Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag mit Angehörigen
Leitsatz (NV)
- Das FG darf den Fremdvergleich anstellen, wenn bei einem Mietverhältnis mit der Tochter und deren Lebensgefährten Anlass besteht, das Vertragsverhältnis insgesamt daraufhin zu überprüfen, ob es dem steuerlich relevanten oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist und das Mietverhältnis durch die Beziehung zwischen den Klägern und ihrer Tochter bestimmt ist.
- Sind hinsichtlich der Nebenabgaben keine Vereinbarungen getroffen, muss dies nicht zur Nichtanerkennung des Vertrages führen. Dieser Umstand ist vielmehr im Zusammenhang mit sämtlichen weiteren Umständen zu würdigen, die für oder gegen die private Veranlassung des Vertragsverhältnisses sprechen. Die Ermäßigung der Miete ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
- Unter ortsüblicher Miete ist die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Zweiten Berechnungsverordnung umlagefähigen Kosten zu verstehen.
Normenkette
EStG §§ 12, 21 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1997, 966) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im September 1992 erwarben sie ein Einfamilienhaus (Reihenhaus), das sie durch Mietvertrag vom 1./3. Januar 1993 an ihre Tochter und deren damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann vermieteten. Die Miete sollte monatlich 55 % der Vergleichsmiete am Ort, das ist 535 DM, betragen. Die Heizkosten hatten die Mieter zu tragen; im Übrigen wurden über die Betriebskosten keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen.
In einem Zusatz zum Mietvertrag gewährten die Mieter den Klägern ein zinsloses Darlehn, das in Raten neben der Miete (765 DM + 535 DM = 1 300 DM/mtl.) auszuzahlen war. Die Rückzahlung sollte ebenfalls in Raten nach Ablauf von 5 Jahren beginnen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 machten die Kläger einen Werbungskostenüberschuss aus dem Hause in Höhe von 45 425 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ist der Ansicht (Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 1995), dass der Mietvertrag für das Streitjahr steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei, weil er einem Fremdvergleich nicht standhalte. Es sei nicht hinreichend klar, was hinsichtlich der Nebenkosten sowie der Kosten für Schönheitsreparaturen gelten solle. Angesichts dessen könne offen bleiben, ob die Gewährung des Darlehns einem Fremdvergleich standhalte.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1997, 966). Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt es aus: Der Vertrag werde durch das Angehörigenverhältnis zwischen den Klägern und ihrer Tochter geprägt, deshalb sei hier der Fremdvergleich anzustellen. Im Übrigen folge das FG der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach ein Mietvertrag unter nahen Angehörigen steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei, wenn keine klaren Vereinbarungen über die Tragung der Nebenkosten getroffen worden seien. In Anbetracht dessen könne offen bleiben, ob die Miete wegen ihrer Höhe einem Fremdvergleich standhalte. Auch im Hinblick auf das zinslose Finanzierungshilfedarlehen von 15 000 DM halte der Mietvertrag einem Fremdvergleich nicht stand. Ein fremder Dritter hätte keine Veranlassung gehabt, ein solches Darlehen zu gewähren.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1993 einen weiteren Werbungskostenüberschuss in Höhe von 45 425 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat dem zwischen den Klägern und ihrer Tochter und deren damaligen Lebensgefährten abgeschlossenen Mietvertrag zu Unrecht die steuerliche Anerkennung im Wesentlichen deshalb versagt, weil hinsichtlich der Nebenkosten keine eindeutigen Vereinbarungen getroffen worden waren.
1. Zu Recht hat das FG allerdings den sog. Fremdvergleich angestellt. Danach sind Verträge unter nahen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (z.B. BFH-Urteil vom 22. April 1998 X R 163/94, BFH/NV 1999, 24, zu II. 2. b, m.w.N.). Zu den nahen Angehörigen gehört im Streitfall zweifellos die Tochter der Kläger. Vertragspartner der Kläger war aber auch der Lebensgefährte der Tochter, der kein Angehöriger der Kläger i.S. des § 15 der Abgabenordnung (AO 1977) ist. Gleichwohl durfte das FG hier ohne Rechtsverstoß den Fremdvergleich anstellen, weil Anlass bestand, das Vertragsverhältnis insgesamt daraufhin zu überprüfen, ob es dem steuerlich relevanten oder dem privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) zuzuordnen ist (vgl. zur Begründung des Fremdvergleichs BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, 378 f., BStBl II 1997, 196, m.w.N.). Das Mietverhältnis war im Streitfall durch die Beziehung zwischen den Klägern und ihrer Tochter bestimmt.
2. a) Die vom FG festgestellten Abweichungen vom Üblichen rechtfertigen es jedoch noch nicht, dem Mietverhältnis steuerrechtlich die Anerkennung zu versagen. Nicht jede Abweichung vom Üblichen hat bereits diese Konsequenz (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 24, zu II. 2. b). Für die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages ist entscheidend, dass die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien wie die Überlassung einer konkret bestimmten Sache und die Höhe der Miete (§ 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) klar und eindeutig vereinbart und wie vereinbart durchgeführt werden (BFH-Urteil vom 20 Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106, zu 2.). Sind hinsichtlich der Nebenabgaben keine Vereinbarungen getroffen worden, muss dies noch nicht zur Nichtanerkennung des Vertrages führen. Dieser Umstand ist vielmehr im Zusammenhang mit sämtlichen weiteren Umständen zu würdigen, die für oder gegen die private Veranlassung des Vertragsverhältnisses sprechen (BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349, zu 2.). Die Ermäßigung der Miete ist in diesem Zusammenhang unerheblich (Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, 411, BStBl II 1998, 771, m.w.N.).
Das FG hat eine solche Gesamtwürdigung nicht vorgenommen; es hat sich vielmehr ausdrücklich auf die frühere Rechtsprechung des Senats berufen, wonach bereits geringe Abweichungen vom Üblichen zur Folge haben, dass der Vertrag der Einkommensteuerveranlagung nicht zugrunde gelegt werden kann (Urteile vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96; vom 20. Dezember 1994 IX R 88/92, BFH/NV 1995, 674; eingeschränkt durch Urteile in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, und in BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349).
b) Die Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung (§ 105 Abs. 5 FGO) ist im Streitfall keine Gesamtwürdigung. Auch das FA hat die Einspruchsentscheidung nicht unter Abwägung aller Umstände getroffen. Für das Streitjahr stützt es seine Entscheidung vielmehr nur auf die fehlende oder unklare Vereinbarung über die Nebenkosten und Schönheitsreparaturen. In beiden Fällen ist der Kerndesmietvertraglichen Leistungsaustauschs nicht berührt, zumal hinsichtlich der Heizungskosten in § 5 Nr. 4 des Mietvertrages eine eindeutige Regelung besteht und nach einer Zusatzvereinbarung (§ 21 Nr. 2 d) die kleineren Reparaturarbeiten vom Mieter auszuführen sind.
c) Das FG hat in den Fremdvergleich das Darlehn einbezogen, das in einem Zusatz zum Mietvertrag vom 1. Januar 1993 vereinbart worden ist. Es kann nach Auffassung des Senats dahinstehen, ob die Darlehnsvereinbarung für sich gesehen einem Fremdvergleich standhält; denn nach den Feststellungen des FG ist nicht erkennbar, dass sie ―abgesehen von dem äußerlichen Zusammenhang― einen Bezug zum Mietverhältnis hat, z.B. dass sie nur zum Schein geschlossen wurde, um einen anderen Vorgang zu verdecken. Das FA beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom 17. Januar 1995 IX R 85/92 (BFH/NV 1995, 769). Dort sollte das Darlehn mit der Miete verrechnet werden; es war ferner der Höhe nach nicht beschränkt.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
a) Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, um wie viel die vereinbarte Miete die ortsübliche Miete unterschreitet. Auch das FA hat in der Einspruchsentscheidung, auf die das FG sich bezieht, offen gelassen, ob die vereinbarte Miete mehr oder weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Vergleichsmiete ausmacht. Sollte die Miete unter 50 v.H. der ortsüblichen Miete liegen, wären die Werbungskosten anteilig zu kürzen (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Dabei ist unter ortsüblicher Miete entgegen der Auffassung des FG die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Zweiten Berechnungsverordnung umlagefähigen Kosten zu verstehen (vgl. auch Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 1999, R 162). Das gilt grundsätzlich für das Zivilrecht (Oberlandesgericht Stuttgart, Rechtsentscheid vom 13. Juli 1983 - 8 RE Miet 2/83, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 2329; Voelskow in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 2 MHG Tz. 5, m.w.N.) wie für § 21 Abs. 2 EStG (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 21 Rz. 62; Jansen in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21 EStG, Anm. 248 i.V.m. Anm. 232 f.), denn zur Miete gehören auch die zu zahlenden Nebenkosten-Umlagen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1999 IX R 69/98, BFHE 190, 442, BStBl II 2000, 197).
b) Das FG hat ferner die Gesamtwürdigung aller Umstände nachzuholen, die für oder gegen die steuerrechtliche Anerkennung des Mietverhältnisses am Maßstab des Fremdvergleichs sprechen (s. oben zu 2. b).
c) Sollte das Mietverhältnis danach dem Fremdvergleich standhalten, muss ―evtl. unter Berücksichtigung einer Kürzung der Werbungskosten gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG― die an sich vorrangige Frage geprüft werden, ob die Kläger im Streitjahr 1993 die Absicht hatten, langfristig einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1999 IX R 64/94, BFHE 190, 125, BStBl II 1999, 826, zu 1. d und e, zu einem Fall, in dem die vereinbarte Miete rd. 2/3 der Marktmiete betrug).
Die Sache geht daher zur Nachholung dieser Feststellungen an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 447553 |
BFH/NV 2001, 305 |