Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Leistungsaustausch zwischen einer Arbeitsgemeinschaft und einem ihrer Mitglieder.
Normenkette
UStG § 1/1/1; UStG Abs. 3
Tatbestand
Nach der unbestrittenen Feststellung des Finanzgerichts hat ein Bauherr der Steuerpflichtigen (Stpfl.) und einem anderen Bauunternehmen die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes übertragen. Die beiden Unternehmen haben eine Arbeitsgemeinschaft gegründet und darüber einen Vertrag geschlossen, nach dessen § 1 die Arbeitsgemeinschaft eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes ist. Die beiden Bauunternehmen vereinigen sich danach zum Zwecke der gemeinsamen Durchführung der übertragenen Bauarbeiten unter Wahrung der Selbständigkeit ihrer sonstigen Geschäftsbetriebe. Die vertragschließenden Unternehmen verpflichten sich untereinander zu weitgehender Unterstützung bei der technischen und wirtschaftlichen Durchführung der gemeinsamen Arbeiten. § 2 des Vertrages bestimmt eine Beteiligung jedes Gesellschafters am Gewinn und Verlust zur Hälfte unter der Voraussetzung, daß jeder die Hälfte der Bauleistungen durchführt; bei unterschiedlichen Bauleistungen der Gesellschafter soll die Gewinn- und Verlustbeteiligung entsprechend den unterschiedlichen Bauleistungen festgesetzt werden. Zufolge § 3 wird aus dem Personal des Stpfl. ein Leiter für die technischen Arbeiten, aus dem Personal des anderen Bauunternehmens, je ein Leiter für die Bauleitung auf die Baustelle und für die kaufmännischen Verwaltungsarbeiten berufen. Über die Beschlußfassung der Gesellschafter in nicht förmlichen und förmlichen Gesellschafterversammlungen trifft § 4 des Vertrages Bestimmungen. Nach § 6 stellen die Gesellschafter entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis die zur Durchführung der Arbeiten erforderlichen Geldmittel zur Verfügung, wobei die Gesellschafterversammlung die Höhe der einzelnen Zahlungen zu bestimmen hat. Die Arbeitsgemeinschaft trägt die Bauselbstkosten, insbesondere die Löhne, sozialen Abgaben, die Kosten für Materialbeschaffung, Transporte, Versicherungen, Reparaturen, Steuern, Gebühren, Bankprovisionen, Sicherheitsleistungen, notwendige Reisen usw. In § 7 ist bestimmt, daß die zur Durchführung der Arbeiten benötigten Aufsichtspersonen und Stammarbeiter möglichst zu gleichen Teilen von den Gesellschaftern zu stellen sind, solchenfalls von den Gesellschaftern als beurlaubt gelten und nach Beendigung der Arbeiten wieder in ihren früheren Dienst zurücktreten. Während der Arbeiten bei der Arbeitsgemeinschaft erhalten sie von dieser denselben Lohnsatz und dieselben sozialen Leistungen wie bisher. Die Arbeitsgemeinschaft kann aber auch sonst Fach- und Hilfsarbeiter einstellen. Die für die Durchführung der Arbeiten erforderlichen Maschinen und Geräte werden nach § 8 von den Gesellschaftern zu möglichst gleichen Teilen zur Verfügung gestellt. Die technische Leitung im Einverständnis mit dem Bauherrn ruft die Geräte ab und gibt sie später wieder frei. Die erforderlichen Bau-, Bauhilfs- und Betriebsstoffe beschafft nach § 9 des Vertrages die Arbeitsgemeinschaft und bezahlt sie den Gesellschaftern, wenn diese die Baustoffe usw. liefern.
Die Arbeitsgemeinschaft hat das von dem Bauherrn erhaltene Bauentgelt als Umsatz in ihrer Umsatzsteuererklärung angegeben. Die Stpfl. hat den Hauptteil der Bauleistungen ausgeführt, insbesondere die Decken, Säulen und Unterzüge, und dafür 115.825,36 DM von der Arbeitsgemeinschaft erhalten. Für Löhne sind ihr 16.086,91 DM von der Arbeitsgemeinschaft gezahlt worden. Um die Umsatzsteuerpflicht wegen dieser beiden Beträge geht der Rechtsstreit, während die Stpfl. die Umsatzsteuerpflicht wegen der ihr gezahlten Entgelte für Fuhrkosten, Materialien, Baggerarbeiten, für das Gerüst und für Ozalitpapier nicht bestreitet.
Das Finanzgericht hat der Sprungberufung der Stpfl. stattgegeben. Unmittelbare Rechtsbeziehungen seien nur zwischen dem Bauherrn und der Arbeitsgemeinschaft, nicht aber zwischen dem Bauherrn und der Stpfl. zustande gekommen. Nur insoweit sei die Stpfl. zur Umsatzsteuer heranzuziehen, als sie gegen Entgelt Lieferungen oder sonstige Leistungen an die Arbeitsgemeinschaft bewirkt habe. Bei der Herstellung des Bauwerkes habe die Arbeitsgemeinschaft als solche gehandelt, nicht hingegen der einzelne Bauunternehmer gegenüber der Arbeitsgemeinschaft, auch wenn er seine gewerbliche Selbständigkeit behalten habe. Zwischen der Arbeitsgemeinschaft und ihren Gesellschaftern hätten hinsichtlich deren Beitrag zur gemeinsamen Leistung keine besonderen Rechtsbeziehungen bestanden, die von der Gemeinschaftsleistung losgelöst gewesen wären. Die von jedem Gesellschafter vertraglich zu erfüllende Arbeitsleistung habe ihren rechtlichen Grund in der gesellschaftlichen Vereinigung gehabt und sei Ausfluß der gesellschaftlichen Verpflichtung gewesen. Die Arbeitsgemeinschaft sei sonach keine bloße Interessengemeinschaft gewesen. Bei den rund 16.000 DM betragenden Löhnen habe es sich um durchlaufende Posten im Sinne des § 5 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gehandelt, wenn auch die Stpfl. die Löhne im Namen und für Rechnung der Arbeitsgemeinschaft verauslagt habe. Für die Zeit ihrer Tätigkeit seien die Arbeitskräfte Arbeiter und Angestellte der Arbeitsgemeinschaft gewesen.
Mit der Rechtsbeschwerde macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, daß die Aufteilung der Arbeiten auf die Einzelunternehmen eine innere Angelegenheit der Arbeitsgemeinschaft gewesen sei. Habe sie die Aufträge an ihre Gesellschafter erteilt, so unterlägen die Gesellschafter der Umsatzsteuer wegen der dafür erhaltenen Entgelte, die Stpfl. insbesondere wegen der Entgelte für die Herstellung der Decken, Säulen und Unterzüge. Auch wegen der Lohnkosten unterliege die Stpfl. der Umsatzsteuer, weil das Arbeitsverhältnis mit der Stammfirma nicht völlig gelöst gewesen sei. Das ergebe sich schon daraus, daß nicht die Arbeitsgemeinschaft, sondern die Stpfl. die Löhne gezahlt habe.
Die Stpfl. hat sich nur wegen der Lohnkosten nochmals geäußert und ausgeführt, daß die Auszahlung der Löhne durch das Stammunternehmen deshalb vorgenommen worden sei, weil die Lohnberechnung durch die vielen Sonderbestimmungen (Familienstand, Steuerfreibeträge, Ablösungsbeträge) sehr schwierig gewesen sei, so daß die Stpfl. der Arbeitsgemeinschaft, um ihr Arbeit und Personalkosten zu ersparen, diese Arbeit abgenommen habe. Auch um Bareinlagen bei der Arbeitsgemeinschaft zu vermeiden, habe die Stpfl. die Lohnbeträge verauslagt.
Entscheidungsgründe
Für die Entscheidung ist von den für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes bestehenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auszugehen. Danach ist die Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes ein Vertrag, durch den sich die Gesellschafter verpflichten, einen gemeinsamen Zweck durch ihr Zusammenwirken zu fördern (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Aus dem Zwecke der Gesellschaft, zu dem sich die Gesellschafter vereinigt haben, folgt die allgemeine Treuepflicht, nicht gegen den Zweck zu handeln. Leistungen, die die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrage zu bewirken haben und die nicht durch Sonderentgelte, sondern durch ihre Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten werden, sind gesellschaftliche Leistungen. Die Gewinne sind nicht zur Umsatzsteuer heranzuziehen.
Im vorliegenden Falle nimmt die Stpfl. die Eigenschaft der von ihr ausgeführten Arbeiten (Decken, Säulen und Unterzüge) als solche gesellschaftlicher Art in Anspruch. § 2 des Gesellschaftsvertrages geht aber davon aus, daß die beiden Gesellschafter am Gewinn und Verlust je zur Hälfte beteiligt sein sollen, daß aber bei der Gewinnverteilung "im Zuge des Baufortschrittes unterschiedliche Leistungen der Partner ... nach einem festzusetzenden Verteilungsschlüssel, der diesen unterschiedlichen Bauleistungen zu entsprechen hat" zu berücksichtigen sind. Daraus geht hervor, daß es sich insoweit um einen Austausch von Lieferungen und Leistungen einerseits und Entgelt andererseits gehandelt hat, nicht aber um eine echte Gewinnbeteiligung. Die Stpfl. hat tatsächlich zufolge Gesellschafterbeschlusses (§ 4 des Gesellschaftsvertrages) entgeltliche Leistungen an die Gesellschaft bewirkt. Wenn es sich in derartigen Fällen auch um ebenfalls gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen handelt, so sind sie doch nicht auf die Leistungsvereinigung gerichtet, wie bei den Beiträgen, sondern auf einen Leistungsaustausch mit der Gesellschaft (vgl. Enneccerus- Lehmann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes, Schuldrecht, Tübingen 1950 S. 692). Liegt aber eine Leistung der Stpfl. an die Arbeitsgemeinschaft vor, so ist auch das Entgelt, das die Stpfl. dafür erhalten hat, bei ihr der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Hinsichtlich der Arbeiter und des Aufsichtspersonals handelt es sich nach § 7 des Gesellschaftsvertrages um eine Arbeitergestellung. Diese ist ebenfalls gegen Entgelt durchgeführt worden, so daß das Finanzamt auch insoweit mit Recht Umsatzsteuer von der Stpfl. gefordert hat. Die Rechtsbeschwerde führt mit Recht aus, daß das Arbeitsverhältnis zu der Stpfl. als Stammunternehmen nicht völlig gelöst war. Es wirkte in jedem einzelnen Falle weiter durch die Bestimmung im § 7 des Gesellschaftsvertrages, daß die Arbeitnehmer nur als beurlaubt zu gelten und denselben Lohnsatz und dieselben sozialen Leistungen wie bisher zu erhalten hätten. Ergibt sich eine Arbeitnehmergestellung sonach schon aus dem früheren Akteninhalt, so wird ein Leistungsaustausch noch völlig deutlich durch das neue tatsächliche, von dem Bundesfinanzhof an sich nicht zu beachtende Vorbringen der Stpfl., wonach sie der Arbeitsgemeinschaft die schwierige Lohnberechnung abgenommen und der Arbeitsgemeinschaft dadurch Personal und Arbeit erspart hat. Mindestens insoweit liegt auf alle Fälle ein Leistungsaustausch vor, wobei es für das Umsatzsteuerrecht gleichgültig ist, ob das gewährte Entgelt dem Werte der Gegenleistung entspricht.
Die Vorentscheidung ist nach alledem aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Steuerbescheid des Finanzamts ist durch Zurückweisung der Berufung der Stpfl. wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
BStBl III 1954, 162 |
BFHE 1954, 658 |
BFHE 58, 658 |
StRK, UStG:1/1 R 24 |