Leitsatz (amtlich)
Verpflichten sich zwei Ehegatten wechselseitig, mit ihrer vollen Arbeitskraft jeweils im Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten tätig zu sein, so liegen steuerrechtlich anzuerkennende Ehegatten-Arbeitsverträge mangels Durchführbarkeit der getroffenen Vereinbarungen nicht vor.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Revisionskläger (Steuerpflichtigen) sind Eheleute. Beide unterhalten einen Gewerbebetrieb. Mit zwei selbständigen Verträgen vom 1. Oktober 1962 vereinbarten sie mit Wirkung vom 1. Januar 1962 ab, daß der Ehemann im Betrieb seiner Ehefrau gegen ein monatliches Gehalt von 600 DM als Prokurist, die Ehefrau im Betrieb ihres Ehemannes gegen ein monatliches Gehalt von 1 000 DM als Prokuristin tätig sein solle. Bis zum Februar 1963 einschließlich wurden die Gehälter nicht ausbezahlt, sondern allein buchmäßig im Betrieb des Arbeitgeber-Ehegatten als Betriebsausgabe behandelt und zugleich als Kapitaleinlage mit den Entnahmen saldiert. Vom 1. März 1963 ab wurden die Gehälter ausbezahlt. In ihrer Einkommensteuererklärung wiesen die Steuerpflichtigen die vereinbarten Gehälter - jeweils unter Abzug des Weihnachtsfreibetrages und des Werbungskostenpauschbetrages - als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus und beantragten sie die Zusammenveranlagung.
Der Revisionsbeklagte (FA) verneinte grundsätzlich die Ernsthaftigkeit der Verträge; darüber hinaus fehle es hinsichtlich der Verträge für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1962 infolge der ihnen beigelegten Rückwirkung und für die Zeit vom 1. Oktober 1962 bis 28. Februar 1963 mangels ihrer tatsächlichen Durchführung an der Möglichkeit einer steuerrechtlichen Anerkennung. Demgemäß setzte das FA die als Betriebsausgaben behandelten Beträge den jeweiligen Gewinnen der Ehegatten aus Gewerbebetrieb wieder hinzu.
Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus: Die Gegenseitigkeit der Vereinbarungen über die einander zu erbringenden Dienstleistungen allein schließe deren Ernsthaftigkeit nicht aus; entscheidend sei vielmehr die wirtschaftliche Bedeutung der Verträge und ihre tatsächliche Durchführung. Zivilwie steuerrechtlich lasse sich der von den Ehegatten im Rahmen ihrer Gewerbebetriebe durchgeführte Austausch von Dienstleistungen nicht unter die Regeln eines gewöhnlichen Arbeitsvertrages bringen, wie er sonst mit Arbeitnehmern geschlossen werde. Ein echter Arbeitnehmer stelle seine Arbeitskraft in aller Reger dem Arbeitgeber gegen Geld zur Verfügung; er begebe sich damit in eine gewisse persönliche Abhängigkeit. Im Streitfall handle es sich um einen Leistungsaustausch zwischen zwei selbständigen Unternehmern. Es könne den Vertragschließenden hier nicht darum gegangen sein, sich die gegenseitigen Dienstleistungen gegen Vergütung in Geld zu erbringen, sondern allein darum, die sich gegenseitig ergänzenden Dienstleistungen zu erhalten. Beide Ehegatten hätten sich gegenseitig in ihren Betrieben nicht in Erwartung einer Arbeitsvergütung, sondern im Interesse der Förderung des eigenen Betriebes durch den anderen Ehegatten geholfen. Unter diesem Gesichtspunkt habe die Vereinbarung eines Monatsgehalts nur formale Bedeutung gehabt. Auch das Moment der persönlichen Abhängigkeit, das Eingeordnetsein in den Betrieb des anderen, habe gefehlt, nicht weil die Vertragschließenden auch ehelich einander verbunden seien, sondern weil sie sich als Gewerbetreibende gegenübergestanden und in dieser ihrer Eigenschaft Dienstleistungen ausgetauscht hätten. Bei Abrechnung der gegenseitigen Dienstleistungen dürfe buchmäßig nicht nur der Wert der Gegenleistung als Aufwand erscheinen. Es müsse auch die Vergütung für die eigene Leistung als Betriebseinnahme und damit als Ertrag ausgewiesen werden. Die eigene Leistung sei, wie dargelegt, wirtschaftlich mit der erhaltenen Gegenleistung verknüpft und könne nicht als ein außerbetrieblicher Vorgang angesehen werden. Das bedeute, daß die Steuerfestsetzung des FA im Ergebnis und - wie hier - im Falle der Zusammenveranlagung nicht zu beanstanden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Steuerpflichtigen mit Beschluß des BFH I B 6/66 vom 19. Juli 1966 (nicht veröffentlicht) zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte Revision, zu deren Begründung die Steuerpflichtigen vortragen lassen:
Die Rechtsausführungen des FG verletzten die Vorschriften der §§ 4, 15 und 19 EStG. Sie würden letzten Endes bedeuten, daß niemand nebeneinander sowohl als Gewerbetreibender als auch selbständig oder unselbständig tätig sein könne. Die von den Steuerpflichtigen unterhaltenen Betriebe seien ihrer Art nach grundverschieden. Die Tätigkeit des einen Ehegatten für den Betrieb des anderen könne deshalb nicht als Förderung des eigenen Betriebes angesehen werden; sie sei vielmehr eine neben der gewerblichen Tätigkeit stehende, für sich zu beurteilende Tätigkeit. Der Klageantrag werde auf die Anerkennung der gegenseitigen Arbeitsverhältnisse für die Zeit vom 1. März 1963 bis 31. Dezember 1963 eingeschränkt.
Das FA ist demgegenüber der Ansicht, daß - unbeschadet der rechtlichen Möglichkeit, als Gewerbetreibender selbständig und daneben als Arbeitnehmer unselbständig tätig zu sein, und unbeschadet der Gegenseitigkeit der getroffenen Vereinbarungen - es für die steuerrechtliche Anerkennung an der tatsächlichen Durchführung, ja an der Durchführbarkeit der Verträge fehle. Die Arbeitszeit des Ehemannes im Betrieb seiner Ehefrau umfasse nach dem Vertrag 40, die Arbeitszeit der Ehefrau im Betrieb ihres Ehemannes 45 Stunden wöchentlich. Wenn indes - wie unstreitig sei - jeder Ehegatte in seinem eigenen Gewerbebetrieb so viel zu tun habe, daß er dem Betrieb des anderen Ehegatten höchstens einen Bruchteil der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit widmen könne, sei es nicht logisch, auf der einen Seite zu behaupten, der Betrieb bedürfe einer weiteren Arbeitskraft, da die eigene nicht ausreiche, auf der anderen Seite aber die eigene Arbeitskraft dem Betrieb des anderen Ehegatten 40 bzw. 45 Stunden wöchentlich zu widmen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zur Frage der steuerrechtlichen Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverträgen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich ihrer tatsächlichen Durchführung auf die Entscheidungen des BFH VI R 140/66 vom 25. April 1968 (BFH 92, 101, BStBl II 1968, 494) und I 157/65 vom 9. April 1968 (BFH 92, 281, BStBl II 1968, 524) und die in ihnen zitierte Rechtsprechung Bezug. Zur Durchführung bedarf es jedoch zunächst des Vorliegens eines ernsthaften, d. h. seinem ganzen Inhalt nach auch durchführbaren Arbeitsvertrages (BFH-Urteil IV 146/61 U vom 24. Mai 1962, BFH 75, 319, BStBl III 1962, 383).
Wie das FA zutreffend ausgeführt hat, fehlt es im Streitfall an einem solchen Vertrag, weil die Verträge vom 1. Oktober 1962 durch ihre an die Arbeitskraft des Arbeitnehmer-Ehegatten gestellten Anforderungen von vornherein als undurchführbar angesehen werden müssen und auch tatsächlich nicht durchgeführt worden sind. Die Verträge fordern praktisch den vollen Einsatz der Arbeitskraft des Arbeitnehmer-Ehegatten zugunsten des Betriebes seines Arbeitgeber-Ehegatten, ein Verlangen, das in Ansehung der eigenen Tätigkeit des Arbeitnehmer-Ehegatten als Gewerbetreibender in seinem eigenen Betrieb weder vertretbar noch zumutbar ist. Damit enthalten die Verträge vom 1. Oktober 1962 jeweils Bestimmungen, die ihre tatsächliche Durchführung in Ansehung der Umstände des Falles - voller Arbeitseinsatz beider Ehegatten im eigenen Betrieb als Gewerbetreibender und gleichzeitig im Betrieb des Ehegatten als Arbeitnehmer - von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen müssen und damit die Verträge als nicht ernsthaft gemeint kennzeichnen. Die tatsächlich durchgeführte gegenseitige Hilfeleistung beruht nicht auf einem nachweisbaren und nachgewiesenen Arbeitsvertrag.
Die Revision konnte danach keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 68482 |
BStBl II 1969, 315 |
BFHE 1969, 44 |