Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes wegen zwingender beruflicher Gründe i. S. des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG Schleswig-Holstein kann auch dann vorliegen, wenn der Erwerber ein unbebautes Grundstück, auf dem er steuerbegünstigten Wohnraum schaffen will, aus zwingenden beruflichen Gründen unbebaut weiterveräußert.
2. Zwingende berufliche Gründe für die Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes liegen nicht vor, wenn das vom gegenwärtigen Wohn- und Arbeitsort in größerer Entfernung (hier: etwa 40 km) gelegene Grundstück lediglich einer für die Zukunft angestrebten beruflichen Tätigkeit dienen soll, dieses Ziel sich jedoch dann nicht verwirklichen läßt.
Normenkette
GrESBWG Schleswig-Holstein i.d.F. vom 16. September 1974 § 7 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der damals als Steuerfachgehilfe in A tätig war, kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 18. Dezember 1973 ein noch zu vermessendes etwa 2 000 m2 großes unbebautes Grundstück in der Gemeinde B in der Nähe von C. Der Erwerb wurde gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes (GrESBWG) in der im Zeitpunkt des Kaufes des Grundstückes geltenden Fassung von der Grunderwerbsteuer freigestellt, nachdem der Kläger erklärt hatte, er werde das Grundstück mit steuerbegünstigten Wohnungen bebauen.
Mit Vertrag vom 30. September 1977 hat der Kläger das Grundstück in unbebautem Zustand wieder verkauft. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat darauf den Kläger wegen des Erwerbsvorganges vom 18. Dezember 1973 nachträglich zur Grunderwerbsteuer herangezogen.
Hiergegen richtete sich die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage. Der Kläger hat geltend gemacht, daß in seinem Falle eine Nachversteuerung wegen des vor der Veräußerung des Grundstückes in Kraft getretenen § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG (in der Fassung vom 16. September 1974, Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein 1974 S. 353 - GVBl Schleswig-Holstein 1974, 353 -, BStBl I 1974, 941) nicht in Betracht komme. Er habe den steuerbegünstigten Zweck aus zwingenden beruflichen Gründen aufgegeben, weil sein Arbeitsverhältnis als Steuerfachgehilfe zum 31. März 1976 überraschend von seinem Arbeitgeber gekündigt worden sei, nachdem er von der Oberfinanzdirektion (OFD) zum Steuerbevollmächtigten bestellt worden sei. Nunmehr habe er sich sofort in A selbständig machen müssen, während es vorher seine Absicht gewesen sei, noch zwei bis drei Jahre bei seinem Arbeitgeber zu bleiben, in dieser Zeit Mandate im Raum C zu übernehmen, evtl. auch eine Teilpraxis zu kaufen und das Grundstück in B mit einem Wohnhaus nebst Büroräumen zu bebauen. Diese Zielsetzung sei durch die überraschende Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vereitelt worden. Er habe das Grundstück in B verkaufen müssen, um die notwendigen Mittel für den Existenzaufbau in A zu erhalten.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Zwingende berufliche Gründe i. S. des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG lägen nur dann vor, wenn die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks als unmittelbare Folge der beruflichen Veränderung erscheine. Hieran fehle es.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung vom FG zugelassene Revision des Klägers, mit der er seinen Klagantrag weiterverfolgt, ist unbegründet. Der Kläger hat den steuerbegünstigten Zweck nicht wegen zwingender beruflicher Gründe aufgegeben, wie dies § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG voraussetzt.
1. Der erkennende Senat folgt dem FG darin, daß die genannte Vorschrift auch in den Fällen anwendbar sein kann, in denen jemand ein unbebautes Grundstück zur Bebauung erwirbt. Der Gesetzestext enthält keinerlei Anhaltspunkte, daß diese Vorschrift in diesen Fällen nicht gelten soll.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß der Regierungsentwurf zur Novelle vom 16. September 1974 (Landtagsdrucksache 7/852) so formuliert war, daß die geplante Vorschrift sich lediglich auf die Fälle des § 2 Nr. 1 und 2 GrESBWG bezog. Dem § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG sollte folgender Satz angefügt werden: "Ausgenommen davon ist die Aufgabe der eigenwohnlichen Nutzung einer steuerbegünstigten Wohnung aus zwingenden beruflichen Gründen." Denn der Finanzausschuß des Landtages hat die Vorschrift allgemeiner formuliert und sie in den § 7 Abs. 2 GrESBWG als Nummer 1 eingefügt (vgl. Landtagsdrucksache 7/1058). Die zum Gesetz gewordene Fassung läßt eine Auslegung, wie sie der Regierungsvorlage zugrunde lag, nicht zu. Für die Auslegung eines Gesetzes ist allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312, und Beschluß vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 129 ff.).
Hieran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Berichterstatter bei seinem mündlichen Bericht vom 27. August 1974 (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Plenarprotokoll 7/63 S. 3929) die Auffassung vertreten hat, § 7 Abs. 2 Nr. 1 enthalte in der Sache die Regelung der Regierungsvorlage, "nämlich den Verzicht auf die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer bei den Bürgern, die sich aus beruflichen Gründen gezwungen sehen, innerhalb der steuerschädlichen Zeit von fünf Jahren ihre Eigenheime oder ihre Eigentumswohnungen aufzugeben". Ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte ist nur dann erlaubt, wenn sich vom Wortlaut der Vorschrift her Auslegungszweifel ergeben. Das aber ist nicht der Fall. Die Vorschrift ist auch dann sinnvoll, wenn man sie auf die Fälle anwendet, in denen ein Bürger ein unbebautes Grundstück zwecks Errichtung eines Eigenheimes in der Nähe seiner Arbeitsstelle erwirbt und infolge Versetzung an einen anderen Arbeitsort gezwungen ist, das Grundstück vor der Bebauung wieder zu verkaufen.
2. § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG Schleswig-Holstein ist im vorliegenden Fall jedoch deshalb nicht anwendbar, weil der steuerbegünstigte Zweck nicht aus zwingenden beruflichen Gründen aufgegeben worden ist.
Zwingende berufliche Gründe für die Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes liegen im allgemeinen nur dann vor, wenn bereits beim Erwerb des unbebauten Grundstückes eine konkrete Beziehung zu der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers vorlag, wenn sich z. B. der Erwerber ein Grundstück in der Nähe seiner Arbeitsstelle gekauft hätte. In einem solchen Falle könnte sich der Erwerber bei einem Wechsel der Arbeitsstelle gezwungen sehen, daß erworbene Grundstück wieder zu verkaufen. Gleiches wird auch dann gelten können, wenn ein Familienheim oder eine Eigentumswohnung oder ein unbebautes Grundstück zur Errichtung eines Familienheimes dort gekauft wird, wo sich wahrscheinlich in Kürze der Arbeitsort des Erwerbers befinden wird. Dies dürfte vor allem dann gelten, wenn bereits eine entsprechende Zusage vorliegt. Treten dann neue Umstände auf, die eine Versetzung verhindern, so könnten hierin zwingende berufliche Gründe gesehen werden.
Anders liegen die Verhältnisse jedoch im vorliegenden Fall, in dem der Kläger, ohne daß hierfür schon konkrete Tatsachen vorlagen, die eine baldige Verwirklichung seiner Pläne wahrscheinlich erscheinen ließen, anstrebt, sich in einigen Jahren als Steuerbevollmächtigter selbständig zu machen und seine Praxis in einem kleinen Ort, etwa 40 km von seinem gegenwärtigen Arbeits- und Wohnort entfernt, zu eröffnen. Hier fehlt es im Zeitpunkt des Grundstückserwerbes an jeder konkreten beruflichen Beziehung zu dem Ort, in dem das Grundstück gelegen ist. Wenn die beruflichen Erwartungen, die mit dem Grundstückserwerb verbunden sind, sich wegen einer diesen Erwartungen nicht entsprechenden beruflichen Entwicklung nicht erfüllen, so mag die tatsächliche berufliche Entwicklung zwar die entscheidende Ursache für den Entschluß sein, das Grundstück zu verkaufen. Im Sinne des Gesetzes kann die nicht den ursprünglichen Wünschen entsprechende berufliche Entwicklung jedoch nicht als zwingender beruflicher Grund für den Verkauf des Grundstückes angesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 73359 |
BStBl II 1980, 54 |
BFHE 1980, 85 |