Arbeitsgemeinschaften
Bei einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) schließen sich mehrere Unternehmer zusammen, um Bauprojekte gemeinsam auszuführen. Eine ARGE ist daher auch dann als Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer, wenn sie nur eine Bauleistung als Gesamtleistung erbringen. Das gilt bereits für den Zeitraum, in dem die ARGE noch keinen Umsatz ausgeführt hat. Soweit Gesellschafter der ARGE Leistungen an die ARGE erbringen, ist die ARGE als Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer. Das gilt auch für alle Leistungen, die andere Bauunternehmer gegenüber der ARGE erbringen (Abschn. 13b.3 Abs. 6 UStAE).
Vorliegen einer Organschaft
Bei einer Organschaft gibt in der Regel nur der Organträger eine Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Umsatzsteuererklärung für den gesamten Organkreis ab. Im Zusammenhang mit dem Reverse-Charge-Verfahren. Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind die einzelnen Teile des Organkreises (z. B. der Organträger oder die Organgesellschaften) getrennt zu betrachten. Erbringt nur ein Teil des Organkreises nachhaltig Bauleistungen, wird der Organträger nur für die Bauleistungen Steuerschuldner, die an diesen Teil der Organschaft ausgeführt wurden.
Praxis-Beispiel: Leistungen an eine Organschaft
Die Muttergesellschaft einer Organgesellschaft ist mit der Herstellung und dem Vertrieb chemischer Produkte befasst. Eine der Organgesellschaften ist befasst mit der Planung und Montage von Fotovoltaikanlagen, die als Bauleistungen einzustufen sind. Somit erbringt allein diese eine Gesellschaft des Organkreises nachhaltig Bauleistungen, auch wenn alle anderen Organgesellschaften nichts mit Bauleistungen zu tun haben.
Konsequenz: Bei allen Unternehmen, die Bauleistungen an die Gesellschaft, die Fotovoltaikanlagen errichtet, ausführen, findet ein Wechsel der Steuerschuldnerschaft statt. Somit ist der Organträger als Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer.
Besonderheiten bei Bauträgern
Bauträger, die ausschließlich eigene Grundstücke bebauen, um sie zu verkaufen, führen eine Grundstückslieferung aus. Konsequenz ist, dass bei den Bauleistungen, die in diesem Zusammenhang an Bauträger erbracht werden, grundsätzlich kein Wechsel der Steuerschuld stattfindet. D. h., ein Wechsel der Steuerschuldnerschaft kann nur aufgrund anderer Sachverhalte eintreten, nicht aber aufgrund von Bauleistungen.
Dies gilt selbst dann, wenn der Kaufvertrag des Bauträgers mit dem Kunden bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der Kunde noch Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung (unabhängig vom Umfang) nehmen konnte. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Umsatz steuerpflichtig ist oder unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG fällt. Bei Bauträgern, die sowohl Umsätze erbringen, die unter das GrEStG fallen, als auch Bauleistungen im Sinne von § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG, z. B. als Generalunternehmer, sind die allgemeinen Grundsätze anzuwenden.
Wohnungseigentümergemeinschaft wird nicht Schuldner der Umsatzsteuer
Wohnungseigentümergemeinschaften, die nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreie Leistungen an die einzelnen Wohnungseigentümer weitergeben, sind keine bauleistenden Unternehmer. Wohnungseigentümergemeinschaften werden somit als Leistungsempfänger von Bauleistungen nicht Schuldner der Umsatzsteuer. Dies gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 9 Abs. 1 EStG freiwillig zur Umsatzsteuer optiert.
Betriebsvorrichtungen: Kein Wechsel der Steuerschuldnerschaft
Der BFH hatte entschieden, dass Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke sind, sodass ein Wechsel der Steuerschuld (= Reverse-Charge-Verfahren) gemäß § 13b UStG nicht stattfindet (BFH, Urteil v. 28.8.2014, V R 7/14). In ein Bauwerk eingebaute Anlagen sind lt. BFH nur dann Bestandteile des Gebäudes, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung und Benutzbarkeit von wesentlicher Bedeutung sind. Das Reverse-Charge-Verfahren kann daher lt. BFH nur angewendet werden, wenn die eingebaute Anlage eine Funktion für das Gebäude hat.
Die Finanzverwaltung wendet dieses Urteil über den entschiedenen Einzelfall nicht an (BMF, Schreiben v. 28.7.2015, III C 3 – S 7279/14/10003). Die Schlussfolgerung des BFH, dass Betriebsvorrichtungen keine Bestandteile eines Bauwerks sein können, ist nicht zutreffend, weil für diese Beurteilung EU-Recht anzuwenden ist. Das Reverse-Charge-Verfahren gemäß § 13b UStG beruht auf Artikel 199 MwStSystRL. Folglich ist nicht nationales Recht anzuwenden, sondern der Grundstücksbegriff für Zwecke der Anwendung der MwstSystRL. Danach wird der Grundstücksbegriff definiert als
- ein bestimmter über- oder unterirdischer Teil der Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann;
- jedes mit oder im Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut und bewegt werden kann;
- jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie z. B. Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge;
- Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind, und die nicht leicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.
Hinzu kommt, dass eine Abgrenzung, so wie sie vom BFH vorgenommen wurde, in der Praxis nicht handhabbar ist. Der leistende Unternehmer kann nicht oder nur sehr schwer erkennen, ob die von ihm eingebaute Anlage eigenständigen Zwecken dient und damit als Betriebsvorrichtung zu beurteilen ist oder ob die Anlage (z. B. Klima-, Kälte- oder Belüftungsanlage) für Konstruktion Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist.
Praxis-Tipp: Vertrauensschutzregel
Die Finanzverwaltung wendet beim Einbau von Betriebsvorrichtungen generell das Reverse-Charge-Verfahren an. Seit dem 1.10.2014 gibt es eine Vertrauensschutzregelung, auf die sich die beteiligten Unternehmer berufen können (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Danach wird der Leistungsempfänger auch dann als Steuerschuldner angesehen, wenn die objektiven Voraussetzungen nicht vorlagen, die Vertragsparteien aber von der Anwendung des § 13b UStG ausgegangen waren und dies auch so durchgeführt hatten.
Mit dem BMF-Schreiben vom 10.8.2016 (BMF, Schreiben v. 10.8.2016, III C 3 - S 7279/16/10001) hat die Finanzverwaltung den Begriff einer Betriebsvorrichtung konkretisiert. In Abschnitt 3a.3 Abs. 2 Satz 3 UStAE und Sbschnitt 13b.1 wurde diese Begriffsanpassung übernommen.
Als Grundstück gelten danach insbesondere
- Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind und
- nicht bewegt werden können ohne das Gebäude/Bauwerk zu zerstören oder
- erheblich zu verändern.
Im Umkehrschluss gilt also eine Betriebsvorrichtung nur dann nicht als Grundstück, wenn sie nicht auf Dauer installiert wurde oder bewegt werden kann.
Damit unterscheidet sich die unionsrechtliche Begriffsbestimmung von der deutschen Begrifflichkeit durch das Wort "erheblich". Im Unionsrecht taucht das Wort "erheblich" nicht auf, sodass es auch weiterhin in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen wird.
Bereits durch die Platzierung des Begriffs "Betriebsvorrichtung" auch unter Abschnitt 3a.3 Abs. 2 Satz 3 UStAE zeigt, dass viele Betriebsvorrichtungen bereits als Bestandteil des Gebäudes angesehen werden.
Praxis-Tipp: Durch Konkretisierung des Begriffs Betriebsvorrichtung fällt Prüfung weg
Bei eingebauten Anlagen erübrigt sich damit zukünftig die Frage, ob der eingebaute Bestandteil einem eigenständigen Zweck dient (und damit als Betriebsvorrichtungen anzusehen ist) oder ob die eingebaute Anlage lediglich der Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks dient, von wesentlicher Bedeutung für das Gebäude/Bauwerk ist und damit als Bauleistung anzusehen ist (gilt für alle Umsätze, die nach dem 5.11.2015 ausgeführt wurden).