Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag mit Angehörigen: Zulässigkeit des Fremdvergleichs bei Lebensgefährten der Tochter, fehlende Vereinbarungen zu Nebenabgaben, Zusammensetzung der ortsüblichen Miete
Normenkette
EStG §§ 12, 21 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1997, 968) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie erwarben im September 1992 ein Einfamilienhaus (Reihenhaus), das sie durch Mietvertrag vom 1./3. Januar 1993 an ihre Tochter und deren damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann vermieteten. Die Miete sollte monatlich 55 % der Vergleichsmiete am Ort, das ist 535 DM, betragen. Die Heizkosten hatten die Mieter zu tragen; im Übrigen wurden über die Betriebskosten keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen.
In einem Zusatz zum Mietvertrag gewährten die Mieter den Klägern ein zinsloses Darlehn, das in Raten neben der Miete (765 DM + 535 DM = 1 300 DM/mtl.) auszuzahlen war. Die Rückzahlung sollte ebenfalls in Raten nach Ablauf von 5 Jahren beginnen.
Am 1. Juli 1994 schlossen die Beteiligten erneut einen Mietvertrag, der die Miete auf 623 DM (ohne Bezug zur ortsüblichen Miete) festlegte. Wegen der Betriebskosten verwies der Vertrag auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung (II.BV) "im vereinbarten Umfang": in einer Anlage wurde im Einzelnen festgelegt, welche Nebenkosten die Mieter zu tragen hatten.
Mit Vertrag vom 1. August 1994 gewährten die Kläger ihrer Tochter ferner auf die Dauer von 10 Jahren ein Darlehn über 54 500 DM zum Zinssatz von 6 v.H. Die Tilgung konnte bereits vor Ablauf der 10 Jahre in vollem Umfang oder in Teilbeträgen erfolgen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 machten die Kläger einen Werbungskostenüberschuss aus der Vermietung des Hauses in Höhe von 43 615 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ist der Ansicht (Einspruchsentscheidung vom 4. April 1996), das Mietverhältnis sei für das Streitjahr steuerrechtlich nicht anzuerkennen, weil es einem Fremdvergleich nicht standhalte. Wie im Jahre 1993 sei nicht hinreichend klar, was hinsichtlich der Nebenkosten und der Kosten für Schönheitsreparaturen gelten solle. Es sei ferner unter Mietparteien nicht üblich, ein unverzinsliches Darlehn als Finanzierungshilfe zu gewähren. Angesichts dessen könne offen bleiben, ob die Vereinbarungen betreffend die Nebenkosten ab dem 1. Juli 1994 eindeutig waren und entsprechend durchgeführt wurden, und ob das Darlehn der Kläger an die Tochter einem Fremdvergleich standhalte.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1997, 968). Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung vom 4. April 1996 sowie die Gründe des Urteils in der Sache IV 483/95 betreffend Einkommensteuer 1993 und führt ergänzend aus: Auch in dem neuen Vertrag gebe es keine hinreichend klaren Vereinbarungen über die Betriebskosten. Ein Mietverhältnis zwischen Angehörigen sei ferner nicht immer dann anzuerkennen, wenn die Miete über 50 v.H. der ortsüblichen Miete liege. Hier sei die Miete aus privaten Gründen unter der ortsüblichen Miete festgesetzt worden.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1994 einen weiteren Werbungskostenüberschuss in Höhe von 43 615 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat dem zwischen den Klägern und ihrer Tochter und deren damaligen Lebensgefährten abgeschlossenen Mietvertrag zu Unrecht die steuerliche Anerkennung im Wesentlichen deshalb versagt, weil hinsichtlich der Nebenkosten keine eindeutigen Vereinbarungen getroffen worden seien.
1. Zu Recht hat das FG allerdings den sog. Fremdvergleich angestellt. Danach sind Verträge unter nahen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22. April 1998 X R 163/94, BFH/NV 1999, 24, zu II. 2. b, m.w.N.). Zu den nahen Angehörigen gehört im Streitfall zweifellos die Tochter der Kläger. Vertragspartner der Kläger war aber auch der Lebensgefährte der Tochter, der kein Angehöriger der Kläger i.S. des § 15 der Abgabenordnung (AO 1977) ist. Gleichwohl durfte das FG hier ohne Rechtsverstoß den Fremdvergleich anstellen, weil Anlass bestand, das Vertragsverhältnis insgesamt daraufhin zu überprüfen, ob es dem steuerlich relevanten oder dem privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) zuzuordnen ist (vgl. zur Begründung des Fremdvergleichs BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, 378 f., BStBl II 1997, 196, m.w.N.). Das Mietverhältnis war im Streitfall durch die Beziehung zwischen den Klägern und ihrer Tochter bestimmt.
2. a) Die vom FG festgestellten Abweichungen vom Üblichen rechtfertigen es jedoch noch nicht, dem Mietverhältnis steuerrechtlich die Anerkennung zu versagen. Nicht jede Abweichung vom Üblichen hat bereits diese Konsequenz (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 24, zu II. 2. b). Für die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages ist entscheidend, dass die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien wie die Überlassung einer konkret bestimmten Sache und die Höhe der Miete (§ 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) klar und eindeutig vereinbart und wie vereinbart durchgeführt werden (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106, zu 2.). Sind hinsichtlich der Nebenabgaben keine Vereinbarungen getroffen worden, muss dies allein nicht bereits zur Nichtanerkennung des Vertrages führen; dieser Umstand ist vielmehr im Zusammenhang mit sämtlichen weiteren Umständen zu würdigen, die für oder gegen die private Veranlassung des Vertragsverhältnisses sprechen (BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349, zu 2.). Das FG hat eine solche Gesamtwürdigung nicht vorgenommen; es hat sich vielmehr ―durch Hinweis auf die Entscheidung vom 26. Juni 1996 in der Sache IV 483/95― ausdrücklich auf die frühere Rechtsprechung des Senats berufen, wonach bereits geringe Abweichungen vom Üblichen zur Nichtanerkennung eines Vertragsverhältnisses führen können (Urteile vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96; vom 20. Dezember 1994 IX R 88/92, BFH/NV 1995, 674; eingeschränkt durch Urteile in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, und in BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349).
b) Die Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vom 4. April 1996 (§ 105 Abs. 5 FGO) sowie auf die des Urteils in der Sache IV 483/95 betr. das Streitjahr 1993 ist im Streitfall keine Gesamtwürdigung. Das FA wiederholt in seiner Einspruchsentscheidung im Wesentlichen die Begründung der Einspruchsentscheidung betr. das Jahr 1993 und würdigt weder die Änderungen betr. die Nebenkosten im Vertrag vom 1. Juli 1994 noch den Darlehnsvertrag vom 1. August 1994. Auch die Einspruchsentscheidung betr. das Jahr 1993 ist nicht unter Abwägung aller Umstände getroffen. Sie stützt sich nur auf die fehlende oder unklare Vereinbarung über die Nebenkosten und Schönheitsreparaturen. In beiden Fällen ist der Kerndesmietvertraglichen Leistungsaustauschs nicht berührt, zumal hinsichtlich der Heizungskosten in § 5 Nr. 4 des Mietvertrages vom 1. Januar 1993 eine eindeutige Regelung besteht und nach einer Zusatzvereinbarung (§ 21 Nr. 2 d) die kleineren Reparaturarbeiten vom Mieter auszuführen sind.
Auch das FG stellt in seinen ergänzenden Anmerkungen im Urteil betr. das Streitjahr 1993 im Wesentlichen auf die Regelung der Nebenkosten ab. Darüber hinaus bezieht es das Darlehn, das in einem Zusatz zum Mietvertrag vom 1. Januar 1993 vereinbart worden ist, in den Fremdvergleich mit ein. Es kann jedoch dahinstehen, ob die Darlehnsvereinbarung für sich gesehen einem Fremdvergleich standhält; denn es ist nicht festgestellt, dass sie ―abgesehen von dem äußerlichen Zusammenhang― einen Bezug zum Mietverhältnis hat, z.B. dass sie nur zum Schein geschlossen ist, um einen anderen Vorgang zu verdecken. Das FA beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom 17. Januar 1995 IX R 85/92 (BFH/NV 1995, 769). Dort stand der Zusammenhang mit dem Mietverhältnis fest, denn das Darlehn sollte mit der Miete verrechnet werden; es war ferner der Höhe nach unbeschränkt.
In den ergänzenden "Erwägungen" im Urteil betr. das Streitjahr beanstandet das FG die Regelung der Nebenkosten als unklar. Der Hinweis auf die "Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II.BV im vereinbarten Umfang nach einer jährlich aufzustellenden Zusammenstellung" erlaube nicht, den Umfang der Verpflichtungen im Voraus zu kennen. Das ist nicht schlüssig, weil in der Anlage zum Mietvertrag vom 1. Juli 1994 im Einzelnen angeführt ist, welche Kosten die Mieter zu tragen haben.
c) Das FG geht weiter davon aus, dass die Miete aus privaten Gründen ermäßigt wurde; es würdigt diesen Umstand zu Unrecht im Rahmen des Fremdvergleichs (§ 12 EStG). Der Senat hat entschieden, dass die Ermäßigung der Miete beim Fremdvergleich unerheblich ist (Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, 411, BStBl II 1998, 771, m.w.N). Bei den weiteren Ausführungen des FG zur Höhe der Miete und zum Darlehn vom 1. August 1994 ist unklar, ob sie die Entscheidung tragen sollen.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
a) Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, um wie viel die vereinbarte Miete die ortsübliche Miete unterschreitet. Auch das FA hat in seinen Einspruchsentscheidungen betr. Einkommensteuer 1993 und 1994, auf die das FG sich bezieht, offen gelassen, ob die vereinbarte Miete mehr oder weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Vergleichsmiete ausmacht. Sollte die Miete unter 50 v.H. der ortsüblichen Miete liegen, wären die Werbungskosten anteilig zu kürzen (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Dabei ist unter ortsüblicher Miete entgegen der Auffassung des FG die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der II. Berechnungsverordnung umlagefähigen Kosten zu verstehen (vgl. auch Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 1999, R 162). Das gilt grundsätzlich für das Zivilrecht (Oberlandesgericht Stuttgart, Rechtsentscheid vom 13. Juli 1983 - 8 RE Miet 2/83, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 2329; Voelskow in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 2 MHG Tz. 5, m.w.N.) wie für § 21 Abs. 2 EStG (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 21 Rz. 62; Jansen in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21 EStG, Anm. 248 i.V.m. Anm. 232 f.), denn zur Miete gehören auch die zu zahlenden Nebenkosten-Umlagen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1999 IX R 69/98, BFHE 190, 442, BStBl II 2000, 197).
b) Das FG hat ferner die Gesamtwürdigung aller Umstände nachzuholen, die für oder gegen die steuerrechtliche Anerkennung des Mietverhältnisses am Maßstab des Fremdvergleichs sprechen (s. oben zu 2. b).
c) Sollte das Mietverhältnis danach dem Fremdvergleich standhalten, muss ―evtl. unter Berücksichtigung einer Kürzung der Werbungskosten gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG― die an sich vorrangige Frage geprüft werden, ob die Kläger im Streitjahr 1994 die Absicht hatten, langfristig einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1999 IX R 64/94, BFHE 190, 125, BStBl II 1999, 826, zu 1. d und e, zu einem Fall, in dem die vereinbarte Miete rd. 2/3 der ortsüblichen Marktmiete betrug).
Die Sache geht daher zur Nachholung dieser Feststellungen an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 447578 |
HFR 2001, 337 |