Leitsatz (amtlich)
Ein Pachtvertrag zwischen dem Vater und dem den väterlichen Betrieb übernehmenden Sohn kann steuerrechtlich als außerbetriebliche Versorgungsvereinbarung zu beurteilen sein.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Revisionen wegen Einkommensteuer 1965 bis 1967 und Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge 1965 bis 1967 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Streitig ist die steuerrechtliche Berücksichtigung eines Pachtverhältnisses zwischen Vater und Sohn.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist, wie sein am 24. November 1968 verstorbener Vater, Bäckermeister. Der väterliche Betrieb, der eine Bäckerei, ein Lebensmittelgeschäft und eine Gastwirtschaft umfaßte, wurde bis 1954 vom Kläger und seinem Vater in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts betrieben. Ab 1955 übernahm der Kläger den Betrieb als Einzelunternehmer. Zu diesem Zwecke schloß er am 21. Mai 1955 mit seinem Vater einen notariellen Pachtvertrag, demzufolge dem Kläger von seinem Vater die Wohn- und Betriebsgebäude mit Bäckerei, Laden, Café und Backstube einschließlich des gesamten Inventars verpachtet wurden, wobei sich der Vater nur die Nutzung des oberen Stockwerks des Wohnhauses vorbehielt. Der Kläger verpflichtete sich demgegenüber, seinen Vater in gesunden und kranken Tagen zu pflegen, Arzt-, Apotheker- und Krankenhauskosten zu tragen, alle Kleidungsstücke für ihn zu erwerben und ihn unentgeltlich zu verpflegen. Anstelle der freien Beköstigung erhielt der Vater das Recht, bestimmte Mengen näher bezeichneter Nahrungsmittel für seine eigene Versorgung zu fordern. Darüber hinaus verpflichtete sich der Kläger, seinem Vater 4 v. H. des Gesamtumsatzes entsprechend den Umsatzsteuervoranmeldungen als Pachtzins zu zahlen. Dieser Betrag sollte seinem Vater als Taschengeld zur Verfügung stehen. Weiterhin übernahm der Kläger alle Grundstückslasten. - Dieser Vertrag wurde noch dahin ergänzt (notarieller Vertrag vom 18. Februar 1956), daß die Auflösung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zum 1. Januar 1955 erfolgt sei.
Ab 1955 behandelte der Kläger den "Pachtzins" von 4 v. H. des Umsatzes und den Wert der Verpflegungskosten für den Vater als Betriebsausgaben. Da die "Pacht" jedoch ab 1960 nicht voll ausbezahlt wurde - in den Streitjahren zahlte der Kläger an seinen Vater nur ein Taschengeld von monatlich 100 DM - entstanden Rückstände, die als Betriebsschulden ausgewiesen wurden. Diese Schulden wurden ab 1965 dadurch vermindert, daß aufgrund einer schriftlichen Erklärung des Vaters vom 30. September 1965 der Kläger berechtigt sein sollte, rückwirkend ab 1. Juli 1962 im Hinblick auf erhöhte Aufwendungen wegen Pflegebedürftigkeit monatlich 500 DM zugunsten seiner Ehefrau einzubehalten und mit den Pachtrückständen zu verrechnen. Nach dem Tod des Vaters am 24. November 1968 wurde der Kläger aufgrund eines Testaments vom 19. Dezember 1956 Alleinerbe.
Im Anschluß an eine im Jahre 1968 durchgeführte Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, das Pachtverhältnis könne, da es nicht tatsächlich vollzogen worden sei, steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Seinem wirtschaftlichen Gehalt nach handle es sich bei dem Vertrag um einen privaten Versorgungsvertrag.
Gegen die aufgrund der Betriebsprüfung 1968 ergangenen Bescheide erhob der Kläger erfolglos Einspruch und Klage.
Das FG beurteilte den zwischen dem Kläger und seinem Vater abgeschlossenen Vertrag als eine im Zusammenhang mit der Betriebsübertragung getroffene außerbetriebliche Versorgungsvereinbarung. Unterstelle man gleichwohl einen Pachtvertrag, so sei dieser jedenfalls in den Streitjahren tatsächlich nicht vollzogen worden.
Mit den hiergegen erhobenen Revisionen wird Verletzung materiellen Rechts gerügt. Zu Unrecht, so wird mit der Revisionsbegründung ausgeführt, habe das FG aus den Vertragsbedingungen und dem - nicht vorhersehbaren - Anstieg der Pachtzinsen auf einen unausgewogenen Leistungsaustausch geschlossen und gefolgert, der Kläger und sein Vater hätten von vornherein den endgültigen Betriebsübergang beabsichtigt. Zur Zeit des Vertragsabschlusses im Jahre 1955 habe zwischen den Parteien ein schlechtes Verhältnis bestanden, so daß der Kläger, auch wenn er dies gehofft habe, doch nicht damit habe rechnen können, den Betrieb dereinst ganz übernehmen zu können. Die nachträgliche Entwicklung einerseits des unvorhersehbaren Ansteigens der Umsatzpacht bei steigenden Unkosten, andererseits der Erbeinsetzung durch den Vater, habe der Kläger bei Abschluß des Pachtvertrages nicht erkennen können.
Der Kläger beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Pachtleistungen an seinen Vater bei der Einkommensteuer 1965, 1966 und 1967 sowie bei der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge 1965, 1966 und 1967 als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revisionen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unbegründet.
Die aufgrund des Vertrages vom 21. Mai 1955 erbrachten Leistungen oder entstandenen Schulden können nur dann als das Betriebsvermögen und damit den steuerlichen Gewinn nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG mindernde Betriebsausgaben anerkannt werden, wenn die Aufwendungen durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Schließen einander fremde Personen über Wirtschaftsgüter, die einem Gewerbebetrieb dienen, einen Pachtvertrag ab, so kann die betriebliche Veranlassung für die Pachtzahlungen in der Regel weder dem Grunde noch der Höhe nach zweifelhaft sein. Anders ist es jedoch, wenn ein derartiger Vertrag zwischen nahen Angehörigen geschlossen wird. Hier ist zu prüfen, ob etwa nichtbetriebliche, aus einer gemeinsamen Interessenlage resultierende private Erwägungen zum Vertragsabschluß geführt oder den Vertragsinhalt beeinflußt haben. Mit Recht ist deshalb die Vorinstanz mit der ständigen Rechtsprechung des BFH davon ausgegangen, daß bürgerlich-rechtliche Verträge zwischen nahen Angehörigen einkommensteuerrechtlich nur berücksichtigt werden können, wenn die getroffenen Vereinbarungen ernsthaft gewollt sind und demgemäß auch tatsächlich durchgeführt werden und wenn derartige Vereinbarungen auch zwischen einander fremden Personen getroffen worden wären (vgl. z. B. die Entscheidungen des Senats vom 24. Juli 1975 IV R 99/72, BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772; vom 1. Februar 1973 IV R 49/68, BFHE 108, 197, BStBl II 1973, 307, und vom 15. Oktober 1970 IV R 134/70, BFHE 101, 229, BStBl II 1971, 262).
Diesen Grundsätzen entspricht im Streitfall das vom FG gewonnene Ergebnis, wonach der Vertrag vom 21. Mai 1955/18. Februar 1956 von Anbeginn an nicht auf betrieblicher, sondern auf privater Grundlage geschlossen wurde. Das ergibt sich einmal aus der Ausgestaltung des Vertrages als typischer Versorgungsvertrag, wie er in dieser Form zwischen nicht miteinander verwandten Personen nicht denkbar wäre (vgl. hierzu auch die Entscheidung des Senats vom 30. November 1967 IV 39/65, BFHE 91, 86, BStBl II 1968, 265). Darüber hinaus erscheint auch die Würdigung des FG gerechtfertigt, daß der Kläger den Vertrag mit seinem Vater in der Erwartung schloß, dessen Rechtsnachfolger zu werden. Denn anders sind die vom Kläger übernommenen Verpflichtungen in ihrem Ausmaß nicht erklärbar, wenn man noch dazu berücksichtigt, daß der Kläger bereits Mitunternehmer des Betriebes gewesen war. All dies unterstreicht die Richtigkeit der Annahme des FG, daß im Streitfall ein außerbetrieblicher Versorgungsvertrag im Zusammenhang mit der Betriebsübertragung vom Vater auf den Sohn vorgelegen hat, wobei der Betrieb selbst nach dem Ergänzungsvertrag vom 18. Februar 1956 tatsächlich auch bereits 1955 vom Sohn übernommen worden ist, der Übergang der Betriebsgrundstücke und des Inventars allerdings der Erbeinsetzung vorbehalten war.
Zusätzlich wird die Entscheidung des FG auch durch dessen Feststellung getragen, daß es in den Streitjahren an der erforderlichen tatsächlichen Durchführung eines ernsthaft gewollten und betrieblich veranlaßten Pachtvertrages gefehlt habe. Unstreitig hat der Kläger ab dem Jahre 1960, von dem an dann die entsprechenden Pachtschulden aufgelaufen sind, effektiv keinen "Pachtzins" mehr, sondern neben den sonstigen, für Versorgungszusagen typischen Leistungen wie Licht, Heizung, Verköstigung und Pflege, lediglich einen jährlichen Barbetrag von 1 200 DM gezahlt. Über das Stehenbleiben des Pachtzinses und die Tilgung der dadurch entstehenden Schulden wurden zwischen den Beteiligten keinerlei Vereinbarungen getroffen. Die dem Kläger vom Vater nachträglich am 30. September 1965 mit Rückwirkung zum 1. Juli 1962 eingeräumte Verrechnungsmöglichkeit in Höhe von monatlich 500 DM für Pflegeaufwand hat das FG mit Recht als zusätzlich den privaten Charakter der streitigen Aufwendungen kennzeichnend angesehen. Das jedenfalls in den Streitjahren für die Beteiligten inzwischen feststehende Übermaß an - tatsächlich nicht entrichteter - Pacht sollte nun durch ein Übermaß an - ebenfalls tatsächlich nicht entrichteter - Pflegeentschädigung kompensiert werden. Derartige Absprachen wären bei betrieblichen, auf Leistung und Gegenleistung abgestimmten Vereinbarungen zwischen einander fremden Personen nicht denkbar. Der Pachtvertrag ist somit allenfalls bis zum Jahre 1960, aber nicht mehr in den Streitjahren tatsächlich vollzogen worden.
Damit entfällt, soweit dem die Bestandskraft von Steuerbescheiden nicht entgegensteht, eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen als Betriebsausgaben in den Streitjahren.
Fundstellen
Haufe-Index 71906 |
BStBl II 1976, 561 |
BFHE 1977, 161 |