Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerbegünstigung für die Lieferung von selbst entwickelten, in Serie hergestellten Geräten und Bauteilen durch einen Ingenieur
Leitsatz (NV)
Lieferungen selbst entwickelter, in Serie hergestellter Geräte und Bauteile sind für einen Ingenieur nicht berufstypisch. Sie lassen sich seiner freiberuflichen Tätigkeit nicht zuordnen und unterliegen dem allgemeinen Steuersatz.
Normenkette
UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Ingenieur. Er betrieb ein Ingenieurbüro für Industrieelektronik. Von den Firmen A und B erhielt er Aufträge zur Planung, Entwicklung und Konstruktion bestimmter Sondergeräte (z. B. Prüfhilfsgeräte) sowie zur Entwicklung von elektronischen Mini- und Mikrobausteinen. Mit drei bis vier fachlich nicht vorgebildeten Mitarbeitern stellte er einen Teil der von ihm entwickelten Geräte und Bauteile (z. B. Leiterplatten, Steuer- und Meldekarten, Brückenschaltungen, Meßumformer, Diodenstecker, Prüfkabel) in Serienfertigung selbst her und verkaufte sie an die genannten Firmen.
In seiner Umsatzsteuererklärung für 1980 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis November 1981 erklärte er nur Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit und unterwarf sie dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der Fassung bis zum 31. Dezember 1980. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Auffassung zunächst. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat das FA aber die Ansicht, der Kläger betreibe neben seinem Ingenieurbüro einen Fertigungsbetrieb. Es besteuerte Lieferungen der von dem Kläger hergestellten elektronischen Geräte und Bauteile in dem Umsatzsteueränderungsbescheid 1980 vom 14. April 1982 und in dem Bescheid über Umsatzsteuervorauszahlungen für November 1981 vom 1. April 1982 mit dem allgemeinen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG 1980). Von dem Gesamtjahresumsatz 1980 von 336 266 DM entfielen 143 639 DM und von den Umsätzen Januar bis November 1981 von 296 359 DM entfielen 172 607 DM auf diese Lieferungen.
Der Kläger begehrte nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage die Aufhebung der erwähnten Bescheide. Er meinte, es handele sich bei der Lieferung der selbsthergestellten Geräte und Bauteile um Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1980 unterlägen. Er schulde seinen Auftraggebern in erster Linie eine geistige Leistung und weniger die Lieferung bestimmter Geräte. Während des Klageverfahrens erließ das FA den Umsatzsteuerbescheid für 1981 vom 1. August 1983 und besteuerte darin die von dem Kläger erzielten Umsätze aus Lieferungen von Gegenständen mit dem allgemeinen Steuersatz.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ dahinstehen, ob sich das Verfahren gegen den Bescheid über die Festsetzung von Vorauszahlungen zur Umsatzsteuer für November 1981 in der Hauptsache erledigt hatte, weil es die Klage in vollem Umfang für unbegründet hielt. Es führte u.a. aus: Der Kläger könne den ermäßigten Steuersatz für die Lieferungen der selbst hergestellten Geräte und Bauteile nicht beanspruchen, weil er diese Leistungen nicht als Angehöriger eines freien Berufs aus einer in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bezeichneten Tätigkeit bewirkt habe. Der Kläger sei sowohl freiberuflich als auch gewerblich tätig geworden. Die Ingenieurtätigkeit sei mit dem Abschluß der Konstruktionsplanungen beendet worden. Mit der daran anschließenden, auf eigene Rechnung durchgeführten handwerklichen oder auch industriellen Produktion beginne die gewerbliche Tätigkeit. Die freiberufliche und die gewerbliche Tätigkeit des Klägers seien trennbar. Wenn die Tätigkeit des Klägers aber als einheitliche, nicht trennbare Leistung gewertet würde, müßte sie nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insgesamt als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1980 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und macht geltend: Seine Tätigkeit müsse einheitlich als freiberufliche Tätigkeit betrachtet werden. Ein Freiberufler könne nur Einkünfte aus selbständiger Arbeit haben. Ein Gewerbebetrieb liege nach § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) nicht vor, wenn es sich um einen freien Beruf handele. Für eine Aufteilung einer selbständigen Tätigkeit in eine Tätigkeit als selbständige Arbeit und eine Tätigkeit als Gewerbebetrieb sei eine gesetzliche Grundlage weder in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch in § 1 GewStDV vorhanden. Es gebe keine Halb-Freiberufler und keine Halb-Gewerbetreibenden. Eine Trennung von Planungs- und Herstellungsbereich lasse sich im Streitfall nicht durchführen. Jedes von ihm hergestellte Gerät lebe von der dahinterstehenden ingenieurwissenschaftlichen Problemlösung. Ohne sie wären die Geräte für den Auftraggeber unbrauchbar. Diese erwarteten im wesentlichen eine innovative Tätigkeit und nicht die Montage von Geräten. Die bei seinen Leistungen verwendeten technischen Geräte seien lediglich Hilfsmittel für die ingenieurwissenschaftliche Tätigkeit. Der Materialeinsatz betrage - gemessen an den Umsatzerlösen - weniger als 50 v. H.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG vom 9. Februar 1984 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es meint, zur Erreichung eines gerechten steuerlichen Ergebnisses sei die getrennte Behandlung der einzelnen Tätigkeiten zugunsten des Klägers angestrebt worden. Bei Untrennbarkeit der Leistungen liege nach dem Gesamtbild eine gewerbliche Tätigkeit vor.
Die Beteiligten haben den Rechtsstreit hinsichtlich des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids für November 1981 vom 1. April 1982 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des FG betreffend Umsatzsteuer 1980 richtet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen ist die Vorentscheidung nach der übereinstimmend erklärten Erledigung des Verfahrens wegen des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids für November 1981 vom 1. April 1982 wirkungslos geworden.
1. Umsatzsteuer 1980
Das FG hat es zu Recht abgelehnt, den ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1980 auf Lieferungen des Klägers von selbst hergestellten Gegenständen anzuwenden.
a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1980 in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer auf die Hälfte des allgemeinen Steuersatzes für die Leistungen und den Eigenverbrauch der Angehörigen eines freien Berufes aus einer in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Tätigkeit. Die Gesetzesformulierung ,,aus einer in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes aufgeführten Tätigkeit" erfordert, daß die Umsätze des Berufsangehörigen für seinen Beruf charakteristisch, d. h. berufstypisch sind (ständige Rechtsprechung zu der vergleichbaren Fassung in § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967/1973 vgl. BFH-Urteil vom 3. Oktober 1985 V R 106/78, BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213 m.w.N.). Das objektive Merkmal der berufstypischen Tätigkeit ist maßgebliches Kriterium für die Begünstigung des einzelnen Umsatzes. Folglich kann ein Angehöriger eines freien Berufs begünstigte und nicht begünstigte Umsätze ausführen. Die Abgrenzung ist umsatzsteuerrechtlich allein nach Tätigkeitsarten, nicht aber nach Einkunftsarten im Sinn des EStG vorzunehmen (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Februar 1981 V B 50/79, BFHE 132, 351, BStBl II 1981, 412 m.w.N.).
b) Lieferungen selbst entwickelter, in Serie hergestellter Geräte und Bauteile sind für einen Ingenieur nicht berufstypisch. Sie lassen sich auch keiner anderen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezeichneten freiberuflichen Tätigkeit zuordnen. Deshalb unterliegen sie dem allgemeinen Steuersatz.
Die Berufstätigkeit des Ingenieurs besteht im wesentlichen darin, auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen (BFH-Urteil vom 19. Juli 1985 III R 175/80, BFHE 144, 413, BStBl II 1986, 15). Mit diesen berufstypischen Tätigkeiten kann die Herstellung eines Einzelgegenstandes (Prototyps, Modells; vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1963 IV 54/61 U, BFHE 78, 349, BStBl III 1964, 136) zusammenhängen, wenn der Ingenieur dadurch die Richtigkeit seiner Planung prüfen will.
Anders ist jedoch die Tätigkeit eines Ingenieurs zu beurteilen, der Gegenstände in Serie herstellt und vertreibt. Er nimmt dadurch auf andere Weise als in der für das Berufsbild des Ingenieurs charakteristischen Weise am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Er stellt seinen Auftraggebern nicht mehr nur die Planung und Entwicklung von Gegenständen zur Auswertung zur Verfügung. Vielmehr übernimmt er die Auswertung seiner Planung und Entwicklung durch Serienherstellung von Gegenständen selbst. Die vorangegangenen Ingenieurleistungen sind in den hergestellten und vertriebenen Gegenständen aufgegangen. Sie sind - wie die Serienfertigung beweist - in Handelsgegenstände eingegangen, die als solche umgesetzt werden sollen. In dieser Tätigkeit gleicht der Ingenieur aus der Sicht seiner Abnehmer und der Sicht seiner Konkurrenten einem Hersteller. Die Serienherstellung und der Vertrieb der in Serien hergestellten Gegenstände geben dieser Tätigkeit eine gewerbliche Prägung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. November 1978 IV R 15/73, BFHE 126, 461, BStBl II 1979, 236 - Verkauf und Vertrieb selbst verfaßter Druckschriften -; BFH-Urteil vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291 - Veräußerung von selbst geplanten Häusern durch einen Architekten -; zur Beurteilung teils freiberuflicher, teils gewerblicher Tätigkeit vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 18 Anm. 21). Umsatzsteuerrechtlich führt diese für einen Ingenieur nicht berufstypische Tätigkeit zur Annahme von jeweils nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1980 begünstigten Lieferungen. Schon die Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordert, daß der Kläger Umsätze durch Lieferungen von in Serie hergestellten Gegenständen wie andere Hersteller mit dem allgemeinen Steuersatz des § 12 Abs. 1 UStG 1980 versteuert.
2. Umsatzsteuervorauszahlung November 1981
Die Vorentscheidung ist, soweit sie den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für November 1981 vom 1. April 1982 betrifft, wirkungslos geworden, weil der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Der Rechtsstreit ist aufgrund der übereinstimmenden, in der Revisionsinstanz abgegebenen Erledigungserklärungen der Beteiligten als in der Hauptsache erledigt anzusehen. Das Urteil des FG ist insoweit wirkungslos geworden (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1984 II R 30/81, BFHE 142, 357, BStBl II 1985, 218).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, soweit die Revision die Umsatzsteuer 1980 betrifft. Im übrigen hat der Kläger die Kosten nach § 138 Abs. 1 FGO zu tragen. Dies entspricht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Bei der gebotenen summarischen Prüfung hätte die Revision ohne das erledigende Ereignis keinen Erfolg haben können. Wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, sind die Lieferungen der von dem Kläger in Serie hergestellten Gegenstände in dem Vorauszahlungsbescheid für November 1981 zutreffend mit dem allgemeinen Steuersatz besteuert worden.
Fundstellen