Leitsatz (amtlich)
Hat von zusammenveranlagten Ehegatten der eine positive und der andere negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bezogen, hängt die Höhe des nach § 13 Abs.3 EStG zu gewährenden Freibetrags von den zusammengerechneten Einkünften der Ehegatten aus Land- und Forstwirtschaft ab.
Orientierungssatz
1. Der Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG ist eine aus agrarpolitischen Erwägungen gewährte steuerliche Subvention. Sein Zweck liegt nicht darin, die Einkünfte aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft selbst zu mindern, sondern ihre Besteuerung zu ermäßigen (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur). Der erhöhte Freibetrag für zusammenveranlagte Eheleute (§ 13 Abs. 3 Satz 2 EStG) wird auch dann gewährt, wenn von den Eheleuten nur einer Einkünfte aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft bezieht (vgl. Literatur).
2. Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung von Ehegatteneinkünften (vgl. BFH-Urteil vom 26.7.1983 VIII R 160/80) werden die Einkünfte zusammenzuveranlagender Ehegatten zunächst getrennt ermittelt, sodann zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet. Diese Zusammenrechnung findet noch vor der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) statt (Literatur).
3. Ehegatten werden gegenüber Ledigen durch eine gesetzliche Regelung nicht benachteiligt (Art. 6 Abs. 1 GG), wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest ehe-neutral auswirkt (vgl. BVerfG-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1981 § 13 Abs. 3; EStG §§ 26b, 2 Abs. 3; GG Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 06.02.1986; Aktenzeichen V 1129/85) |
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für 1982 ein Freibetrag gemäß § 13 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist.
Der Kläger ist verheiratet. Er erzielte im Streitjahr als Pächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, den er von seiner Ehefrau gepachtet hatte, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 819 DM; seine Ehefrau erzielte gleichartige Einkünfte als Verpächterin in Höhe von ./. 950 DM. Im Rahmen der Zusammenveranlagung des Klägers und seiner Ehefrau zur Einkommensteuer saldierte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die von beiden Ehegatten erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Dies ergab einen Betrag von ./. 131 DM. Bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (in Höhe von 44 414 DM) wurde ein Freibetrag für Land- und Forstwirtschaft nach § 13 Abs.3 EStG nicht berücksichtigt.
Der nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren vom Kläger erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Die Information über Steuer und Wirtschaft (Inf) 1986, 261 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte das FG aus, aus den §§ 2 Abs.1 bis 5, 13 Abs.3, 26, 26b EStG ergebe sich zwingend, daß die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer grundsätzlich die getrennte Einkunftsermittlung der beiden Ehegatten unberührt lasse. Auch bei zusammenveranlagten Ehegatten müßten deshalb zunächst für jeden die von ihm bezogenen Einkünfte getrennt ermittelt werden (Grundsatz der Individualbesteuerung; vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Juli 1983 VIII R 160/80, BFHE 139, 69, BStBl II 1983, 675, m.w.N., und vom 26.Februar 1985 VIII R 125/83, BFHE 143, 269, BStBl II 1985, 547). Der die Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht berührende Freibetrag im Sinne von § 13 Abs.3 EStG sei erst danach, aber noch vor der Zusammenrechnung nach §§ 2 Abs.3, 26b EStG bei demjenigen Ehegatten zu berücksichtigen, der positive Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bezogen habe. In die Summe der Einkünfte (§ 2 Abs.3 EStG) flössen daher im Streitfall land- und forstwirtschaftliche Einkünfte des Klägers (nach Abzug des land- und forstwirtschaftlichen Freibetrags) von 0 DM, gleichartige Einkünfte seiner Ehefrau in Höhe von ./. 950 DM sowie die weiteren zwischen den Beteiligten nicht streitigen Einkünfte beider Ehegatten ein.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 13 Abs.3 EStG.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 13 Abs.3 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1982 gültigen Fassung werden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nur berücksichtigt, soweit sie den Betrag von 2 000 DM übersteigen. Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, erhöht sich der Betrag von 2 000 DM auf 4 000 DM.
Bei zusammenveranlagten Ehegatten, die beide Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beziehen, sind für die Höhe des Freibetrags die zusammengerechneten Einkünfte der Ehegatten aus Land- und Forstwirtschaft maßgebend (so auch Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3.Aufl., Anm.A 396; Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr.1216). Diese Auffassung entspricht dem Wortsinn, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des § 13 Abs.3 EStG.
Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung von Ehegatteneinkünften (vgl. § 26b EStG, sowie Urteil in BFHE 139, 69, BStBl II 1983, 674) sind zwar die Einkünfte zusammenzuveranlagender Ehegatten zunächst getrennt zu ermitteln. Sodann werden jedoch die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet (§ 26b EStG). Diese Zusammenrechnung findet noch vor der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs.3 EStG) statt Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., § 26b Anm.2 c).
Nach dem Wortlaut des § 13 Abs.3 EStG kann der dort geregelte Freibetrag nur "bei" der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs.3 EStG) wirksam werden. Der Wortsinn des § 13 Abs.3 EStG gibt nichts dafür her, daß bereits bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft deren Höhe durch den Abzug des Freibetrags gemindert werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 12.Februar 1976 IV R 8/73, BFHE 118, 209, BStBl II 1976, 413). Ist der Freibetrag hiernach aber erst bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte anzusetzen, so kann er sich bei zusammenveranlagten Ehegatten, die beide Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beziehen, nur nach den zusammengerechneten Einkünften der Ehegatten aus Land- und Forstwirtschaft richten.
Bestätigt wird diese Auffassung durch den Sinn und Zweck der Freibetragsregelung nach § 13 Abs.3 EStG. Der Freibetrag ist eine aus agrarpolitischen Erwägungen gewährte steuerliche Subvention. Folgerichtig liegt sein Zweck nicht darin, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft selbst zu mindern, sondern ihre Besteuerung zu ermäßigen (vgl. die Begründung zum Gesetz über die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen --GDL-- Teil A Nr.5, BRDrucks 257/65 und Urteil in BFHE 118, 209, BStBl II 1976, 413 zu § 13 Abs.3 EStG 1969; ebenso BFH-Urteil vom 30.April 1976 VI R 34/75, BFHE 119, 54, BStBl II 1976, 539; Kleeberg in Kirchhoff/Söhn, Einkommensteuergesetz, E 1, E 7 ff.; zur Vorläufervorschrift des § 13 Abs.3 EStG 1965 BFH-Urteil vom 26.September 1969 VI R 158/67, BFHE 96, 566, BStBl II 1969, 730; zur Rechtsentwicklung, Systematik und Kritik vgl. auch den Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen --BMF--, Heft 7, S.175 ff.). Dem entspricht es, bei zusammenveranlagten Ehegatten die Ermäßigung nicht auf die von ihnen jeweils erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, sondern auf die zusammengerechneten Einkünfte zu beziehen.
Für diese Auffassung spricht außerdem die Vorschrift des § 13 Abs.3 Satz 2 EStG, nach der sich der Betrag von 2 000 DM bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, auf 4 000 DM erhöht. Daß diese Verdoppelung des Freibetrags auf 4 000 DM für zusammenveranlagte Ehegatten nur einheitlich für beide Ehegatten zu verstehen sein kann (vgl. auch etwa bezüglich § 10 Abs.3 Nr.2 EStG 1977, wenn auch z.T. unter Bezugnahme auf § 26b EStG, BFH-Beschluß vom 22.Mai 1981 VI B 12/81, BFHE 133, 401, BStBl II 1981, 709), folgt schon daraus, daß der erhöhte Freibetrag auch dann gewährt wird, wenn von den zusammenveranlagten Ehegatten nur einer Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bezieht (Felsmann, a.a.O., A 394; Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr.1216; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 3.Aufl. 1984, Rdnr.86; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 13 EStG Tz.162; Kleeberg in Kirchhoff/Söhn, a.a.O., E 5; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 13 Anm.4 b; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14.Aufl. 1985, § 13 Rdnr.70; Abschn.124 Abs.1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984 --EStR 1984--). Würde man die Auffassung vertreten, daß der erhöhte Freibetrag nach § 13 Abs.3 Satz 2 EStG nicht einheitlich beiden zusammenveranlagten Ehegatten, sondern jedem Ehegatten mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gesondert gewährt wird, so würde dies zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß sich der erhöhte Freibetrag nach § 13 Abs.3 Satz 2 EStG verdoppeln könnte, wenn jeder Ehegatte 4 000 DM oder mehr positive Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt. Dieses Ergebnis entspräche erkennbar nicht dem Sinn des § 13 Abs.3 Satz 2 EStG. Eine solche Auslegung des Gesetzes würde vielmehr dazu führen, zusammenveranlagte Ehegatten gegenüber getrennt oder einzeln zu veranlagenden Land- und Forstwirten ohne hinreichenden Grund zu begünstigen (gegen die Verdoppelung z.B. auch Felsmann, a.a.O., A 394, 396; Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., Rdnr.71).
Daraus, daß der erhöhte Freibetrag nach § 13 Abs.3 Satz 2 EStG zusammenveranlagten Ehegatten nur einheitlich gewährt werden kann, folgt, daß die Höhe des Freibetrags gemäß § 13 Abs.3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG nur anhand der zusammengerechneten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der zusammenveranlagten Ehegatten ermittelt werden kann. Aus dem Fehlen einer Aufteilungsvorschrift ist auch zu entnehmen, daß die im Urteil in BFHE 143, 269, BStBl II 1985, 547 zur Anwendung des Sparerfreibetrags aufgestellten Grundsätze im Rahmen des § 13 Abs.3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG nicht anwendbar sein können. Ebensowenig ist --wie etwa in § 24a Satz 4 EStG-- im Rahmen des § 13 Abs.3 EStG vorgesehen, daß im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer die Voraussetzungen der Freibetragsgewährung für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen sind.
2. Die gesetzliche Regelung des § 13 Abs.3 EStG in der vom Senat für zutreffend erachteten Auslegung verstößt nicht gegen das Grundgesetz (GG). Insbesondere ist eine Verletzung des Art.6 Abs.1 GG nicht erkennbar.
Ehegatten werden gegenüber Ledigen durch eine gesetzliche Regelung nicht benachteiligt, "wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest ehe-neutral auswirkt" (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25.Januar 1972 1 BvL 30/69, BVerfGE 32, 260, 269, BStBl II 1972, 325, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 23.Januar 1981 VI R 214/77, BFHE 132, 293, BStBl II 1981, 316). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so verstößt die Regelung auch dann nicht gegen Art.6 Abs.1 GG, wenn sie in Einzelfällen zu Benachteiligungen von Eheleuten führt.
Die Verdoppelung des Freibetrags in § 13 Abs.3 Satz 2 EStG wirkt sich für zusammenveranlagte Ehegatten vorteilhaft gegenüber Ledigen aus, wenn nur ein Ehegatte (positive) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt, oder stellt die zusammenveranlagten Ehegatten gegenüber Ledigen gleich, wenn beide Ehegatten positive Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen. Nur in dem Ausnahmefall, daß der eine Ehegatte positive und der andere Ehegatte negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt, kann sich im Vergleich zu zwei Ledigen mit entsprechenden Einkünften ein Nachteil ergeben; dieser Nachteil wird aber durch den Splittingvorteil wieder ausgeglichen (vgl. dazu z.B. BVerfG-Urteil vom 3.November 1982 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79, 363/80, BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717; BFH-Urteil vom 19.Mai 1987 VIII R 39/83, BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590).
3. Da die Vorentscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen und deshalb zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage kann nach den vorstehenden Ausführungen in der Sache keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 62089 |
BStBl II 1988, 827 |
BFHE 153, 397 |
BFHE 1989, 397 |
BB 1988, 1812-1812 (L1) |
DB 1988, 1978-1980 (LT) |
HFR 1988, 564 (LT) |