Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff des wirtschaftlichen Eigentums an Grundstücken und Kiesabbauberechtigungen, insbesondere beim Fehlen einer Verpflichtung zur Rückgabe des Grundstücks durch den Abbauunternehmer an den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer.
Normenkette
GewStG § 8 Ziff. 7, § 12 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) hat in den Jahren 1958 und 1959 ein Kiesvorkommen auf einem in fremden Eigentum stehenden Gelände ausgebeutet, und zwar auf Grund von Verträgen mit verschiedenen Grundstückseigentümern, nämlich mit dem Grundeigentümer X (im folgenden "X-Verträge"), mit drei Bauern (im folgenden "Bauern- Verträge") und einer Kirchengemeinde (im folgenden "Kirchen- Verträge"). Das Finanzamt (FA) hat diese Verträge als Pachtverträge über Kiesausbeute angesehen und die Hälfte der von der Stpfl. an die Grundeigentümer gezahlten Vergütungen nach § 8 Ziff. 7 GewStG 1957 dem Gewinn der Stpfl. aus Gewerbebetrieb zur Ermittlung des Gewerbeertrags und außerdem beim Gewerbekapital den Wert der Kiesschürfungsrechte nach § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG 1957 dem Einheitswert zugerechnet. Die Einsprüche der Stpfl. hiergegen hatten keinen Erfolg.
Die Berufung der Stpfl. führte zu einer Herabsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital. Das Finanzgericht führte aus: Die an die Grundstückseigentümer gezahlten Beträge seien keine Miet- oder Pachtzinsen im Sinn von § 8 Ziff. 7 GewStG. Ebenso komme eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG 1957 nicht in Betracht. Die Stpfl. habe keine Gewerbeberechtigung gepachtet. Das Grundeigentum schließe die Berechtigung zum Abbau von Bodenschätzen in sich ein. Zu einer vom bürgerlichen Recht abweichenden Verselbständigung des Ausbeuterechts für steuerliche Zwecke bestehe keine Veranlassung. Ausbeuteverträge, durch die ein Grundeigentümer einem anderen gestatte, Bodenbestandteile abzubauen, seien in der Regel Pachtverträge über den Boden und ausnahmsweise Kaufverträge über die Bodensubstanz. Im Streitfall liege eine solche Ausnahme vor. In den "Bauern-" und "Kirchen- Verträgen" seien als Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung zum Kiesschürfen feste Zahlungen vereinbart, wobei man von einem geschätzten Kiesvorrat ausgegangen sei. Das Kiesvorkommen habe von der Stpfl. bis zur Erschöpfung ausgebeutet werden sollen. Die Vertragsparteien hätten außerdem vereinbart, daß die Grundstücke nach den Abbau des Vorkommens entweder an die Stpfl. oder an die Stadt Y zu übereignen seien. Zum Teil sei bereits beim Vertragsschluß eine entsprechende unwiderrufliche Auflassung erklärt worden. Daß der Kaufpreis entsprechend der laufenden Kiesförderung gezahlt worden sei, schließe die Annahme von Kaufverträgen nicht aus, zumal die Verträge wesentliche pachtfremde Elemente enthielten. Die von der Stpfl. selbst zugestandene Hinzurechnung hinsichtlich der "Kirchen-Verträge" sei nicht gerechtfertigt und werde daher nicht vorgenommen, weil diese Beträge nur für die überlassung der Grundstücke gezahlt worden seien, so daß weder § 8 Ziff. 7 noch § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG 1957 Anwendung finden könne.
Das FA rügt mit der - nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden - Rb. unrichtige Anwendung des § 8 Ziff. 7 und des § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG 1957. Das Finanzgericht (FG) habe die Grundsätze einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise verletzt, die nur anwendbar seien, wenn der Steuergesetzgeber Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet habe. Ob Miet- oder Pachtzinsen im Sinn von § 8 Ziff. 7 GewStG 1957 vorlägen, hänge davon ab, ob die Zahlungen auf Grund eines Vertrags geleistet worden seien, der im wesentlichen einen Miet- oder Pachtvertrag darstelle. Abbauverträge, durch die der Grundeigentümer einem anderen die Befugnis zur Gewinnung von Bodenschätzen einräume, seien nach bürgerlichem Recht grundsätzlich Pachtverträge. Nur in Ausnahmefällen könnten sie Kaufverträge sein. Die Verpflichtung der Grundstückseigentümer, die Grundstücke nach dem Abbau an die Stpfl. oder an die Stadt Y. zu übereignen, sei vereinbart worden, um die Eigentümer von den Kosten des Verfüllens der durch den Kiesabbau wertlos und für eine landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar gewordenen Grundstücke zu befreien. In der übernahme der hierfür erforderlichen Kosten durch die Stpfl. liege das Entgelt für den Erwerb der Grundstücke. Der Grundstückserwerb sei aber erst nach Beendigung der Kiesschürfung wirksam geworden, so daß aus dieser Abrede nicht geschlossen werden könne, die Kiesausbeuteverträge seien Kaufverträge. Die Verträge seien daher steuerlich als Pachtverträge zu behandeln, und zwar nicht über die betreffenden Grundstücke, sondern über das Recht zur Kiesgewinnung. Ob für das als Gewerbeberechtigung anzusehende Ausbeuterecht ein besonderer Einheitswert festgestellt worden sei oder ob dies - wie im Streitfall - unterblieben sei, habe für die gewerbesteuerliche Beurteilung keine Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis nicht begründet. Das Eigentum an einem Grundstück umfaßt die Berechtigung, die im Boden vorhandenen Schätze abzubauen, sofern diese Befugnis nicht nach Landesrecht als besonderes Mineralgewinnungsrecht (Gerechtigkeit) ausgestaltet ist. überläßt der Grundstückseigentümer den Abbau der Bodenschätze einem anderen, so geschieht dies in der Regel durch Verpachtung. Der Eigentümer gestattet dem anderen, die Früchte des Grundstücks durch Ausübung der Berechtigung zum Abbau der Bodenschätze zu ziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - III 242/59 S vom 22. Juli 1960, BFH 71, 454, BStBl III 1960, 420). Nach der Rechtsprechung des BFH ist die überlassung der Ausnutzung von Grundstücken zum Abbau von Bodenschätzen bei Anwendung des § 8 Ziff. 7 GewStG 1957 grundsätzlich dahin zu verstehen, daß ein vom Grundstück zu trennendes Wirtschaftsgut, nämlich das Ausbeuterecht, zur Ausübung überlassen wird (Urteile des BFH IV 122/58 U vom 12. Mai 1960, BFH 71, 580, BStBl III 1960, 466; I 199/57 U vom 7. Oktober 1958, BFH 68, 10, BStBl III 1959, 5; VI 112/65 vom 6. Juli 1966, BFH 86, 595, BStBl III 1966, 599). Der Senat tritt daher der rechtlichen Beurteilung des Finanzgerichts nicht bei, das ein selbständiges Ausbeutungsrecht abgelehnt hat und bei derartigen Abbauverträgen grundsätzlich nicht unter § 8 Ziff. 7 GewStG 1957 fallende Verpachtungen des Grundbesitzes annehmen möchte.
Das Finanzgericht hat zutreffend ausgeführt, daß ausnahmsweise die Ausbeuteverträge Kaufverträge sein könnten, besonders, wenn einmalig eine genau festgelegte Menge der Bodensubstanz überlassen wird oder wenn der Boden mitveräußert wird (Urteile des BFH I 199/57 U, a. a. O.; VI 208/63 vom 13. November 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 209; VI 161/65 vom 2. März 1966, BFH 86, 128, BStBl III 1966, 364). Der Senat hat Bedenken, im Streitfall die Ausbeuteverträge in Kaufverträge umzudeuten. Es braucht hierzu jedoch nicht abschließend Stellung genommen zu werden, das das Ergebnis, zu dem das Finanzgericht gelangt ist, aus einem anderen Grund zu bestätigen ist.
Es steht fest, daß die Grundstücke nach dem Kiesabbau in das Eigentum der Stpfl. oder der Stadt Y übergehen werden. Diese Vereinbarung ist wohl offenbar nicht in allen Fällen bereits bei Abschluß der Ausbeuteverträge wirksam getroffen worden. Nach dem Akteninhalt wurde sie aber spätestens im Jahre 1958 nachgeholt, also noch während des Zeitraums, dessen Besteuerung streitig ist. Die für einen Pachtvertrag über ein Grundstück wesentliche Rückgabeverpflichtung fehlte demnach. Auch die Bemessung des Entgelts nach der qm-Größe der Schürfflächen und der Umstand, daß die Stpfl. gegenüber den Eigentümern verpflichtet war, alle für die Schürfung etwa gemachten Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen, deuten darauf hin, daß die Stpfl. bereits während des Abbaus wirtschaftliche Eigentümerin der überlassenen Grundstücke war. Allerdings hat sie die "Pachtzahlungen" in ihrer Buchführung als gewinnmindernd verbucht. Gleichwohl ist der Senat der Auffassung, daß die Stpfl. während der Streitjahre eine Stellung hatte, die der eines wirtschaftlichen Eigentümers der Grundstücke entsprach. Im Urteil VI 112/65 (a. a. O.) hat der Senat entschieden, daß § 8 Ziff. 7 GewStG 1957 nicht anwendbar ist, wenn die zur Ausbeutung von Bodenschätzen überlassenen Grundstücke im Eigenbesitz im Sinn von § 11 Ziff. 4 StAnpG (wirtschaftliches Eigentum) des vertraglich zur Ausbeutung Berechtigten stehen. Er hält an dieser Rechtsauffassung fest. War die Stpfl. in den Streitjahren wirtschaftliche Eigentümerin der zum Kiesabbau überlassenen Grundstücke, so gehörte ihr wirtschaftlich auch die im Eigentum enthaltene Berechtigung zum Kiesabbau. Ihre Zahlungen an die bürgerlichrechtlichen Eigentümer für die überlassung der Grundstücke einschließlich der Berechtigung zum Kiesabbau waren dann keine Miet- oder Pachtzinsen, sondern Gegenleistungen für die überlassung dieses wirtschaftlichen Eigentums. Da demnach keine Miet- oder Pachtzinsen geleistet wurden, ist § 8 Ziff. 7 GewStG 1957 nicht anzuwenden. Selbst wenn man aber nicht so weit ginge und wirtschaftliches Eigentum der Stpfl. nicht bejahen würde, fände diese Vorschrift keine Anwendung; denn die Verträge über die Berechtigung zum Kiesabbau sind infolge ihrer besonderen Gestaltung, insbesondere wegen des Fehlens der Rückgabeverpflichtung hinsichtlich der Grundstücke, Verträge eigener Art und keine Vereinbarungen mit überwiegend miet- oder pachtrechtlichem Charakter.
Bei den sogenannten "Kirchen-Verträgen" vom 19. März und 8. Oktober 1956 entfällt die Zurechnung der Hälfte der Pachtzinsen gemäß § 8 Ziff. 7 GewStG - wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat -, weil die auf Grund dieser Verträge überlassenen Grundstücke zur Lagerung von Material und Gerätschaften dienten und daher die für ihre Benutzung gezahlten Beträge solche für die überlassung von Grundbesitz waren, für die nach § 8 Ziff. 7 GewStG 1957 eine Hinzurechnung nicht in Betracht kommt.
Auch eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG 1957 bei der Ermittlung des Meßbetrags nach dem Gewerbekapital kommt nicht in Betracht. Wenn, wie bereits ausgeführt wurde, die zur Kiesausbeute überlassenen Grundstücke einschließlich des Ausbeuterechts wirtschaftliches Eigentum der Stpfl. waren, müssen Grundstück und Ausbeutungsberechtigung der Stpfl. in vollem Umfang als Eigentum zugerechnet werden (Urteil des BFH I 228/59 U vom 2. Mai 1961, BFH 73, 194, BStBl III 1961, 338). Da § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG 1957 nur die Zurechnung der in fremdem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter betrifft, ist die Vorschrift im Streitfall infolgedessen nicht anzuwenden.
Da der Senat, wenn auch aus teilweise anderen rechtlichen Erwägungen, zum gleichen steuerlichen Ergebnis gelangt wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil, konnte die Revision des FA keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 424196 |
BStBl III 1967, 226 |
BFHE 1967, 569 |
BFHE 87, 569 |