Leitsatz (amtlich)
Die Lade- und Rollkostenzuschüsse, die die Deutsche Bundesbahn einem Unternehmer gewährt, wenn er seine Waren mit der Bundesbahn versenden läßt, sind zusätzliches Entgelt für die Lieferungen des Unternehmers an seine Kunden.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1; UStDB 1951 § 10 S. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Lade- und Rollkostenzuschüsse, die die Deutsche Bundesbahn (DB) der Steuerpflichtigen (Klägerin, Revisionsklägerin) gewährte, der Umsatzsteuer unterliegen.
Die Steuerpflichtige lieferte Elektrodenkohlenmasse an Abnehmer im Bundesgebiet und im Ausland. Die Ware wurde in der Regel mit der DB unfrei ab dem Güterbahnhof X versandt. Die Anfuhr vom Werk zum Güterbahnhof besorgte ein Rollfuhrunternehmer; die Steuerpflichtige stellte Arbeitskräfte für das Ein- und Umladen. Die DB gewährte der Steuerpflichtigen aus Wettbewerbsgründen Zuschüsse zu den Lade- und Rollkosten. Die Zuschüsse sollten die Kosten ausgleichen, die der Steuerpflichtigen dadurch entstanden, daß die Ware zunächst zum Güterbahnhof befördert und dort umgeladen werden mußte. Die Zuschüsse betrugen im Streitjahr 1961 ... DM. Sie bemaßen sich nach der Menge der über den Bahnhof X versandten Elektrodenkohlenmasse, wobei ins Ausland versandte Elektrodenkohlenmasse nicht einbezogen wurde; insoweit war nach Auffassung der DB keine Wettbewerbsgefährdung durch den Güterfernverkehr zu besorgen. Voraussetzung für die Zuschußgewährung war die Versendung von monatsdurchschnittlich mindestens 200t Elektrodenkohlenmasse und eine Versandstrecke von mindestens 200 km.
Das FA (Beklagter, Revisionsbeklagter) unterwarf die Zuschüsse der Umsatzsteuer. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hat ausgeführt: Die Zuschüsse seien Entgeltauffüllung im Rahmen der Lieferungen der Steuerpflichtigen an ihre Abnehmer. Sie hätten die Steuerpflichtige als Kunden der DB wenigstens annähernd so stellen sollen wie einen Unternehmer, der seine Güter mit Kraftwagen befördern lasse. Der Sachverhalt sei demjenigen des Urteils des BFH V 9/62 vom 14. Mai 1964 (HFR 1964, 471, StRK, Umsatzsteuergesetz, § 1 Nr. 1, Rechtsspruch 320) vergleichbar. Der BFH habe in dieser Entscheidung Frachthilfen für Lieferungen im Zonenrandgebiet ebenfalls als Entgelt angesehen.
Die Steuerpflichtige rügt mit der Revision unrichtige Anwendung des geltenden Rechts: Die Zuschüsse seien nicht für eine steuerbare Leistung gezahlt worden. Eine Entgeltauffüllung scheide aus, weil die DB eigenwirtschaftliche Interessen verfolge und sich nicht in den Leistungsaustausch mit den Abnehmern eingeschaltet habe. Die Zuschüsse seien praktisch ein "indirekt gewährter Preisnachlaß auf die von der DB selbst festgesetzten amtlichen Rollfuhr-Sätze".
Das FA hält die Revision schon deswegen für unbegründet, weil ein Leistungsaustausch zwischen Steuerpflichtiger und DB vorliege; die Steuerpflichtige habe sich privatrechtlich verpflichtet, bestimmtes Frachtgut durch die DB befördern zu lassen und dafür die Zuschüsse erhalten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
1. Ein Leistungsaustausch zwischen der Steuerpflichtigen und der DB ist entgegen der Auffassung des FA zu verneinen. Das Vorbringen des FA, die Steuerpflichtige habe sich zur Benutzung der DB verpflichtet, widerspricht der Feststellung des FG, die Steuerpflichtige habe ihren Abnehmern die Entscheidung über die Versendungsart (Bahn oder Lkw) überlassen. Die Steuerpflichtige hätte Wünschen ihrer Abnehmer nach einer Lkw-Versendung nicht nachkommen können, wenn sie sich gegenüber der DB gebunden hätte.
Gegen eine solche Verpflichtung spricht auch der Charakter der von der DB gezahlten Lade- und Rollkostenzuschüsse. Die DB setzt Beförderungsentgelte und Gebühren für Nebenleistungen allgemeinverbindlich in Tarifen fest (§ 6 Abs. 1 der Eisenbahn-Verkehrsordnung vom 8. September 1938, RGBl II 1938, 663). Die Tarife sind unabdingbar. Sie gelten jedoch nur für die eigentliche Eisenbahnbeförderung, nicht für das Rollfuhrwesen. Insoweit darf die DB im Einzelfall Nachlässe gewähren oder Zuschüsse zahlen. Die Zuschußzahlung ist, weil andernfalls eine verschleierte Frachtrückgewähr anzunehmen wäre, begrenzt durch die tatsächlichen Mehrkosten gegenüber dem Tarifentgelt für einen vergleichbaren Kraftwagentransport (Urteil des BGH I b ZR 80/64 vom 13. Juli 1966, BB 1966, 913; Finger, Eisenbahn-Verkehrsordnung, 4. Aufl. 1970, § 6 Anm. 4 c). Danach versetzt die DB einen Unternehmer mit dem Versprechen eines Zuschusses lediglich in die Lage, seine Entscheidung für oder gegen eine Versendung mit der DB unabhängig von Kostenüberlegungen zu treffen. Der Zuschuß stellt Schiene und Straße im Wettbewerb um die Güterbeförderung gleich, ist jedoch nicht so hoch bemessen, daß er einen Unternehmer reizen könnte, nur mit der DB zu befördern und sich sogar gegenüber der DB zu binden.
Abgesehen von einer vertraglichen Bindung fehlt auch jede andere Verknüpfung des Zuschusses mit einer als "Leistung" an die DB zu beurteilenden Tätigkeit der Steuerpflichtigen. Insbesondere kommen als Leistungen i. S. des § 1 Nr. 1 UStG 1951 nicht die wiederholten Entscheidungen der Steuerpflichtigen in Betracht, Elektrodenkohlenmasse mit der DB versenden zu lassen. Eine unternehmerische Entscheidung ist für sich genommen keine derartige Leistung. Der Unternehmer mag bestimmte Kostensituationen berücksichtigen. Letztlich trifft er aber unternehmerische Entscheidungen, um den Fortbestand und das Wachstum seines Unternehmens zu sichern. Bei den Entscheidungen der Steuerpflichtigen, mit der DB zu befördern, kommt noch hinzu, daß sich die Steuerpflichtige - wie das FG ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und den Akteninhalt festgestellt hat - nach den Wünschen der Abnehmer richtete. Die Steuerpflichtige erfüllte sonach die Bedingungen für die Zuschußgewährung nicht zielstrebig. Die Zuschüsse waren vielmehr Reflex ihres unternehmerischen Verhaltens, aus der Sicht der DB eine Belohnung für ein nicht umsatzfähiges Wohlverhalten (dazu BFH-Urteil V R 163/66 vom 2. Oktober 1969, BFH 97, 263, BStBl II 1970, 111).
2. Zutreffend hat aber das FG die Zuschüsse als Entgeltauffüllung (Preisauffüllung) im Rahmen der Warenumsätze beurteilt. Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für dessen Leistungen gewährt (§ 10 Satz 2 UStDB 1951). Die Annahme eines solchen zusätzlichen Entgelts setzt einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Leistung des Unternehmers und der Zuwendung des Dritten voraus (BFH-Urteil V 223/58 U vom 16. November 1961, BFH 74, 156, BStBl III 1962, 59). Erstattet ein Dritter Frachtauslagen, ist zu unterscheiden, ob der Zuschuß die Eingangsfrachten oder die Ausgangsfrachten verbilligt. Im ersten Fall kann der Zuschuß die Bemessungsgrundlage für die mit den empfangenen Waren durchgeführten Umsatzgeschäfte des Unternehmers nicht beeinflussen. Werden durch den Zuschuß aber die Ausgangsfrachten ermäßigt, so besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem der Versendungslieferung zugrunde liegenden Leistungsaustausch (BFH-Urteile V 223/58 U vom 16. November 1961, a. a. O.; V 9/62 vom 14. Mai 1964, a. a. O.). Der Senat hat in dem letztgenannten Urteil eine Preisauffüllung selbst dann angenommen, wenn Ausgangsfrachthilfen für die Beförderung zu Agenturen des Unternehmers gewährt werden. Daran wird festgehalten. Ausgangsfrachten sind Vertriebskosten. Sie fallen notwendigerweise bei Versendungslieferungen an. Ein Zuschuß, der die Ausgangsfrachten verbilligt, ist unmittelbar umsatzbezogen. Das gilt auch für die Rollkostenzuschüsse der DB. Die Rollfuhrgelder sind Ausgangsfrachten. Die Rollkostenzuschüsse sollen, wie die Steuerpflichtige selbst betont, ihre Rollfuhraufwendungen verbilligen.
Soweit die DB für das Beladen und Umladen anläßlich der Rollanfuhr Zuschüsse gewährt, greift die gleiche Beurteilung Platz. Die Aufwendungen der Steuerpflichtigen für ihre Beladekräfte sind ebenfalls Vertriebskosten. Vertriebskosten, die nach Einleitung der Versendung (Konkretisierung des Lieferungsgegenstands) entstehen, sind stets umsatzbezogen. Ihre Erstattung ist Preisauffüllung.
Die Frage, ob die Lade- und Rollfuhrkosten nicht abzugsfähige Vorfrachten im Sinne der Rechtsprechung zu § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 sind (vgl. hierzu zuletzt BFH-Urteil V R 21/69 vom 28. Januar 1971), braucht nicht erörtert zu werden. Auch die Erstattung von Vorfrachten ist Preisauffüllung. Die Steuerpflichtige meint unter Bezugnahme auf das Urteil des RFH V 492/37 vom 9. Juni 1939 (Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Bd. 47 S. 60, RStBl 1939, 886), es fehle im vorliegenden Fall an einer Einschaltung der DB in die Leistungsaustausche zwischen der Steuerpflichtigen und ihren Abnehmern. Diese Ansicht trifft nicht zu. Die DB beseitigte, als sie die Zuschüsse zusagte, einen Kostennachteil, der einer Versendung mit ihr hätte hinderlich sein können, und beeinflußte damit die Abwicklung der Lieferungsgeschäfte der Steuerpflichtigen. Eine weitergehende Einschaltung ist nicht erforderlich. Unerheblich ist, daß die DB ein eigenes Interesse an der Zuschußgewährung hatte. Jeder Zuschußgeber - sei er im öffentlichen Interesse oder wie hier die DB privatwirtschaftlich tätig - verfolgt mit der Zuschußgewährung in der Regel auch eigene Interessen. Bei öffentlichen Zuschußgebern stimmen lediglich eigene und gemeinnützige Interessen überein. Unternehmen es Zuschußgeber, Zwecke welcher Art auch immer durch eine Preisauffüllung zu fördern, muß der begünstigte Unternehmer eine Umsatzsteuerpflicht in Kauf nehmen. Danach braucht nicht untersucht zu werden, ob die Lade- und Rollkostenzuschüsse mit dem Erlaß des BdF vom 10. Dezember 1956 (USt-Kartei S 4201 Karte 53 Nr. 3) auch deswegen der Besteuerung zu unterwerfen sind, weil sie die Versendungsauslagen, soweit diese nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 absetzbar sind, mindern.
Fundstellen
BStBl II 1971, 413 |
BFHE 1971, 573 |