzüberschreitung nicht allein ist.
Grund für das Verbot zollgleicher Abgaben ist es, wie der EuGH insbesondere in seinem grundsätzlichen Urteil zu dieser Frage deutlich gemacht hat (Urteil vom 1. Juli 1969 Rs. 24/68, EuGHE 1969, 193), den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten. Eine Belastung, die ihren Grund auch nur teilweise in der Tatsache der Grenzüberschreitung findet, stellt aber eine Behinderung des freien Warenverkehrs dar. Zu Unrecht wendet das HZA ein, die Klägerin hätte die Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen anläßlich der Ausfuhr nicht zu beantragen brauchen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Währungsparitäten schied eine solche Möglichkeit praktisch aus.
Daran ändert auch nichts der Hinweis des HZA, die Untersuchung werde allein im Interesse des potentiellen Begünstigten durchgeführt, dem dadurch der ihm obliegende Nachweis ermöglicht werde. Dieser Umstand kann allenfalls bei der Frage eine Rolle spielen, ob etwa ein anderes Element des Begriffs der zollgleichen Abgabe fehlt, nämlich daß die Belastung nicht ein Entgelt für einen dem Begünstigten geleisteten Dienst darstellt (vgl. unten Buchst. b). Auch wenn insoweit die Auffassung des HZA zuträfe, würde jedenfalls nicht in Frage gestellt, daß die streitbefangenen Kosten anläßlich der Ausfuhr der fraglichen Waren auferlegt worden sind. Denn ohne diese Ausfuhr hätte für die kostenpflichtige Untersuchung kein Anlaß bestanden.
b) Keine Abgabe zollgleicher Wirkung liegt nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH vor, „wenn die fragliche Belastung ein Entgelt für einen dem Importeur tatsächlich geleisteten Dienst darstellt und ihre Höhe diesem Dienst angemessen ist” (EuGHE 1983, 1649, 1658). Eine solche Dienstleistung ist nicht gegeben, wenn die Belastung für eine Tätigkeit der Verwaltung auferlegt wird, die im allgemeinen Interesse liegt (vgl. EuGH-Urteile in EuGHE 1969, 193, 202, Absatz 16 der Gründe, und vom 11. Oktober 1973 Rs. 39/73, EuGHE 1973, 1039, 1044, Absatz 4 der Gründe). Die durch § 11 Abs. 3 MOG mit Kosten belegte Tätigkeit der Verwaltung bei der Untersuchung von Warenproben dient aber – zumindest auch – der Allgemeinheit der Marktbürger der EWG.
§ 11 Abs. 3 MOG begnügt sich damit, für sämtliche Warenuntersuchungen, die im Rahmen der Gewährung gemeinschaftsrechtlicher Vergünstigungen durchgeführt werden, die Kostenpflicht des Beteiligten anzuordnen. Die Vorschrift unterscheidet also nicht danach, zu welchem Zweck die jeweilige Untersuchung durchgeführt wird. Die Kostenpflicht betrifft demnach auch solche Untersuchungen, die die Verwaltung in Erfüllung ihrer Pflicht durchführt, die ungerechtfertigte Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern. Die Verwirklichung dieses Ziels liegt offensichtlich im allgemeinen Interesse. Der insoweit von der Verwaltung geleistete Dienst ist also nicht dem Exporteur geleistet. Die Kosten dafür stellen kein Entgelt dar. Solche Belastungen sind somit als zollgleiche Abgaben anzusehen.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob eine Regelung in § 11 Abs. 3 MOG in Einklang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Verbot der Erhebung zollgleicher Abgaben stünde, die eine Kostenpflicht nur für Untersuchungen vorsähe, die allein mit dem Ziel durchgeführt werden, dem Begünstigten den ihm nach anderen Regelungen obliegenden Beschaffenheitsnachweis zu erleichtern. Denn eine solche differenzierende Regelung hat der Gesetzgeber jedenfalls nicht getroffen. Daher enthält auch der angefochtene Kostenbescheid keine entsprechende Unterscheidung, die es den Gerichten ermöglichte nachzuprüfen, ob als Zweck der Untersuchung die dem Interesse der Allgemeinheit dienende Prüfung der Verhinderung ungerechtfertigter Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen ausscheidet. Es muß also davon ausgegangen werden, daß entgegen den Ausführungen des HZA die Untersuchung – zumindest auch – dem letztgenannten Zweck diente.
Für die Richtigkeit der Auffassung, daß Kosten der streitigen Art kein Entgelt für eine Dienstleistung der Verwaltung für den Exporteur im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der zollgleichen Abgabe ist, spricht auch die – im hier maßgebenden Zeitpunkt noch nicht gültige – Regelung des Art. 9 Abs. 5 der RL 81/177/EWG. Nach dieser Vorschrift trägt die Verwaltung die Kosten, die bei den von ihr veranlaßten Untersuchungen ausgeführter Waren entstehen. Diese Regelung spricht dafür, daß nach Auffassung des Rates solche Untersuchungen in der Regel im allgemeinen Interesse durchgeführt werden und daher ihre Kosten nicht als Entgelt für eine Dienstleistung der Verwaltung angesehen werden können. Entsprechendes ist aus der Ausnahmeregelung des Art. 9 Abs. 6 RL 81/177/EWG für den Fall des Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3035/80 (VO Nr. 3035/80) des Rates vom 11. November 1980 (ABlEG L 323/27 vom 29. November 1980) zu entnehmen. Allein für die dort zweifelsfrei lediglich im Interesse des Antragstellers für eine Ausfuhrerstattung durchgeführte Untersuchung trägt dieser die Analysekosten. Es liegt nahe, daraus den Umkehrschluß zu ziehen, daß es bei der Kostentragungspflicht der Verwaltung in Fällen bleibt, in denen nicht völlig klar ist, daß nur das Interesse des Begünstigten in Frage steht.
c) Auf das EuGH-Urteil in EuGHE 1982, 2933 beruft sich das HZA zu Unrecht. Dieses Urteil hat sich lediglich mit der Frage befaßt, ob die Erhebung von Kosten für die Untersuchung von Erzeugnissen, für die eine Gemeinschaftsbeihilfe gewährt werden kann, mit dem zur Regelung solcher Beihilfen erlassenen sekundären Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Über die hier maßgebende Frage, unter welchen Voraussetzungen eine zollgleiche Abgabe vorliegt, gibt dieses Urteil keinen Aufschluß, da Grenzüberschreitungen der betroffenen Waren keine Rolle spielten. Auch zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine bestimmte Belastung ein Entgelt für eine Dienstleistung ist, hat sich der EuGH in diesem Urteil nicht geäußert.
Auch auf das EuGH-Urteil vom 25. Januar 1977 Rs. 46/76 (EuGHE 1977, 5) kann sich das HZA nicht berufen. Die Gebühren, über deren Rechtmäßigkeit der EuGH in diesem Verfahren zu entscheiden hatte, beruhten auf gesundheitspolizeilichen Kontrollen, die aufgrund von Vorschriften durchgeführt worden sind, welche der Rat im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft erlassen hatte. Damit ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen.
d) Daß die fraglichen Gebühren kein Teil eines inländischen Abgabensystems sind, hat das FG zu Recht entschieden. Insoweit hat das HZA die Vorentscheidung auch nicht angegriffen.
Fundstellen