Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche aus Steuerschuldverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis findet das Erfordernis der Kassenidentität gemäß § 395 BGB keine Anwendung.
Orientierungssatz
1. Ausführungen zur Kassenidentität anhand der Entstehungsgeschichte der steuerrechtlichen Aufrechnungsnormen, der Entwicklung des § 226 Abs. 4 AO 1977 (Neufassung ab 1.1.1987) und ihres Sinnes und Zwecks; Ausführungen zum Grundsatz der Gleichordnung von Steuerbürger und Staat, zur Maßgeblichkeit von Ertragshoheit bzw. Verwaltungshoheit bei einer Aufrechnung und zum Sinn und Zweck des § 395 BGB (vgl. Rechtsprechung: BFH, FG; Literatur).
2. NV: Die Aufrechnungserklärung des FA mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt. Die Nichtbezeichnung der Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, steht (außer bei Streit über das Erlöschen einer Forderung durch Aufrechnung) der Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung nicht entgegen (keine Anwendung der Vorschriften über die Bestimmtheit und die Nichtigkeit von Verwaltungsakten). Hat sich das FA unzulässigerweise bei seiner Aufrechnungserklärung der Rechtsform eines Verwaltungsakts bedient, so ist dieser auf Anfechtung hin aufzuheben, ohne daß die Frage der Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung als solche davon berührt wird (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
Normenkette
AO 1977 § 226 Abs. 3-4, §§ 118, 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 226 Abs. 1; BGB §§ 387, § 387ff, §§ 388-389, 395
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer, ließ sich von seinem Mandanten F am 26.Oktober 1982 einen zu dessen Gunsten vom Finanzgericht (FG) festgesetzten Kostenerstattungsanspruch von … DM abtreten. Zuständig für die Begleichung dieser Verbindlichkeit war die Landeshauptkasse, die für die Freie und Hansestadt Hamburg die Aufgaben der Zentralkasse wahrnimmt (§ 79 Abs.2 der Landeshaushaltsordnung vom 23.Dezember 1971, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt ―GVBl HA― 1971, 261, 272). Der Kläger erklärte am 3.Januar 1983 gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ―FA―) und am 10.März 1983 auch gegenüber dem FA für Steuererhebung die Aufrechnung mit dem abgetretenen Kostenerstattungsanspruch gegenüber Steuerschulden, die durch Vorauszahlungsbescheid gegenüber den Klägern (Eheleuten) festgesetzt worden waren. Das FA hatte bereits am 21.Oktober 1982 mit Steuerforderungen gegen F ("Einkommensteuer-Teilbetrag 1979/1981") gegenüber dessen Kostenerstattungsanspruch aufgerechnet. Es hob auf die Beschwerde des F diese Aufrechnungserklärung am 30.Januar 1984 auf und erklärte am selben Tage erneut gegenüber F und am 27.März 1984 auch gegenüber dem Kläger die Aufrechnung mit einer als "Einkommensteuer-Teilbetrag 1979" bezeichneten Steuerforderung.
Am 25.März 1983 erteilte das FA für Steuererhebung auf Antrag des Klägers einen Abrechnungsbescheid über dessen Einkommensteuer- und Kirchensteuer-Vorauszahlungen 1981 und 1982. Aus diesem Bescheid ergeben sich ―ohne Berücksichtigung der streitigen Aufrechnung― Steuerschulden der Kläger in Höhe von … DM. Der Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid blieb erfolglos. Auf die Klage der Kläger hob das FG den Abrechnungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf. Das Urteil des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 596 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 226 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 395 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Es macht geltend, die vom FG vorgenommene historische Auslegung des § 226 Abs.3 AO 1977 könne dessen Rechtsauffassung nicht stützen, daß das in § 395 BGB statuierte Erfordernis der Kassenidentität, welches bei der hier streitigen Aufrechnung fehle, für die Aufrechnung im Steuerrecht keine Anwendung finde. Aus der historischen Entwicklung des Gesetzes ergebe sich vielmehr, daß die Aufrechnungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen restriktiv zu sehen sei. § 226 Abs.3 AO 1977 enthalte keine spezielle und abschließende Regelung für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen auch in dem Sinne, daß auf die Notwendigkeit der Kassenidentität verzichtet werde. Vielmehr gelte auch hier mangels ausdrücklichen Ausschlusses des § 395 BGB die in § 226 Abs.1 AO 1977 enthaltene Verweisung auf die Aufrechnungsvorschriften des bürgerlichen Rechts. Das Fiskalprivileg des § 395 BGB finde deshalb unabhängig von seiner rechtspolitischen Rechtfertigung als Spezialregelung bei der Aufrechnung gegen Ansprüche des Fiskus Anwendung.
Das FG stütze seine gegenteilige Rechtsansicht zu Unrecht auf § 226 Abs.4 AO 1977 in der ab 1987 geltenden Fassung. Im Streitfall sei die vorangegangene Gesetzesfassung maßgebend; nachfolgende Gesetzesänderungen dürften nur als Hilfsargumente für die Auslegung herangezogen werden. Wenn nunmehr für die Gegenseitigkeit von Gläubiger und Schuldner bei Steueransprüchen neben der Ertragshoheit auch auf die Verwaltungshoheit abgestellt werde, so werde dadurch das Erfordernis der Kassenidentität (§ 395 BGB) für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen nicht ausgeschlossen. Denn es gebe Fälle, in denen die Kassenidentität auch bei der Aufrechnung im Rahmen der Ertragshoheit gegeben sei. Im übrigen sei es das Ziel der Novellierung gewesen, die Aufrechnungsmöglichkeiten für den Fiskus, der nicht den Bindungen des § 395 BGB unterliege, zu erweitern.
Da in den nachfolgenden Absätzen hinsichtlich der Kassenidentität nichts anderes bestimmt sei, verbleibe es insoweit bei der Verweisung in § 226 Abs.1 BGB auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Für die Anwendbarkeit des § 395 BGB ergebe sich keine Einschränkung daraus, daß diese Vorschriften nur "sinngemäß" gelten. Dadurch werde lediglich den unterschiedlichen Rechtsinstituten und der abweichenden Terminologie im Steuerrecht und im Zivilrecht Rechnung getragen. Das sei hier aber nicht relevant, da insoweit Inkongruenzen zwischen den Rechtsgebieten nicht bestünden.
§ 395 BGB diene dem Zweck der Verwaltungsvereinfachung. Es könne dahinstehen, ob dafür angesichts der heutigen technisierten Kassenführung noch ein Bedürfnis bestehe. Solange aber der Gesetzgeber des BGB an dieser Vorschrift festhalte, müsse die dadurch bedingte Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit für den Bürger ―ebenso wie im sonstigen öffentlichen Recht― auch bei der Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis beachtet werden.
Das Erfordernis der Kassenidentität für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen habe entgegen der Auffassung des FG auch schon unter der Geltung der Reichsabgabenordnung (AO) bestanden. Denn wenn nach damals einhelliger Meinung die §§ 387 ff. BGB auch ohne ausdrückliche Verweisung anwendbar gewesen seien, so gelte dies auch für § 395 BGB. Der erkennende Senat sei in seinem Urteil vom 3.April 1973 VII R 89/70 (BFHE 109, 218, BStBl II 1973, 602) ebenfalls von der Anwendbarkeit des § 395 BGB bei der Aufrechnung gemäß § 124 AO ausgegangen. Da das Erfordernis der Kassenidentität im Streitfall nicht erfüllt sei (einerseits Landeshauptkasse, andererseits Finanzkasse des FA), sei die Aufrechnung durch den Kläger unwirksam und der angefochtene Abrechnungsbescheid rechtmäßig.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. a) Die in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Einkommensteuer- und Kirchensteuer-Vorauszahlungsschulden der Kläger sind nur dann ―wie das FG angenommen hat― durch Aufrechnung erloschen (§ 47 AO 1977), wenn der Kläger mit dem an ihn abgetretenen Kostenerstattungsanspruch des F gegen die Steuerschulden wirksam aufgerechnet hat (§ 226 Abs.1 AO 1977 i.V.m. §§ 387 ff. BGB). Das FA ist zu Recht vom Vorliegen einer ordnungsgemäßen Aufrechnungserklärung ausgegangen (§§ 226 Abs.1 AO 1977, 388 Satz 1 BGB).
Da die Aufrechnungserklärung am 3.Januar 1983 gegenüber dem Wohnsitz-FA und am 10.März 1983 auch gegenüber dem für die Steuererhebung zuständigen FA abgegeben worden ist, kann dahinstehen, welches FA im Streitfall für die Entgegennahme der Aufrechnungserklärung zuständig war. Die Wirksamkeit der Aufrechnung setzt aber zunächst voraus, daß der Kläger Gläubiger der Gegenforderung, nämlich des Kostenerstattungsanspruchs, mit dem er aufgerechnet hat, war. Das ist insofern zweifelhaft, als das FA bereits am 21.Oktober 1982 mit Steuerforderungen gegen F gegenüber dessen Kostenerstattungsanspruch aufgerechnet hatte. Für den Fall, daß diese Aufrechnung wirksam war, konnte der Erstattungsanspruch am 26.Oktober 1982 seitens des F nicht mehr wirksam an den Kläger abgetreten werden, da er durch die Aufrechnung erloschen war (§§ 226 Abs.1 AO 1977, 389, 398 BGB). In diesem Falle wäre die nachfolgende Aufrechnung durch den Kläger schon mangels einer zur Aufrechnung geeigneten Gegenforderung unwirksam; auf das Erfordernis der Kassenidentität (§ 395 BGB) für die Aufrechnung gegen Ansprüche des FA käme es dann nicht an.
b) Das FG hat ausgeführt, dem Kläger habe im Zeitpunkt der von ihm erklärten Aufrechnung der gerichtlich festgesetzte Kostenerstattungsanspruch zugestanden, weil dieser Anspruch zum Zeitpunkt der Abtretung nicht durch die Aufrechnungserklärung des FA gegenüber F vom 21.Oktober 1982 erloschen gewesen sei. Denn die Aufrechnungsverfügung des FA habe nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 119 Abs.1 AO 1977 entsprochen und sei folglich nach § 125 Abs.1 AO 1977 nichtig gewesen. Aus der Bezeichnung der Steuerforderung, mit der aufgerechnet worden sei ―"Einkommensteuer-Teilbetrag 1979/1981"―, sei nicht ersichtlich gewesen, welcher Teil der Einkommensteuerschuld 1979 und 1981 des F durch Aufrechnung getilgt werden solle. Das FA, das offensichtlich von derselben Rechtsauffassung wie das FG ausgegangen ist, hat auf die Beschwerde des F mit Verfügung vom 30.Januar 1984 seine Aufrechnungsverfügung aufgehoben und gleichzeitigmit dem nunmehr genauer bezeichneten Steueranspruch "Einkommensteuer-Teilbetrag 1979" erneut die Aufrechnung gegen den abgetretenen Kostenerstattungsanspruch erklärt. Die letztere Aufrechnungserklärung ist für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung, weil sie der streitbefangenen Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch durch den Kläger zeitlich nachfolgte.
Die Rechtsauffassung des FG, die die Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung des FA nach den Vorschriften über die inhaltliche Bestimmtheit und Gültigkeit eines Verwaltungsakts beurteilt (§§ 119 Abs.1, 125 Abs.1 AO 1977), steht mit der Rechtsprechung des Senats zur Rechtsnatur der Aufrechnungserklärung nicht in Einklang. In seinem Urteil vom 2.April 1987 VII R 148/83 (BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536) hat der Senat entschieden, daß die Aufrechnungserklärung des FA mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt ist. Hat sich das FA unzulässigerweise ―wie im Streitfall vom FG angenommen― bei seiner Aufrechnungserklärung der Rechtsform eines Verwaltungsakts bedient, so ist dieser auf Anfechtung hin aufzuheben. Die Frage der Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Aufrechnungserklärung als solche (§§ 226 Abs.1 AO 1977, 388, 389 BGB) wird hierdurch aber nicht berührt (vgl. BFHE 149, 482, 489, 490, BStBl II 1987, 536; Helsper in Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 226 Rz.26). Es kommt somit im Streitfall darauf an, ob die Aufrechnung des FA gegenüber F vom 21.Oktober 1982 als rechtsgeschäftliche Willenserklärung wirksam ist.
Dies kann nicht (allein) danach beurteilt werden, ob die Aufrechnungsverfügung als Verwaltungsakt den Bestimmtheitserfordernissen des § 119 Abs.1 AO 1977 entspricht und ob sie als Verwaltungsakt nach § 125 AO 1977 nichtig wäre. Auch die nachfolgende Aufhebung der Aufrechnungsverfügung durch das FA, die schon wegen der unzulässigen Form der Aufrechnung geboten war, besagt nichts über die Wirksamkeit der Aufrechnung als rechtsgeschäftliche Gestaltung, die nach § 389 BGB auf den Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage zurückwirkt.
In Rechtsprechung und Schrifttum wird zwar die Auffassung vertreten, daß das FA in der Aufrechnungserklärung die Steuerforderungen, mit denen es aufrechnen will, nach Steuerart, Betrag und bei fortlaufend veranlagten Steuern nach dem Veranlagungszeitraum bezeichnen muß (vgl. Urteil des Senats vom 17.März 1964 VII 142/62, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Reichsabgabenordnung, § 124, Rechtsspruch 18; Helsper, a.a.O., § 226 Rz.27; v.Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 226 AO 1977, Anm.26). Diese Ansicht ist insoweit überholt, als sie auf die Annahme der Rechtsnatur der Aufrechnung als belastender Verwaltungsakt gestützt wird. Der Senat hat im Urteil vom 3.November 1983 VII R 153/82 (BFHE 140, 10, BStBl II 1984, 184) entschieden, daß die Nichtbezeichnung der Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, der Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung nicht entgegensteht. Aus § 396 Abs.1 BGB folgt vielmehr, daß beim Bestehen mehrerer Forderungen ―wie im Streitfall vom FA geltend gemacht― die Aufrechnung ohne Bezeichnung der Forderung, mit welcher aufgerechnet wird, erklärt werden kann. Ist indes streitig, ob eine Forderung durch Aufrechnung erloschen ist, so ist die Konkretisierung der Forderung, mit der die Aufrechnung erklärt wurde, unumgänglich. Im gerichtlichen Verfahren muß dies spätestens zum Schluß der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfolgen (vgl. BFHE 140, 10, BStBl II 1984, 184; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 226 Anm.8).
c) Das FG hat demnach zu Unrecht die Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung des FA vom 21.Oktober 1982 gegen den Kostenerstattungsanspruch des F allein nach den Vorschriften über die Bestimmtheit und die Gültigkeit von Verwaltungsakten (§§ 119 Abs.1, 125 Abs.1 AO 1977) beurteilt, die hier keine Anwendung finden. Seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben.
Der Senat kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob die Aufrechnung des FA als verwaltungsrechtliche Willenserklärung (§§ 226 Abs.1 AO 1977, 388 BGB) wirksam ist und ob sie die Gestaltungswirkung des § 389 BGB herbeigeführt hat. Das FG wird die dafür notwendigen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei hat es zu prüfen, ob das FA die Steuerforderungen gegen F, mit denen es aufgerechnet hat, in anderer Weise als in der Aufrechnungserklärung vom 21.Oktober 1982 oder im Anschluß an diese Aufrechnungserklärung anderweitig näher konkretisiert hat. Ferner hat das FG darüber zu entscheiden, ob das Wohnsitz-FA zur Aufrechnung befugt war und ob die Steueransprüche gegen F, mit denen die Aufrechnung erklärt worden ist, bestanden haben; insoweit wird auf die dagegen erhobenen Einwendungen der Kläger im Klage- und Revisionsverfahren Bezug genommen.
aa) Für den Fall, daß das FG zu dem Ergebnis gelangt, die Aufrechnung des FA vom 21.Oktober 1982 gegenüber F sei wirksam, hat es die Klage der Kläger abzuweisen. Denn in diesem Falle konnte der Kostenerstattungsanspruch nicht mehr wirksam an den Kläger abgetreten werden. Die vom Kläger erklärte Aufrechnung war dann mangels Gegenanspruchs unwirksam und der angefochtene Abrechnungsbescheid rechtmäßig.
bb) Erweist sich dagegen die Aufrechnung des FA gegenüber F als unwirksam, so ist die Klage der Kläger begründet.
Der Kläger konnte in diesem Falle mit dem abgetretenen Kostenerstattungsanspruch gegen die im Abrechnungsbescheid genannten Steuerforderungen aufrechnen. Durch die wirksame Aufrechnungserklärung sind die Einkommensteuer- und Kirchensteuer-Vorauszahlungsschulden der Kläger erloschen (§§ 47, 226 Abs.1, 3 und 4 AO 1977, 387 bis 389 BGB). Wegen des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für diese Aufrechnung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Vorentscheidung Bezug.
Die Aufrechnung durch die Kläger mit dem abgetretenen Kostenerstattungsanspruch war nicht deshalb unwirksam, weil dieser Anspruch von der Landeshauptkasse zu berichtigen war, während die Steuerschulden der Kläger an das Finanzamt ―FA― (Finanzkasse) zu entrichten waren. Das in § 395 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) statuierte Erfordernis der Kassenidentität findet bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis keine Anwendung.
1. Nach § 226 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist. Es ist umstritten, ob die sinngemäße Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Aufrechnungsvorschriften (§§ 387 ff. BGB) sich auch auf das Erfordernis der Kassenidentität gemäß § 395 BGB erstreckt. Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung gegen eine Forderung einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft (Bund, Land, Gemeinde, Kommunalverband) nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist. Die Frage nach der Anwendbarkeit des § 395 BGB im Steuerrecht stellt sich damit nur für den Fall der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen. Dem Steuergläubiger steht schon nach dem Wortlaut der Vorschrift die Aufrechnung ohne Rücksicht auf eine Identität oder Verschiedenheit der Kassen frei.
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen sei das Erfordernis der Kassenidentität nach § 395 BGB zu beachten (vgl. Einführungserlaß zur AO 1977, BStBl I 1976, 576, 618; ebenso der Anwendungserlaß zur AO vom 24.September 1987, BStBl I 1987, 664, 708). Im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG) wird indes überwiegend ―allerdings mit unterschiedlicher Begründung― das Erfordernis der Kassenidentität bei der Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis abgelehnt. Das gilt insbesondere für die zivilrechtliche Kommentarliteratur, die § 226 Abs.3 AO 1977 insoweit als abschließende Spezialregelung gegenüber § 395 BGB ansieht (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 48.Aufl., § 395 Anm.2; von Feldmann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., § 395 Rdnr.1; Staudinger/Kaduk, Bürgerliches Gesetzbuch, 12.Aufl., § 395 Rz.15, 16). Im steuerrechtlichen Schrifttum wurde unter der Geltung der Reichsabgabenordnung (AO) die einhellige Meinung vertreten, daß bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen § 395 BGB nicht anwendbar sei, weil die Voraussetzungen dieser Aufrechnung abschließend in § 124 AO geregelt seien (vgl. Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, 9.Aufl., § 124 Anm.2; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7.Aufl., § 124 Tz.1 und 3; Rössler, Die Aufrechnung im Steuerrecht, Neue JuristischeWochenschrift ―NJW― 1969, 494). Seitdem für die Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis in § 226 Abs.1 AO 1977 die sinngemäße Anwendung der Aufrechnungsvorschriften des BGB ausdrücklich angeordnet ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, werden im steuerrechtlichen Schrifttum zur Anwendbarkeit des § 395 BGB unterschiedliche Auffassungen vertreten. Überwiegend wird weiterhin bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen auf das Erfordernis der Kassenidentität verzichtet, wobei die den § 395 BGB ausschließende Spezialregelung aus den Absätzen 3 oder 4 des § 226 AO 1977 unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte der Norm entnommen wird (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 226 AO 1977, Tz.6; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., § 226 AO 1977, Anm.3 d; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 226 Anm.2; Decker, Aufrechnung im Steuerrecht, Steuerwarte 1979, 9, 10). Dieselbe Meinung und Begründung findet sich in der Rechtsprechung der FG (vgl. die Vorentscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1987, 596; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 19.Dezember 1985 IV 159/84, EFG 1986, 215; FG München, Urteil vom 17.Juli 1985 V 99/86 AO, EFG 1988, 98). Nach der gegenteiligen Auffassung soll sich indes aus den Bestimmungen in § 226 AO 1977 keine Ausnahmeregelung herleiten lassen, die die in Absatz 1 angeordnete Geltung des § 395 BGB ausschließen könnte (vgl. v.Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 226 AO 1977, Anm.8; Helsper in Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 226, Rz.16; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 226, Anm.6 b; Bublitz, Zum Erfordernis der Kassenidentität gemäß § 395 BGB bei der Aufrechnung gegen Steuerschulden, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1988, 313; Kohls, Die Aufrechnung gegenüber Kommunalabgaben, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1985, 181, 183).
2. Der Senat folgt der Rechtsprechung der FG und der im Schrifttum verbreiteten Meinung, daß das Erfordernis der Kassenidentität bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis keine Anwendung finde. § 226 Abs.1 AO 1977 schreibt zwar für die Aufrechnung im Steuerrecht die sinngemäße Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Aufrechnungsvorschriften, zu denen auch § 395 BGB gehört, vor. Aus dem Wortlaut der nachfolgenden Absätze ergibt sich auch keine Sonderregelung hinsichtlich des Erfordernisses der Kassenidentität. Denn § 226 Abs.2 AO 1977 schließt abweichend von § 390 Abs.2 BGB generell die Aufrechnung mit erloschenen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis aus, § 226 Abs.3 AO 1977 stellt für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen besondere, einschränkende Voraussetzungen auf und § 226 Abs.4 AO 1977 enthält eine Spezialregelung, welche Körperschaft für das Aufrechnungsmerkmal der Gegenseitigkeit als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis gilt. Das Merkmal der Kassenidentität ist in der Aufrechnungsvorschrift der AO 1977 nicht erwähnt. Der Senat entnimmt aber aus der Entstehungsgeschichte der steuerrechtlichen Aufrechnungsnormen und der zwischenzeitlichen Entwicklung des § 226 Abs.4 AO 1977 sowie aus dem Sinn und Zweck des Gebots der Kassenidentität zahlreiche Anhaltspunkte dafür, daß § 395 BGB bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen gegen Ansprüche des Steuergläubigers keine Anwendung findet.
a) Die Regelung des § 226 Abs.3 AO 1977, wonach die Steuerpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen dürfen, entspricht ―wie die Vorentscheidung zu Recht ausgeführt hat― nahezu wörtlich den §§ 103 AO 1919, 124 AO 1931.
Unter der Geltung dieser Bestimmungen war ―wie oben unter Angabe von Schrifttumsnachweisen ausgeführt worden ist― anerkannt, daß die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen dort abschließend und unter Verzicht auf das Erfordernis der Kassenidentität geregelt war. Da der Gesetzgeber der AO 1977 die Vorschrift des § 226 Abs.3 AO 1977 bewußt den Bestimmungen der §§ 103 AO 1919, 124 AO 1931 nachgebildet hat (vgl. BTDrucks VI/1982, 170) liegt die Schlußfolgerung des FG nahe, daß die bestehende Rechtslage nicht geändert, also auch das Erfordernis der Kassenidentität nicht eingeführt werden sollte (ebenso Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 226 AO 1977, Tz.6). Denn es erscheint nicht plausibel anzunehmen, daß der Gesetzgeber die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen gegenüber dem vorangegangenen Rechtszustand erschweren wollte.
Dieser Auslegung steht auch die nunmehr in § 226 Abs.1 AO 1977 vorgeschriebene sinngemäße Geltung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts nicht zwingend entgegen. Denn bereits unter der Geltung der §§ 103 AO 1919, 124 AO 1931 war anerkannt, daß die Vorschriften der §§ 387 ff. BGB bei der Aufrechnung im Steuerrecht anwendbar waren, wenn auch die Begründung für diese Anwendung ―unmittelbar, analog oder als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens― umstritten war (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7.Aufl., § 124 AO, Tz.1; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 226 AO 1977 Tz.3 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Es erscheint deshalb vertretbar, § 226 Abs.3 AO 1977 als Spezialregelung für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen anzusehen, die ebenso wie ihre Vorgänger-Vorschriften auf das Erfordernis der Kassenidentität verzichtet (ebenso FG München, EFG 1988, 98, 99).
Wenn auch diese historische Auslegung für sich allein nicht zwingend sein mag, so ist sie doch durch die Einwendungen der Revision (ebenso Bublitz, DStR 1988, 313, 314) nicht widerlegt worden. Aus der Tatsache, daß im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur AO 1919 eine Aufrechnungsmöglichkeit für den Steuerpflichtigen gegenüber dem Steuerfiskus zunächst nicht vorgesehen, sondern ausdrücklich ausgeschlossen war (Nachweis bei Bublitz, DStR 1988, 313, 314 Fußnote 14), folgt nicht, daß auch nach der ―gegenteiligen― Kodifizierung der §§ 103 AO 1919, 124 AO 1931 und des § 226 Abs.3 AO 1977 diese Bestimmungen in dem Sinne restriktiv auszulegen sind, daß jedenfalls das Erfordernis der Kassenidentität zu beachten ist. Bei der Auslegung des im Streitfalle maßgeblichen § 226 AO 1977 darf vielmehr das in der zeitlichen Entwicklung seit 1919 gewandelte Verhältnis zwischen Steuerbürger und Staat, das im Bereich der Aufrechnung ―von der Einschränkung gemäß Absatz 3 abgesehen― von dem Grundsatz der Gleichordnung geprägt ist (vgl. Urteil des Senats vom 2.April 1987 VII R 148/83, BFHE 149, 482, 484, BStBl II 1987, 536) nicht außer Betracht bleiben. Deshalb geht hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 395 BGB auch die Berufung der Revision auf das zu § 124 AO ergangene Urteil des Senats vom 3.April 1973 VII R 89/70 (BFHE 109, 218, BStBl II 1973, 602) fehl. Der Senat hat dort die Aufrechnungsbefugnis eines Steuerpflichtigen gegenüber einer Kostenforderung des FA verneint, weil § 124 AO die Aufrechnung nur gegenüber Steueransprüchen zuließ. Er hat sodann ausgeführt, daß dem § 395 BGB eine allgemeine Zulässigkeit der Aufrechnung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht entnommen werden könne. Zur Anwendbarkeit des § 395 BGB bei der Aufrechnung des Steuerpflichtigen nach § 124 AO (§ 226 Abs.3 AO 1977) hat der Senat entgegen dem Vorbringen der Revision nicht Stellung genommen.
b) Nach § 226 Abs.4 AO 1977 in der bis 1986 geltenden Fassung, die auch dem Streitfall zugrunde zu legen ist, gilt für die Aufrechnung als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis die Körperschaft, die die Steuer verwaltet. In Schrifttum und Rechtsprechung wird dazu die Auffassung vertreten, die Bedeutung der Vorschrift gehe über die Bestimmung der Verwaltungshoheit als maßgeblich für die Gegenseitigkeit auf seiten des Fiskus hinaus. Aus ihr ergebe sich, daß die steuerverwaltende Körperschaft dem Steuerpflichtigen als Einheit gegenüberstehe, so daß es gleichgültig sei, welcher Behörde oder Dienststelle die kassenmäßige Rechnungsführung hinsichtlich der Hauptforderung und Gegenforderung obliege (Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., § 226 AO 1977, Anm.3 d; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 226 AO 1977, Tz.6; Schleswig-Holsteinisches FG, EFG 1986, 215, 216; FG München, EFG 1988, 98, 99). Diese Begründung für den Verzicht auf das Erfordernis der Kassenidentität stellt auf die Zumutbarkeit bzw. Praktikabilität der Aufrechnung (Verrechnung) bei unterschiedlichen Kassen innerhalb derselben, die Steuer verwaltenden Gebietskörperschaft ab. Die Revision zieht nicht in Zweifel, daß auf die Anwendung des § 395 BGB bei der Aufrechnung aus Gründen der Praktikabilität verzichtet werden könnte. Sie hält selbst diese Vorschrift für rechtspolitisch zweifelhaft, wegen ihres Fortbestehens aber für anwendbar. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die vorstehende Auslegung des § 226 Abs.4 AO 1977 für sich allein betrachtet, den Verzicht auf das Erfordernis der Kassenidentität zu rechtfertigen vermag. Er sieht darin aber ein zusätzliches Argument, das gemeinsam mit den anderen Auslegungskriterien das vom FG gewonnene Ergebnis stützt.
c) Für die Zulässigkeit der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen auch bei unterschiedlicher Kassenzuständigkeit für die Hauptforderung und die Gegenforderung spricht insbesondere die ab dem 1.Januar 1987 geltende Neufassung des § 226 Abs.4 AO 1977 durch Art.1 Nr.40 des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1986 (vom 19.Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436). Danach wird für die Aufrechnung nunmehr auf die Ertragshoheit abgestellt (Gläubiger- und Schuldneridentität gemäß § 226 Abs.1 AO 1977 i.V.m. § 387 BGB); daneben läßt der Gesetzgeber ―wie bisher― "auch" die Verwaltungshoheit für die Bestimmung des Gläubigers oder Schuldners eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis maßgebend sein. Es kann demnach auf der Grundlage der Verwaltungshoheit aufgerechnet werden, wenn die Identität auf der Basis der Ertragshoheit nicht besteht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 226 AO 1977 Tz.11 c). Die Vorentscheidung führt mit Recht aus, daß in den Fällen unterschiedlicher Verwaltungshoheit, in denen nunmehr ―im Gegensatz zur früheren Rechtslage― aufgerechnet werden kann, wenn die Identität auf der Basis der Ertragshoheit besteht, niemals Kassenidentität im Sinne des § 395 BGB bestehen kann. Sie folgert daraus, daß das Erfordernis der Kassenidentität jedenfalls seit der Neufassung des § 226 Abs.4 AO 1977 nicht gilt, daß es aber widersinnig wäre, für die Zeit vor der Gesetzesänderung, die Notwendigkeit der Kassenidentität anzunehmen.
Der Senat hält diese Argumentation für überzeugend. Er ist der Auffassung, daß der Gesetzgeber sich nicht mit der Einfügung des Wortes "auch" in § 226 Abs.4 AO 1977 durch das StBereinG 1986 begnügt hätte, wenn er davon ausgegangen wäre, daß vor der Gesetzesänderung bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen § 395 BGB über § 226 Abs.1 AO 1977 anzuwenden war. Da nunmehr in allen Fällen, für die der Gesetzgeber die Aufrechnung gegenüber der Rechtslage vor dem 1.Januar 1987 erweitert hat ―unterschiedliche Verwaltungshoheit, aber Schuldner/Gläubiger-Identität auf der Basis der Ertragshoheit― die Kassenidentität regelmäßig nicht mehr gewahrt sein kann, hätte es nahegelegen, eine so bedeutsame Änderung in der Anwendbarkeit des § 395 BGB in der Gesetzesfassung zum Ausdruck zu bringen. Daß dies nicht geschehen ist, zeigt, daß die Rechtslage hinsichtlich der Kassenidentität vor der Änderung des § 226 Abs.4 AO 1977 keine andere gewesen ist.
Die Einwendungen, die von der Revision gegen die vorstehend dargestellte Argumentation des FG vorgebracht werden (ebenso Bublitz, DStR 1988, 313, 315), sind nicht überzeugend. Zwar mögen in Ausnahmefällen Aufrechnungskonstellationen denkbar sein, in denen die Gegenseitigkeit auf der Basis der Ertragshoheit auch bei unterschiedlicher Verwaltungshoheit gegeben ist und zugleich das Merkmal der Kassenidentität vorliegt, so daß das Festhalten an diesem Erfordernis nicht denknotwendig ausgeschlossen wäre. Die Revision räumt aber selbst ein, daß diese Fälle in der Praxis kaum auftreten werden. Es kann daher nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber, der mit der Änderung des § 226 Abs.4 AO 1977 die Aufrechnungsmöglichkeiten erweitern wollte, zur Frage der Anwendbarkeit des § 395 BGB geschwiegen hätte, wenn er bisher von der Geltung dieser Vorschrift auch bei der Aufrechnung im Steuerrecht überzeugt gewesen wäre. Dem steht nicht entgegen, daß bei Anwendung des § 395 BGB nur die Aufrechnung des Steuerpflichtigen, nicht aber die Aufrechnung durch den Steuergläubiger eingeschränkt wäre.
Denn es ist nicht ersichtlich, daß die Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeiten nur dem Steuerfiskus zugute kommen sollte (vgl. BTDrucks 10/1636 S.86). Der von der Revision angeführte Beispielsfall ―Aufrechnung mit einem gegen das Land Bayern gerichteten zivilrechtlichen Anspruch gegen einen Erbschaftsteueranspruch des Steuerfiskus in Hamburg― ist als Argumentation für oder gegen das Erfordernis der Kassenidentität ungeeignet. Hier scheitert die Aufrechnung bereits an der mangelnden Gegenseitigkeit, und zwar sowohl auf der Grundlage der Ertragshoheit als auch auf der Basis der Verwaltungshoheit.
d) Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck des § 395 BGB gegen seine Anwendbarkeit im Falle der Aufrechnung des Steuerpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Die Regelung dient, wie die Revision mit Recht ausführt, der Verwaltungsvereinfachung. Sie beruht "auf Gründen der administrativen Zweckmäßigkeit und der Organisation der Staatsbehörden" (Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Bd.II S.114). Mit ihr sollten im Interesse einer ordnungsgemäßen Kassenführung die Aufrechnungsmöglichkeiten gegen Forderungen des Fiskus über das Erfordernis der Gegenseitigkeit hinaus beschränkt werden (Staudinger/Kaduk, Bürgerliches Gesetzbuch § 395 Rz.2). Eine Gefahr der Verwirrung und Erschwerung der Kassenführung ist aber ―wie die Revision einräumt― bei dem heutigen Stand der Technisierung der Kassenverwaltung und der Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Kassen auch dann nicht zu befürchten, wenn bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen ―ebenso wie bei der Aufrechnung durch den Fiskus― auf das Erfordernis der Kassenidentität verzichtet wird. Das gilt um so mehr als in den meisten Fällen der Aufrechnung im Steuerrecht nur Kassen der Finanzverwaltung berührt sein werden (vgl. FG München, EFG 1988, 98, 99). Es erscheint deshalb nicht gerechtfertigt, den Steuerpflichtigen bei der Aufrechnung im Falleunterschiedlicher Kassenzuständigkeit gegenüber dem Fiskus zu benachteiligen, zumal die Regelung der Kassenorganisation ―wie der Streitfall zeigt― oft auf Zufälligkeiten beruht und bei den einzelnen Gebietskörperschaften unterschiedlich sein kann.
Die generelle Verweisung in § 226 Abs.1 AO 1977 auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zwingt nicht zur Anwendung auch des § 395 BGB, da diese Vorschriften nur "sinngemäß" gelten. Es ist demnach zu prüfen, ob die jeweiligen zivilrechtlichen Aufrechnungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck und nach den sonstigen Auslegungskriterien auf den Tatbestand der Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis übertragbar sind. Das ist bei dem Erfordernis der Kassenidentität bei einer Gesamtbetrachtung der vorstehend dargestellten Auslegungsgründe nicht der Fall.
Fundstellen
Haufe-Index 613538 |
BStBl II 1989, 949 |
BFHE 157, 8 |
BB 1990, 342 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DB 1989, 2464 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1989, 592 (Leitsatz und Gründe) |