Leitsatz (amtlich)
Zu den Geschäften, die unmittelbar der Durchführung der Flurbereinigung dienen, gehören auch Kaufverträge, welche die Teilnehmergemeinschaft mit Teilnehmern abschließt, um von ihnen Einlagegrundstücke zu erwerben und an aufstockungswürdige Teilnehmer abzugeben und dadurch - entsprechend dem Flurbereinigungsplan - zur Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets beizutragen.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 1; FlurBG § 108 Abs. 1; Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 11. August 1954 (BayBS IV, 365) Art. 24
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Klägerin und Revisionsbeklagte) kaufte durch notariell beurkundete Verträge vom 11. Dezember 1962 mehrere Einlagegrundstücke von Teilnehmern "zum Zwecke der Aufstockung landwirtschaftlicher Kleinbetriebe im Flurbereinigungsverfahren". Die Flurbereinigungsbehörde stimmte den Verträgen zu und versicherte, daß sie der Durchführung der Flurbereinigung dienten. Die Steuerpflichtige beantragte, diese Verträge gemäß § 108 Abs. 1 des Flurbereinigungsgesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl I, 591) - FlurBG - in Verbindung mit Art. 24 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 11. August 1954 (Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts IV S. 365 - BayBS IV, 365 -) - AGFlurBG - steuerfei zu lassen.
Das FA (Beklagter und Revisionskläger) lehnte die Steuerbefreiung ab mit dem Hinweis, die Verträge hätten nicht unmittelbar der Durchführung der Flurbereinigung gedient, weil das im Flurbereinigungsgesetz geregelte Verfahren nicht den Kauf von Grundstücken durch die Teilnehmergemeinschaft vorsehe.
Mit der Berufung machte die Steuerpflichtige geltend, sie habe die Grundstücke erworben, "um einen aussiedlungswilligen Teilnehmer in der Ortschaft A aufstocken und aussiedeln zu können". Dadurch werde "eine in A dringend notwendige Ortsauflockerung" und außerdem "eine optimale Zusammenlegung der Ortsfluren A und B ermöglicht". Diese Planung sei wesentlicher Inhalt des Flurbereinigungsverfahrens F. Sie habe es vorgezogen, die Grundstücke freihändig anstatt gemäß § 52 FlurBG zu erwerben, weil sie auf diese Weise früher über das Aufstockungsland habe verfügen können und die mit umfangreichen Verwaltungsarbeiten verbundene Lastenfreistellung der Grundstücke (§§ 74 ff. FlurBG) nicht selbst habe besorgen müssen, sondern damit den Notar habe beauftragen können.
Das FG hob die Einspruchsentscheidung und die Grunderwerbsteuerbescheide auf. Der Erwerb der Grundstücke sei steuerfrei, weil er unmittelbar der Durchführung der Flurbereinigung gedient habe. Der Zweck der Befreiungsvorschrift des § 108 FlurBG - das Flurbereinigungsverfahren möglichst billig zu gestalten - gebiete es, den aus Gründen der Einfachheit und Zweckmäßigkeit von der Steuerpflichtigen gewählten Weg des freihändigen Ankaufs von Einlagegrundstücken ebenso steuerfrei zu lassen, wie wenn sie statt dessen die Teilnehmer im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens für ihre eingelegten Grundstücke in Geld statt in Land abgefunden hätte.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt das FA unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Nur solche Geschäfte seien steuerfrei, die zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich und deshalb im Flurbereinigungsgesetz selbst geregelt seien, z. B. die Landzuweisung zur Abfindung der Teilnehmer. Dagegen sei der freihändige Erwerb von Grundstücken durch die Teilnehmergemeinschaft im Flurbereinigungsgesetz nicht vorgesehen und deshalb steuerpflichtig.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Steuerpflichtige beantragt,
die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig erachtet und aufgehoben. Die bezeichneten Kaufverträge unterliegen zwar der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940), sind aber gemäß § 108 Abs. 1 FlurBG in Verbindung mit Art. 24 Satz 1 AGFlurBG steuerfrei, weil sie der Durchführung der Flurbereinigung dienten. Die Durchführung der Flurbereinigung geschieht in einem behördlich geleiteten Verfahren innerhalb des Flurbereinigungsgebiets unter Mitwirkung der Teilnehmergemeinschaft (vgl. § 2 Abs. 1, § 10 Nr. 1, § 16 FlurBG). Dieses Verfahren sieht - entgegen der Ansicht des Beklagten - den "Abschluß von Verträgen" durch die Teilnehmergemeinschaft vor (§ 7 Abs. 2 Satz 1 FlurBG). Die Verträge können auch den Erwerb von Grundstücken zum Gegenstand haben. Die zwischen der Steuerpflichtigen und einzelnen Teilnehmern abgeschlossenen Kaufverträge - "Geschäfte" im Sinne der Befreiungsvorschriften (Urteile des BFH II 125/61 U vom 24. Juni 1964, BFH 79, 579, BStBl III 1964, 446, und VII 86/65 vom 8. Oktober 1968, BFH 94, 38, HFR 1969, 92) - dienten unmittelbar der Durchführung der Flurbereinigung, weil so die Steuerpflichtige Grundstücke erwerben und alsbald an aufstockungswürdige Teilnehmer abgeben konnte, so daß es möglich wurde, Ortslagen aufzulockern, Ortsfluren zusammenzulegen und dadurch - entsprechend dem Flurbereinigungsplan (§§ 38, 56 ff. FlurBG) - zur Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets beizutragen (§ 1, § 37 Abs. 1, § 45 Abs. 2 FlurBG). Die Steuerpflichtige handelte im Einklang mit dem Zweck des Flurbereinigungsgesetzes, was auch daraus hervorgeht, daß das Flurbereinigungsamt, dessen Aufsicht sie unterstand, den Kaufverträgen zustimmte (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 FlurBG).
Die Kosten des Verfahrens waren dem Beklagten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 413056 |
BStBl II 1972, 317 |
BFHE 1972, 387 |