Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsleistungen anläßlich der Vermögensübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt keine dauernde Last - Altenteilsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt jemand Vermögen unter Vorbehalt des Nießbrauchs und sagt er aus diesem Anlaß dem Übergeber Versorgungsleistungen zu, sind die Aufwendungen hierfür in der Regel nicht als dauernde Last abziehbar.
Orientierungssatz
1. Für den Altenteilsvertrag ist kennzeichnend, daß der Altenteiler sein Vermögen gerade deswegen überträgt, weil er Einkünfte hieraus nicht mehr selbst erwirtschaften, sondern aus dem Ertrag des übertragenen Vermögens versorgt werden will (vgl. Rechtsprechung: BFH, BGH).
2. Die dauernde Last setzt jedenfalls voraus, daß der Übernehmer des Vermögens Erträge erwirtschaftet und an den Übergeber weiterleitet (z.B. beim "Vermögensübergabevertrag", dagegen nicht bei Vermögensübernahme unter Vorbehaltsnießbrauch).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nrn. 1-2, § 22 Nr. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Gewerbelehrer nichtselbständig tätig. Mit Vertrag vom 7.November 1989 übertrug ihm sein damals 59 Jahre alter Vater mit Wirkung vom 1.Dezember 1989 ein Grundstück in A. "Als Gegenleistung" räumte der Kläger ihm einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch an dem Grundstück ein. § 2 Nr.4 des Vertrages lautet wie folgt:
"Der Übernehmer verpflichtet sich außerdem, den Überlasser in alten und kranken Tagen zu hegen und zu pflegen, soweit dies unter Berücksichtigung der Ortsferne und der beruflichen und familiären Verhältnisse des Übernehmers möglich ist. Hierzu gehören auch häufige Besuche, Ausfahrten mit dem Überlasser und auch Urlaubsfahrten."
Für das Streitjahr 1989 beantragte der Kläger u.a., die Aufwendungen für im Dezember 1989 durchgeführte Besuchsfahrten nach A, dem Wohnsitz seines Vaters, sowie für Spazierfahrten --insgesamt 904,26 DM-- zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zuzulassen. Er vertrat die Auffassung, es handle sich nicht um Unterhaltsleistungen i.S. des § 12 Nr.2 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Abzug ab.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Fahrtkosten gehörten zu den nach § 12 Nr.2 EStG nicht abziehbaren Aufwendungen. Der Vertrag vom 7.November 1989 sei kein Übergabevertrag in dem von der Zivilrechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vorausgesetzten Sinne, daß sich der Übergeber des Vermögens Erträge seines Vermögens in Gestalt von Versorgungsleistungen vorbehalte. Der Kläger habe lediglich "das formale Eigentum" --die Vermögenssubstanz-- erworben. Die Nutzungen des Grundstückes stünden aufgrund des Nießbrauches nach wie vor seinem Vater zu. Bei dieser Sachlage sei nicht der Fall gegeben, daß sich Übergeber und Übernehmer den Ertrag des übergebenen Vermögens teilten. Der Kläger könne seine Aufwendungen nicht aus Erträgen des Grundstückes erwirtschaften; er müsse die mit den vereinbarten Leistungen verbundenen Aufwendungen "aus seinem eigenen Vermögen" tragen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für
1989 in der Weise zu ändern, daß zusätzlich eine dauernde Last in Höhe von
904,26 DM anerkannt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs.1 Nr.1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können --nach näherer Maßgabe des § 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 2 EStG-- nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
2. Der Große Senat des BFH hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.
a) In seinem Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 ff., BStBl II 1990, 847) hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.
In zivilrechtlicher Hinsicht handelt es sich hierbei um eine Vereinbarung, in der Eltern ihr Vermögen, insbesondere ihren Hof, Betrieb oder (auch: privaten) Grundbesitz mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge auf einen oder mehrere Abkömmlinge übertragen und dabei für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt und für die außer dem Übernehmer noch vorhandenen weiteren Abkömmlinge Ausgleichszahlungen ausbedingen. Die Besonderheit des Übergabevertrages wird darin gesehen, daß er der folgenden Generation unter Vorwegnahme des Erbfalls das Nachrücken in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht und gleichzeitig die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zu einem Teil sichert.
In steuerrechtlicher Hinsicht beruht die Zurechnung der Versorgungsleistungen aus einer Vermögensübergabe zu den Sonderausgaben und wiederkehrenden Bezügen darauf, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt von Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (Beschluß in BFHE 161, 317, 328 f., BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. c). Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr.1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr.2 EStG. Da die Versorgungsleistungen keine Gegenleistung des Übernehmers sind, müssen sie auch nicht vorab mit dem Wert des übertragenen Vermögens verrechnet werden.
Der Große Senat hat an der überkommenen Rechtsprechung festgehalten, daß Versorgungsleistungen, die anläßlich der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden, weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten, sondern wiederkehrende Bezüge und Sonderausgaben darstellen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Leibgedinges (Art.96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch --EGBGB--) erfüllt sind (BFHE 161, 317, 327 f., BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. b und c).
b) Mit Beschluß vom 15.Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 unter C. II. 3.) hat der Große Senat des BFH des weiteren entschieden: In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Leistungen --auch abänderbare Geldleistungen-- sind Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last.
3. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die hier zu beurteilende Übertragung des Grundstücks unter Vorbehalt des Nießbrauchs kein Vermögensübergabevertrag im vorgenannten Sinne ist und daß deswegen die Zuwendungen des Klägers an seinen Vater nach § 12 Nr.2 EStG nicht abgezogen werden können.
a) Werden sämtliche Nutzungen des übertragenen Vermögens mit dinglicher Wirkung in vollem Umfang vorbehalten, liegt zivilrechtlich kein Altenteilsvertrag vor. Denn für diesen Vertragstypus ist kennzeichnend, daß der Altenteiler sein Vermögen gerade deswegen überträgt, weil er Einkünfte hieraus nicht mehr selbst erwirtschaften, sondern aus dem Ertrag des übertragenen Vermögens versorgt werden will (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 31.Oktober 1969 V ZR 138/66, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1970, 282 unter II. B. 1.; ausführlich Großer Senat in BFHE 161, 317, 326, BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. a). Ein Vertrag, in dem sich der Übergeber den Nießbrauch an dem übergebenen Vermögen in vollem Umfang vorbehalten hat (sog. Totalnießbrauch), kann nicht dadurch geprägt sein, daß der Übernehmer den scheidenden Übergeber versorgt (BGH-Urteile vom 30.April 1980 V ZR 7/79, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1980, 826; vom 4.Dezember 1981 V ZR 37/81, WM 1982, 208; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 25.März 1975 BReg. 2 Z 8/75, BayObLGZ 1975, 132, 136 f., mit weiteren Nachweisen; Pecher in Münchener Kommentar, Art.96 EGBGB Rdnr.18). Ob dies auch dann gilt, wenn der Nießbrauch lediglich zur Sicherung von Altenteilsleistungen bestellt wird, kann hier dahingestellt bleiben.
b) Zwar sind auch in steuerrechtlicher Hinsicht Versorgungsleistungen aus einer Vermögensübergabe unabhängig davon den Sonderausgaben und wiederkehrenden Bezügen zuzurechnen, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Altenteilsvertrages (Leibgedinges) erfüllt sind. Diesem steuerrechtlichen Typus des Übergabevertrages können aber solche Vereinbarungen nicht mehr zugeordnet werden, bei denen sich der Übergeber den gesamten Ertrag des Vermögens vorbehält und ihm ohnehin die Einkünfte aus der Nutzung dieses Vermögens --originär-- zugerechnet werden. Es gibt keinen rechtlichen Grund dafür, die anläßlich des Vorbehalts eines solchen Nießbrauchs vereinbarten Leistungen des (neuen) Eigentümers an den Nießbraucher vom Abzugsverbot des § 12 Nr.2 EStG auszunehmen.
c) Der Große Senat hat sich in den vorstehend unter 2. dargestellten Entscheidungen ausschließlich mit den steuerrechtlichen Folgen des Vermögensübergabevertrages befaßt. Die von ihm ausgesprochene Charakterisierung der Versorgungsleistungen "als vorbehaltene Vermögenserträge" versteht der erkennende Senat in dem Sinne, daß durch den Abzug der dauernden Last beim Verpflichteten und durch die Erfassung wiederkehrender Einkünfte beim Bezieher das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Prinzip der "vorbehaltenen Vermögenserträge" rechtstechnisch verwirklicht wird. Diese Überleitung (Transfer) der vom Übernehmer des Vermögens erwirtschafteten Einkünfte auf den Versorgungsberechtigten setzt notwendigerweise voraus, daß die Abziehbarkeit der dauernden Last nicht durch § 12 EStG und die Zurechnung der wiederkehrenden Bezüge nicht durch § 22 Nr.1 Satz 2 EStG ausgeschlossen ist. Dieses den Ausschluß der §§ 12, 22 Nr.1 Satz 2 EStG rechtfertigende Prinzip hat andererseits Geltung nur für das Rechtsinstitut "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen".
4. Der Große Senat hat in seinem Beschluß in BFHE 161, 317, 328 f., BStBl II 1990, 847 zum rechtlichen Gesichtspunkt der vorbehaltenen Vermögenserträge ausgeführt, daß Abzug und Versteuerung der Versorgungsleistungen "zu einem ähnlichen Ergebnis" führen wie der Vorbehalt eines gegenständlich beschränkten Nießbrauchs durch den Übergeber, der mit einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung an den Vermögensübernehmer verbunden ist. Hierin kommt zum Ausdruck, daß das Rechtsinstitut "Vermögensübergabevertrag" nicht die Fälle des Vorbehaltsnießbrauchs umfaßt. Mit der Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 15.Mai 1986 III R 190/82 (BFHE 147, 22, BStBl II 1986, 714), vom 26.Februar 1987 IV R 325/84 (BFHE 150, 321, BSTBl II 1987, 772) und vom 31.März 1987 IX R 53/83 (BFH/NV 1987, 645) geht der Große Senat unausgesprochen davon aus, daß der steuerrechtlich anzuerkennende Vorbehalt eines Totalnießbrauchs steuerrechtlich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Zurechnung von Einkünften und die Zuwendung zu behandeln ist. Dies schließt die Aussage ein, daß dort --anders als bei der spezialgesetzlichen Regelung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen-- § 12 EStG uneingeschränkt gilt.
5. Der XI.Senat des BFH hatte mit Urteil vom 23.Januar 1992 XI R 6/87 (BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526) eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleibrente zu beurteilen; er hat hierzu ausgeführt: Diese Versorgungsrente stelle auch dann kein zu Anschaffungskosten führendes Entgelt für die Vermögensübergabe dar, wenn sie nicht aus den Erträgen des übertragenen Vermögens geleistet werden könne. Der Große Senat des BFH habe in seinem Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 "lediglich auf die typischerweise gegebene Situation abgestellt", ohne daß es insoweit auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankäme. Ob es sich um Versorgungsleistungen nach Art vorbehaltener Erträge handele, ergebe ein Vergleich des Kapitalwerts der Leistungen mit dem Wert des übertragenen Vermögens.
Der erkennende Senat läßt dahingestellt, ob er dieser rechtlichen Beurteilung der Versorgungsleibrente folgen könnte. Vorliegend geht es um die Abziehbarkeit von der Höhe nach abänderbaren Beträgen, die allenfalls als dauernde Last zum Abzug in Betracht kämen. Die dauernde Last steht, wie vorstehend dargelegt, in einem engen rechtlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Typus der Vermögensübergabe, wie er in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH entwickelt worden ist (ausführlich Großer Senat in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 unter C. II. 4. a und b). Der rechtliche Gesichtspunkt der vorbehaltenen Erträge prägt nicht nur den historisch gewachsenen rechtlichen Typus der "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen", sondern rechtfertigt die sonst nicht zu legitimierende Ausnahme von der Grundsatznorm des § 12 Nr.2 EStG.
Die dauernde Last setzt jedenfalls voraus, daß der Übernehmer des Vermögens Erträge erwirtschaftet und an den Übergeber weiterleitet. Die Zuordnung eines Vertrages zu dem u.a. in dieser Weise umschriebenen Rechtstypus ist grundsätzlich dann nicht mehr möglich, wenn alle Vermögenserträge bereits mittels Nießbrauchs vorbehalten werden.
Daher kann hier dahinstehen, ob es, wie der XI.Senat (a.a.O.) meint, für die Anerkennung einer dauernden Last ausreicht, daß der Wert des übertragenen Vermögens zumindest die Hälfte des Kapitalwertes der Versorgungsleistungen ausmacht oder ob diesem Gesichtspunkt, vom Großen Senat des BFH nur als Anhaltspunkt bezeichnet, demgemäß auch nur eine abgeschwächte rechtliche Bedeutung zukommt.
Fundstellen
Haufe-Index 64134 |
BFH/NV 1992, 67 |
BStBl II 1992, 803 |
BFHE 168, 243 |
BFHE 1993, 243 |
BB 1993, 275 |
BB 1993, 275-276 (LT) |
DB 1992, 2422-2423 (LT) |
DStR 1992, 1276 (KT) |
DStZ 1992, 603 (KT) |
HFR 1992, 611 (LT) |
StE 1992, 498 (K) |